Daniela Bjelobradic (Polly), Francesco Cirolini (Macheath), Tamara Burghart (Lucy) setzten den aus der Not geborenen Abend solide um.


Foto: Lisa Kapici

Bettler, Huren und Musikanten säumen die Schlossallee, ein Rokoko-Kirchlein wird zum Firmensitz des Unternehmens "Bettlers Freund", ein alter Adelssitz zum Bordell. Bertolt Brechts und Kurt Weills Dreigroschenoper im herrschaftlichen Ambiente von Schloss Mentlberg in Innsbruck anzusiedeln ist ein launiger Witz mit Fußnote: Das Gebäude wurde zuletzt als Flüchtlingsheim und Standort des hiesigen Musikkonservatoriums genutzt. Aktuell steht es leer.

Und man fragt sich, warum bisher niemand auf die Idee gekommen ist, den Vorplatz als Bühne zu nutzen. Sicher: Freilufttheater ist hierzulande ein wetterbedingt riskantes Unterfangen – derzeit aber nicht so riskant, wie vielen Theaterleuten zuletzt das zur Tatenlosigkeit verdammte Warten auf bessere Zeiten und Auftrittsmöglichkeiten erschienen ist. Auf Initiative von Lisa Hörtnagl, bis vor ein paar Jahren Ensemblemitglied im Tiroler Landestheater, wurde also der Verein Volkskantine gegründet, um in kürzester Zeit eine Dreigroschenoper auf die Beine zu stellen und damit rund 40 Theaterschaffenden vom Schauspieler bis zum Tontechniker Arbeit zu beschaffen.

Moritat vom Prekariat

In gewisser Weise singt Rafael Haider als grotesk ausstaffierter Bänkelsänger (Ausstattung: Esther Frommann) eingangs also auch die Moritat vom Prekariat und legt sowohl darstellerisch als auch gesanglich stark vor.

Susi Webers Inszenierung will in erster Linie unterhalten, bissige Gesellschaftskritik wird eher zum Unterton, es wird dementsprechend viel herumgeulkt, die berühmte Frage, was ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank sei, kommt in Zeiten wie diesen natürlich trotzdem gut. Und es gibt allerlei schöne Einfälle – während der Songs eingefrorene Szenen, in denen das Ensemble mit künstlichen Glupschaugen ins Leere starrt, gehören dazu.

Tolles Orchester

Kasper de Roo leitet ein tolles Orchester, im Ensemble trumpfen vor allem die Damen auf: Daniela Bjelobradic als Polly Peachum mit bemerkenswertem Gesangstalent, stark auch Brigitte Jaufenthaler als Ehefrau von Mr. Peachum (Thomas Lackner), während Francesco Cirolini als Macheath etwas zu hölzern für den geschmeidigen Obergangster wirkt.

Hörtnagl wiederum unterhält als Spelunkenjenny bereits mit der Begrüßung diverser Ehrengäste – bitte, könnte diese oft unendlich mühsame Prozedur immer so schön respektlos und verrucht daherkommen? Die Volkskantine versteht sich jedenfalls nicht nur als Pandemie-Projekt, sondern will auch künftig von sich hören lassen. Man darf gespannt sein, was da noch kommt.

(Ivona Jelcic, 8.8.2020)