Wohnanlage der WBV-GFW in der Seestadt Aspern.

Foto: Newald

Rund um die gemeinnützige Bauvereinigung WBV-GFW, vormals WBV-GÖD, gibt es seit Jahren Aufklärungsbedarf. Die wichtigste Frage, die sich derzeit stellt: Wem gehört der Bauträger eigentlich? Denn nachdem die Stadt Wien 2018 die Übernahme durch den Unternehmer Christian Hosp per Bescheid untersagt hatte, entstand in der Folge ein riesiger rechtlicher Wirrwarr.

Zur Erinnerung: Die Muttergesellschaft der gemeinnützigen WBV-GFW, die Gesellschaft zur Förderung des Wohnbaus (GFW), wurde 2015 von Hosp gekauft, einem Geschäftsfreund von Michael Tojner. Es kam dann einerseits die Befürchtung auf, die neuen Eigentümer könnten den Verlust der Gemeinnützigkeit anstreben, um anschließend die Wohnungen zu versilbern; andererseits war die Frage, ob das Unternehmen nicht in Wirklichkeit im Einfluss von Tojner stand, Hosp nur ein Strohmann war. Tojner bestritt das stets; als Angehöriger des Baugewerbes, als der Tojner gilt, dürfte er nicht an einem gemeinnützigen Bauträger beteiligt sein, das schreibt das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) vor.

WGG-Novelle 2018

Ebenso untersagt das WGG den Verkauf von Anteilen an einer gemeinnützigen Bauvereinigung ohne Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Bis April 2018 galt das jedenfalls für den unmittelbaren Anteilserwerb, nach einer WGG-Novelle ab Mai 2018 auch für den mittelbaren, also etwa den Erwerb einer Muttergesellschaft. Die neue Regelung wurde auch rückwirkend in Kraft gesetzt.

Die GFW brachte danach einen Antrag auf nachträgliche Genehmigung des Deals bei der Aufsichtsbehörde, der Stadt Wien, ein. Später wurde der Antrag zwar wieder zurückgezogen, die Stadt erklärte aber im September 2018, sie sei amtswegig tätig geworden. Der Deal wurde von der Landesregierung untersagt, eine Wiedereinsetzung der alten Eigentümer im Firmenbuch wurde vorgeschrieben, und zwar jener des Jahres 2008. Denn schon ab 2009 gab es erste Anteilsverkäufe, alle erfolgten ohne Genehmigung. Die Gesellschaft legte gegen den Bescheid der Landesregierung umgehend Beschwerde ein, das Verwaltungsgericht Wien lehnte diese ab.

Handelsgericht lehnte Löschung ab

Die Rückabwicklung ist aber bis heute nicht erfolgt, weiterhin steht Christian Hosp als wirtschaftlicher Eigentümer im Firmenbuch. Seine Löschung wurde vom Land Wien beantragt, vom Handelsgericht per Beschluss vom 14. Jänner 2020 allerdings abgelehnt. Sie müsse nicht durchgeführt werden, weil rechtskräftig erledigte Anträge "von der rückwirkenden Anordnung des Bundesgesetzgebers ausgenommen" seien, wie es in der Begründung hieß. Das Land Wien brachte dagegen Rekurs ein, dieser wurde jedoch zurückgewiesen.

Und nun kommt verschärfend hinzu, dass gleich mehrere gemeinnützige Bauvereinigungen um die ehemalige WBV-GÖD und ihren Wohnungsbestand rittern. Das Österreichische Siedlungswerk (ÖSW) und die Eisenbahner-Genossenschaft BWSG haben nach Informationen des STANDARD bei der Stadt Wien Anträge zur Genehmigung von Anteilsübertragungen eingebracht, sind also an einem Kauf höchst interessiert. Der Kaufpreis für die WBV-GFW steht fest, es sind die rund sechs Millionen Euro an Stammkapital, das im Unternehmen steckt (jede Überzahlung wäre laut WGG unzulässig).

Die BWSG hatte Ende des Vorjahrs schon mitgeteilt, die WBV-GFW kaufen zu wollen. Die Stadt Wien kann aber weder ihren Antrag noch jenen des ÖSW genehmigen, denn sie weiß nicht, wer in der WBV-GFW die Gesellschafterrechte wahrnimmt. Der Revisionsverband der Gemeinnützigen vertritt jedenfalls die Ansicht, dass die Gesellschafterrechte des "mittelbaren Anteilserwerbers" Hosp ruhen "und dieser nicht berechtigt ist, sowohl einen Geschäftsführer für die Muttergesellschaft (GFW) der WBV-GFW als auch für die WBV-GFW selbst zu bestellen", wie es in einer Stellungnahme heißt.

Gutachten bestellt

Um dies nun zu klären, hatte die Stadt Wien den emeritierten WU-Professor und Unternehmensrechtsexperten Christian Nowotny im Frühjahr mit einem Gutachten beauftragt. Die Kernfragen, denen er sich widmen sollte: Wie ist der Beschluss des Handelsgerichts rechtlich einzuordnen, und welche Eigentumsverhältnisse sind für die anhängigen Genehmigungsverfahren maßgeblich? Und unter welchen Umständen wäre eine Übernahme von Anteilsrechten möglich? Eine zumindest zeitweise Übernahme der WBV-GFW durch die Stadt selbst steht nämlich offenbar ebenfalls zur Diskussion.

Das Gutachten ist noch nicht fertig, einer der beiden kaufinteressierten Bauträger hat nun aber Säumnisbeschwerde gegen die Stadt eingebracht. Sprich: Sie lasse sich mit der Genehmigungs-Entscheidung zu lange Zeit. Die Stadt argumentiert aber, dass sie angesichts der offenen Rechtsfragen derzeit noch keine Entscheidung treffen kann – insbesondere da das von ihr bestellte Gutachten noch nicht vorliegt. Deshalb landet die Causa nun neuerlich vor dem Wiener Verwaltungsgericht. Dieses muss über die Säumnisbeschwerde urteilen. Die Stadt verspricht, dem Gericht das Rechtsgutachten "unmittelbar nach Fertigstellung" vorzulegen.

RH: Versäumnisse der Stadt

Doch die Stadt ist nicht ganz schuldlos in diese verzwickte Lage geraten. Zumindest nach Ansicht des Rechnungshofs: In einem Rohbericht, aus dem der "Kurier" kürzlich zitierte, übt der Rechnungshof scharfe Kritik an der Stadt. Als Aufsichtsbehörde seien ihr grobe Versäumnisse passiert, denn sie hätte spätestens im Mai 2018, als die WGG-Novelle in Kraft trat und somit klar war, dass die Anteilsübernahme rechtsunwirksam ist, eine entsprechende Meldung an das Firmenbuchgericht veranlassen müssen. Diese sei aber nicht erfolgt, so der RH, der in der Sache auf Initiative der FPÖ aktiv wurde. Zudem sei es während des laufenden Verfahrens zwischen dem Leiter der städtischen Magistratsabteilung 50 (Wohnbauförderung und Schlichtungsstelle für wohnrechtliche Angelegenheiten) und Vertretern der GFW zu Gesprächen gekommen, die nicht dokumentiert wurden, "obwohl es dabei auch um verfahrensrelevante Themen ging". (Martin Putschögl, 10.8.2020)