Nachtigall oder Lerche? Valentin Postlmayr und Lena Kalisch sind Romeo und Julia in Perchtolsdorf.

Foto: Sophia Wiegele

Aus dem Bretterboden wachsen einige Plastikblumen. Sie sind das einzige Dekor in Veronika Glatzners gleichermaßen reduzierter wie poetischer Romeo und Julia-Inszenierung bei den Sommerspielen Perchtolsdorf – sieht man von den quer über die Bühne gespannten Stoffbahnen ab, mit denen der Wind am Premierenabend seine Spielchen treibt und sie so zu weiteren Hauptdarstellern macht. Diese Sinnlichkeit und Dramatik muss eine Windmaschine erst einmal hinkriegen!

In Perchtoldsdorf hat man nicht nur mit dem Wetter Glück gehabt. Nach langem Zuwarten entschloss man sich, die Sommerspiele doch nicht abzusagen – entgegen vielen Unkenrufen und dem allgemeinen Trend bei den meisten anderen Sommertheatern. Der Premierentermin wurde verschoben, die Regie wanderte von Intendant und Jedermann-Regisseur Michael Sturminger zu Glatzner, Hygienemaßnahmen und neue Sitzordnungen wurden ein- und regelmäßige Tests durchgeführt. Auf aktuelle Anspielungen oder ein Spiel auf Abstand verzichtete man aber dankenswerterweise. Erstere lägen sogar auf der Hand: Der Liebestod Romeo und Julias ist dem Umstand geschuldet, dass ein Bote in Quarantäne kommt – im Verona des 16. Jahrhunderts allerdings nicht wegen Corona, sondern wegen der Pest. Abgesehen davon fühlt sich Glatzners Inszenierung aber ganz heutig an. Die Grundlage dafür ist Angelika Messners Neuübersetzung von Shakespeares Stück, die genau so luftig wie stimmungsvoll daherkommt wie der gesamte dreistündige Abend.

Balance aus Komödie und Tragödie

Mit einem Prolog im Stile der Commedia dell’Arte hebt dieser an: Reihenweise fallen die Darsteller von tödlichen Hieben getroffen zu Boden. Es ist diese Balance aus Komödie und Tragödie, die auch das folgende, fast durchgehend von sphärischen Elektroklängen zweier Livemusiker unterlegte Spiel kennzeichnet. Die Leichtfüßigkeit geht den elf Schauspielern dabei auch dann nicht verloren, wenn sie das Baugerüst rauf- und runterkraxeln, das Paul Sturminger auf die Bretterbühne gestellt hat.

Im Gegenteil: Zu den schönsten Szenen des Abends gehört der Maskenball, bei dem die Montagues rund um Romeo (intensiv: Valentin Postlmayr) auf die Sippschaft der Capulets samt Julia (gefühlig: Lena Kalisch) treffen. Wortführer Mercutio wird mit seiner Streitlust und verkörpert vom tollen Emanuel Fellmer schon bald jenen tödlichen Reigen auslösen, der Romeo und Julia auch zu einem dramaturgischen Wunderwerk macht. Der erste Liebesblick ist in diesem Stück beinahe schon der letzte. Wie gut, dass sich dazwischen genauso eine schnelle Hochzeit wie ein bezauberndes Stück Sommertheater ausgeht. Bis 4. 9. (Stephan Hilpold, 6.8.2020)