Wer mit der "ärztlich geprüften" Yoga-Lehrerin Iris K. telefonisch Kontakt aufnehmen will, der muss eine Mobiltelefonnummer wählen. K. hat sich mit dem 4G-Netz gut arrangiert, aber jetzt ist Schluss mit lustig. Der geplante 5G-Netzausbau ist der Yogalehrerin ein Dorn im Auge, in ihrer Heimatgemeinde Geboltskirchen hat sie eine Bürgerinitiative initiiert und Unterschriften gesammelt, gegen den neuen Mobilfunkstandard und für eine gesunde Gemeinde. Das Anliegen gelangte in den Gemeinderat des Orts im Hausruckviertel, dieser sprach sich gegen "gegen die Aufstellung und Anbringung von Sendeanlagen und sonstigen Anlagenteilen aus."

Dürfen die ÖBB nur mehr mit der Dampflok durch den Ort?

Rechtlich ist das im besten Falle irrelevant und mit einem Gemeinderatsbeschluss vergleichbar, der den Österreichischen Bundesbahnen vorzuschreiben versucht, künftig nur noch mit der  Dampflok durch das Ortsgebiet fahren zu dürfen. Das Forum Mobilkommunikation weist darauf hin, dass politische Beschlüsse dieser Art auf Gemeindeebene rechtswidrig sein können. 

Top in der Agitation, Flop in Sachen Information?

Doch wir sind neugierig und wollen wissen, worauf die Bedenken der Bürgerinitiative und der Gemeinde fußen. K. erklärt auf eine Anfrage per E-Mail, dass sie zunächst meine Intention hinter der Anfrage klären möchte, um dann für sich zu klären, ob es Sinn macht, "ihre Ressourcen dorthin zu lenken." Ich präzisiere: Ich schreibe zu dem Thema und hätte nur gerne Hinweise auf die Quellen oder Studien, auf die man sich im Geboltskirchener Widerstand gegen 5G beruft. Ich vermute, der dazu nötige "Ressourceneinsatz" ist der Initiatorin einer Bürgerinitiative zumutbar. Es folgt ein langes Telefonat, in dem K. durchklingen lässt, dass "ihre Ressourcen" für den "reporterischen Eifer" meinerseits, den sie ganz deutlich spüre, vermutlich nicht sinnvoll verwendet seien. Ich flehe fast um Quellen und Hinweise und buckle wie der "dreibeinige Hund" auf der Yogamatte, doch K. bleibt hart. Sie spüre, dass die Schwingungen in der Causa nicht so recht passen. Jetzt darf ich es verraten: Frau K. hat ihre Ressourcen letztlich nicht für die Stiftung Gurutest vergeudet. Der Giftschrank mit den wohl heißen Papieren zu 5G und Gesundheitsgefährdung, er bleibt verschlossen. Ein kleiner Trost: Wir stehen damit nicht alleine da. 

Dem Bürgermeister von Geboltskirchen, Friedrich Kirchsteiger, ist die Sache spürbar unangenehm. Der Funke mit dem Widerstand gegen 5G sei aus Bayern nach Oberösterreich übergesprungen, vermutet er. Quellen und Belege zur Gefährlichkeit von 5G sei K. auch ihm schuldig geblieben. Er selbst habe sich vor allem auf Wikipedia zum Thema informiert. Das Conclusio der Online-Enzyklopädie wäre freilich kein Wasser auf die Mühlen der Mobilfunkskeptiker. Wikipedia stellt unromantisch fest: "Innerhalb der zugelassenen Grenzwerte gab es hingegen bei keiner der über 200 durchgeführten Studien auch nur Hinweise auf eine gesundheitsschädliche Wirkung."    

Geboltkirchner Forscher schämt sich ein wenig für seine Gemeinde

Stefan Uttenthaler schüttelt den Kopf ob der Vorgänge in seiner Heimatgemeinde. Uttenthaler hat ein Doktorat in Physik und betreut beim Wissenschaftsfonds FWF Forschungsprojekte in Experimentalphysik, theoretischer Physik und Astrophysik. Er könnte in seiner Heimatgemeinde etwas Licht ins Dunkel bringen in der Sache der angeblich ungesund strahlenden, brummenden, surrenden und schwingenden 5G-Stationen. Der Physiker fasst die Sache nüchtern zusammen: "Es ist kein physikalischer Mechanismus bekannt, der bei Einhaltung der Strahlungsgrenzwerte zu irgendwelchen gesundheitlichen Auswirkungen am Menschen führen könnte. Die von Mobilfunkgegnern oft behaupteten 'nicht-thermischen Effekte' wurden längst wissenschaftlich widerlegt. Heute noch über die Gesundheitsgefahr von 5G zu diskutieren ist ungefähr so plausibel, wie über die Gefahr von eckigen Augen durch zu viel Fernsehen zu diskutieren." 

Es geht nicht um Diskurs, sondern um einen Angriff auf die Wissenschaft

Worüber sich Wissenschafter keine Illusionen machen sollten: Es geht im Widerstand gegen den Ausbau des 5G-Netzes nicht um wissenschaftliche Argumente. Es geht um einen Angriff auf die wissenschaftliche Diskussion per se. Der manifestiert sich im rührend-naiv anmutenden Geschwurbel einer Yoga-Lehrerin, die sich um die Gesundheit Sorgen macht und endet bei Verschwörungsplauderern, für die 5G eine Chiffre zur Eröffnung einer weiteren Front im imaginären Endkampf gegen die böse Elite ist. Die Fantasie der Plauderer kennt kaum Grenzen: 5G sei eine Mikrowellenstrahlung, die unser Gehirn grillt, wo auch immer das neue Netz in Betrieb genommen wurde und uns als ferngesteuerte Zombies versklavt. Vögel fielen tot vom Baum, wo auch immer 5G-Röstanlagen installiert wurden, und der Corona-Virus sei von den klandestinen Lenkern der Welt nur deswegen in die Welt gesetzt worden, um von den desaströsen Wirkungen der 5G-Strahlen ablenken zu können.

Investigativer Journalist warnt: Man fällt um, wenn 5G kommt

In Österreich tingelt der "investigative Journalist" Steve Whybrow (aka Wyborova) von Corona-Demo zu Corona-Demo, um in drastischen - wenngleich nicht widerspruchsfreien - Rants vor 5G zu warnen. "Wir wissen nicht, welche Frequenzen die nutzen werden, und wenn dann die Leute beginnen umzufliegen - wie gesagt 60 Gigaherz, das ist der Bereich, in dem die 5G nutzen wollen, da fällst Du um, wenn der Körper den Sauerstoff nicht mehr absorbieren kann." Whybrow vermutet messerscharf: Der 5G-Tote wird dann als Corona-Toter gezählt, so ergänzten sich die Dinge wunderbar im Sinne der Neuen Weltordnung. Whybrow kleckert nicht in Sachen jener Mission, die er zu erfüllen angetreten ist: In Wien brüllt er bei einer der Demos in die Menge, dass er "seit 10 Jahren in harter Forschung" an einer Frage arbeite: "Wie kann ich die ganze Elite stürzen". Hie und da legen besorgte 5G-Gegner tatsächlich Hand an, um wenigstens ein paar Funkmasten zu stürzen, um damit den Unbill der 5G-Teufelsfrequenz abzuwehren. Vor allem in Großbritannien und in den Niederlanden gab es in den vergangenen Monaten Dutzende Sabotageakte gegen Telekommunikationsanlagen, Mitarbeiter von Mobilfunkunternehmen wurden von "Aktivisten" attackiert. 

Auch andere Gemeinden engagieren sich

Geboltskirchen ist nicht die einzige Kommune, die sich gegen 5G positioniert. In Kärnten machen FPÖ-Politiker in fünf Gemeinden mobil. Auch in den oberösterreichischen Gemeinden Kallham und Pötting reagiert die Politik auf besorgte Bürger. Die Gemeinden versichern, man wolle anstelle von 5G den Ausbau des Glasfaserkabelnetzes forcieren. Das wird die künftigen Nutzer mobiler Technologie, in der smarten Landwirtschaft und die Nutzer autonomer Fahrzeuge freuen. Die erhalten dann von der Gemeinde vermutlich eine große Kabelrolle für Ausflüge ins finstere Tal. (Christian Kreil, 18.8.2020)   

In anderer Sache: Die Stiftung Gurutest sucht für das Buchprojekt "Fauler Zauber" (Arbeitstitel) Fallbeispiele für "alternativmedizinische" Fehlbehandlungen und zu deren Folgen: Fälle, in denen echte Therapien verzögert oder verweigert wurden zu Gunsten von Humbug und Scharlatanerie. Selbstverständlich können sich sowohl Informanten als auch Opfer auf hundertprozentige Diskretion verlassen.
Kontakt unter: gurutest@klartext-kreil.at

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