Verkehr ist ein schwieriges Thema in der Politik – besonders in Niederösterreich.

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St. Pölten – Die niederösterreichische Volkspartei hat es nicht nötig, zu schreien – oder will zumindest nicht den Anschein erwecken. Wann immer es geht, schalten sich die Türkisen im größten Bundesland gar nicht erst ein, wenn es um parteipolitisches Hickhack geht. Da versucht die Landeshauptfraupartei drüberzustehen. Man ist ja keine Partei wie jede andere.

Wenn sie auf Angriffe anderer Parteien reagieren muss, versucht sie sich in Zurückhaltung. Da bleibt als Reaktion oft nur ein vermeintlich gut gemeinter Hinweis, so wie zuletzt: "In diesem Zusammenhang rät VP-Verkehrssprecher Jürgen Maier den Grünen in Niederösterreich, häufiger das Gespräch mit den Grünen auf Bundesebene zu suchen."

Der Zusammenhang, um den es geht, ist das von der türkis-grünen Bundesregierung geplante 1-2-3-Öffi-Ticket. Darauf haben sich Volkspartei und Grüne zwar im Bund geeinigt, doch in Niederösterreich knatscht es zwischen den Parteien – die Grünen sind dort ja auch Opposition, während die VP bekanntlich schon länger regiert.

Grüner Blockadevorwurf

Die grüne Landespartei ärgert sich, dass vorerst nur die dritte Stufe des Ticketplans, also die österreichweite, umgesetzt werden soll: "Wien zeigt es vor, dass ein 365-Euro-Ticket auch auf Ebene eines Bundeslandes möglich ist. Allein, in Niederösterreich – und voran beim zuständigen Landesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP, Anm.) – fehlt der Wille zur Entlastung der Geldbörsen der PendlerInnen", schreibt Landesparteichefin Helga Krismer in einer Aussendung. Sie befürchte, dass das Land die Tickets für ein oder zwei Bundesländer auf Bundesebene blockieren oder zumindest verzögern könnte.

Die Volkspartei reagiert darauf mit dem zitierten Rat, sich bei den Parteikollegen im Bund umzuhören. Und sie erklärt: Niederösterreich mache sogar Druck in Wien, alle drei Phasen gleichzeitig umzusetzen. Als Beweis liefert sie eine Presseaussendung, in der sich Landesrat Schleritzko genau dafür ausspricht: "Das flächenmäßig größte Bundesland mit dem größten Anteil an Zugverkehren hat sich ja bereits in den letzten Wochen für eine gemeinsame Einführung aller Stufen ausgesprochen", heißt es darin.

2018: Nutzlos und teuer

Wie kommen die Grünen nur darauf, dass Schleritzko gegen das Ticket sein könnte? Es könnte daran liegen, dass er es die längste Zeit war.

Denn schon lange bevor das 1-2-3-Ticket als Prestigeprojekt ins türkis-grüne Regierungsprogramm verhandelt wurde, hatten Grüne und SPÖ ein 365-Euro-Jahresticket für den öffentlichen Verkehr im Bundesland gefordert. Schleritzkos Konter: Das sei teuer und bringe im Vergleich wenig. Überhaupt sei die Idee für die Wien-Pendler nutzlos: Denn kapazitätsmäßig sei die Wiener Stammstrecke der Flaschenhals, sagte Schleritzko 2018 zum STANDARD.

2020: So bald wie möglich

Danach dürfte es, womöglich aus Bund-Länder-übergreifender Koalitionsräson, einen Meinungsumschwung gegeben haben. Tatsache ist, dass der Landesrat 2020 auch öffentlich Druck für die rasche Einführung aller drei Tickets gemacht hat: "Wir sind der Meinung, dass man alles auf einmal und gleich ordentlich verhandeln sollte", sagte Schleritzko im Juni zur "NÖN".

Ohne Bedingungen gibt es die Unterstützung für den Plan allerdings nicht: Die Mehrkosten fürs Land solle der Bund übernehmen, fordern die Niederösterreicher. Und sollte das Ticket tatsächlich mehr Öffi-Nutzer anziehen, müsse beim Ausbau der Bahnstrecken ordentlich etwas weitergehen. Dagegen werden die Grünen wohl auch nichts haben. (Sebastian Fellner, 10.8.2020)