Ein charmanter alter Heuriger in Eggenburg ist den Sommer über die Wirkungsstätte von Jürgen Wolf, jenem vom Gasthaus Wolf.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Dass Jürgen Wolf das wunderschöne, nach ihm benannte Gasthaus auf der Wieden schon seit Jahresanfang nicht mehr bekocht, haben weder Wolf noch sein Ex-Partner Wolfgang "Wimpl" Wöhrnschimmel an die große Glocke gehängt – auch weil mit Dani Huber dort eine Köchin das Zepter übernommen hat, die schon die Lehre bei Wolf, im Wolf, gemacht hat und die vergangenen Jahre an seiner Seite wirkte. Scheint also alles in guten Händen und auch die Trennung im besten Einvernehmen über die Bühne gegangen zu sein – gibt’s leider nicht oft in der Gastro.

Dass Wolf jetzt ausgerechnet in Eggenburg, im kulinarisch weitgehend verwaisten Weinviertel, aufpoppt, ist zwei Geschäftspartnern von ganz früher geschuldet: Christiane Goller und Karl Lind, dem Paar, das ein paar Häuser weiter am Eggenburger Hauptplatz das sympathische Gasthaus Seher betreibt. Goller war früher Geschäftsführerin des Ö1-Radiokulturhauses, in dessen zugehörigem Café Jürgen Wolf ein paar Jahre kochte. Und Karl Lind war überhaupt der Gastronom, der Wolf in grauer Vorzeit, im Jahr 1992, dessen erste Stelle als Küchenchef – im Lux am Spittelberg – verschafft hatte. So sieht man sich nach fast dreißig Jahren wieder.

Raus mit euch!

Der Stadtheurige ist im Wesentlichen ein Outdoor-Projekt, auch wenn es, so plötzlich ein Wetter aufziehe, die Möglichkeit zur Flucht in ein hübsches Gewölbe gibt. Auf der Wiese des Innenhofs, im Schatten weiter Schirme, zu sitzen ist natürlich viel schöner. Und Jürgen Wolf findet in der kleinen Küche zu alter, grandioser Form zurück – auch oder gerade weil es beim Heurigen nur kaltes (oder bestenfalls zimmerwarmes) Essen geben darf.

Auf der Standardkarte gibt es die eher üblichen Verdächtigen, allerdings in herausragender Qualität: Sehr gute Presswurst mit feinwürziger Marinade und roter Zwiebel zum Beispiel oder ein wirklich fantastisch saftiger Beinschinken vom Spanferkel. Das Hühnerleberparfait ist wie immer bei Wolf eine Wucht, das Rhabarberchutney liefert dazu die nötige Frucht. Auch das kalte Bratl ist eindeutig aus der Oberliga, Frühkrautsalat mit winzigen Speckkrusteln macht sich gut dazu. "Echter Liptauer", wie es sich gehört mit Brimsen und Butter, ist prachtvoll würzig, ein bissl gröber gehackte Kapern, Zwiebeln, Gurkerln et al wären aber kein Fehler.

Die echte Musi aber spielt auf der schwarzen Tafel, die weithin sichtbar an der Hausmauer hängt: Geschmorter Safranfenchel mit Ziegenkäse, mit ein bissl Glück gerade noch lauwarm serviert, ist fantastisches Heurigenessen, frisch, hocharomatisch, wie gemacht, um sich an einen eiskalten Weißen zu schmiegen. Mariniertes Kalbszüngerl, im Gewürzsud butterweich gekocht, kommt fein aufgeschnitten auf Wolfs fantastisch marinierten Berglinsen zu liegen – so köstlich, dass eine Portion kaum genügt. Oktopussalat mit frischem Chili klingt jetzt nicht nach orthodox weinviertlerischer Heurigenverpflegung, aber für die hätten sie in Eggenburg keinen Wolf gebraucht: perfekt geschmort, zum Glück nicht kühlschrankkalt, vermittelt genau jene Dosis Hitze, die einen nach dem nächsten Spritzer rufen lässt.

Oktopussalat, Kalbszüngerl auf Berglinsen, Safranfenchel: Die echte Musi spielt auf der schwarzen Tafel.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Wassermelone mit Minze, sehr guten Oliven und Ziegenkäse zeigt exemplarisch, wie fix sich ein richtig fantastischer Salat zusammenschnippeln lässt, wenn man’s kann. Den Gabelbissen, ein alter Wolf-Klassiker und natürlich hausgemacht, will man auch gehabt haben: Mit knackigem russischem Salat unter dem zarten Glibber des Aspiks, darauf wahlweise Rauchforelle oder Beinschinken mit Kren und Ei – Prost! Hinterher gibt’s mehr als ordentlichen Apfelstrudel oder Limetten-Grießflammerie mit Hollerröster. Man tut also gut daran, sich nicht schon vorher zu überessen. Ach ja: Das Freibad Eggenburg ist ein gutes! (Severin Corti, 7.8.2020)

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