Die Netze sind vielerorts zwar noch nicht vorhanden oder kaum ausgebaut, dennoch haben sich praktisch alle relevanten Smartphone-Hersteller bereits auf den neuen Mobilfunkstandard 5G eingeschworen. Auch bei Oneplus kündigte man an, künftig voll darauf setzen zu wollen.

Dem ließ man Taten folgen. Die Oneplus-7T-Reihe erhielt eine 5G-kompatible "McLaren"-Luxusedition, und das Oneplus 8 und 8 Pro bringen ebenfalls Support mit. Mit dem Oneplus Nord nimmt man nun – erstmals seit dem Oneplus X aus 2015 – einen neuen Anlauf auf die Mittelklasse. Auch hier ist ein 5G-Modem an Bord. Während die Hauptmodelle mittlerweile 700 Euro oder mehr kosten, was weit entfernt ist vom einstigen "Flaggschiffkiller"-Preis von 270 Euro, verspricht man hier ein gut ausgestattetes Smartphone ab 400 Euro.

Hierzulande wird das Gerät nicht nur vom Hersteller direkt vertrieben, sondern auch von der A1-Diskontmarke Bob, die bislang allerdings noch kein 5G-Angebot hat und derzeit auch noch keines plant. DER STANDARD hat das Smartphone auf den Prüfstand gestellt.

Foto: DER STANDARD/Pichler
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Gehäuse und Display

Das Oneplus Nord präsentiert sich in einem Gehäuse in den Dimensionen von 158,3 x 73,3 x 8,2 Millimeter, wobei die Hauptkamera auf der Rückseite rund einen Millimeter absteht, was sich erst durch die Verwendung einer Schutzhülle ausgleichen lässt. Ein transparentes Exemplar aus Silikon ist beigelegt. Kunststoffvarianten in diversen Farben sind separat erwerbbar. Mit etwas mehr als 180 Gramm ist das Handy eine Spur schwerer als der Durchschnitt.

Das Gehäuse bietet eine verglaste Vorderseite mit farbstarkem und hellem 6,4-Zoll-AMOLED-Display (2.400 x 1.080 Pixel). Einige Nutzer klagten über deutliche Verfärbungen bei niedriger Helligkeitseinstellung. Beim Testgerät war ein minimaler, nicht störender Blaustich identifizierbar. Oneplus versprach Besserung per Softwareupdate. Der Bildschirm unterstützt HDR10+ sowie eine Wiedergabefrequenz von 90 Hz, die auch standardmäßig aktiviert ist.

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Die Verarbeitung des Gehäuses ist gut, die Rückseite aus Glas sieht allerdings aus, als wäre sie aus Kunststoff und lässt das Nord jedoch etwas weniger "premium" aussehen als manch anderes Handy. Trotz der schmalen Ränder ist einhändige Bedienung nur bedingt möglich. Während die Ein/Aus- und die Lautstärketasten gut erreichbar liegen, ist der Fingerabdruckscanner etwas unergonomisch, weil sehr weit unten, hinter dem Display angebracht. Zumindest aber funktioniert er zuverlässig und ausreichend schnell.

Performance

In Sachen Prozessor hat man sich für den Snapdragon 765G entschieden, den zweitstärksten Chip, den Qualcomm aktuell für Smartphones im Angebot hat. Je nach Modell stehen diesem entweder 8 GB RAM und 128 GB Onboardspeicher oder 12 GB RAM und 256 GB Onboardspeicher zur Seite. Eine kleinere Variante mit 6/64 GB wird bislang ausschließlich in Indien vertrieben.

In Benchmarks liegt dieser bei der Mehrkernleistung auf dem Niveau des Flaggschiff-Chips von 2018, dem Snapdragon 845. In der Singlecore-Performance konkurriert er mit dem Vorjahres-Spitzenprozessor Snapdragon 855. Die Grafikleistung liegt, wenn man dem 3D-Benchmark 3DMark glauben darf, allerdings "nur" auf dem Niveau des Snapdragon 835 von 2017. Eine problematische Erwärmung unter Last zeigt das Smartphone übrigens nicht.

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In der Praxis bedeutet das schlicht, dass der Prozessor mehr als genug Leistung für die allermeisten Alltagsanforderungen mitbringt, abseits grafikintensiver Games, bei denen der Detailgrad eventuell etwas reduziert werden muss. Eine Frage, die in manchen bisherigen Tests aufgetaucht ist, ist, ob der Snapdragon 765 überhaupt geeignet ist für ein 90-Hz-Display, muss er doch bei Inanspruchnahme dieser Wiedergabefrequenz 50 Prozent häufiger die Bildschirminhalte neu berechnen.

Die Antwort ist wiederum: Abseits hardwarehungriger Spiele ist hier nicht mit relevanten Problemen zu rechnen. Die "Ruckler" bei der Navigation durch das Systeminterface, die mitunter bemängelt wurden, waren nicht wahrnehmbar, wobei zum Testzeitpunkt kein weiteres Handy mit 90-Hz-Bildschirm für einen direkten Vergleich zur Verfügung stand. Wer in dieser Hinsicht besonders empfindlich ist, kann in den Einstellungen aber auch einfach auf 60 Hertz umschalten.

Die weiteren Features entsprechen dem aktuellen Stand. Neben 5G gibt freilich auch LTE-Unterstützung, dazu kommen ac-WLAN, Bluetooth 5.1 und NFC. Der Akku mit 4.115 mAh wird über den USB-C-Anschluss (USB 2.0) geladen. Wireless Charging gibt es ebensowenig wie eine 3,5-mm-Audioklinke.

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Kamera

Die Hauptkamera des Oneplus Nord vereint vier Sensoren, von denen drei für die Bilddarstellung zuständig sind. Das Weitwinkelmodul liefert eine Auflösung von 48 Megapixeln, jenes für Ultraweitwinkel acht. Dazu kommt eine Makrokamera mit zwei Megapixeln und ein Tiefensensor mit fünf Megapixeln.

Im Idealfall liefert die Kamera sehr gute Fotos, die sich allerdings eine Liga unter dem Oneplus 8 und anderen, jedoch deutlich teureren Handys bewegen. Die Sensorwahl ist dafür nicht der einzige Grund, sondern auch das recht aggressive Postprocessing. Das Oneplus Nord zeigt hier ein wenig ein Phänomen, wie man es von manchen Huawei-Geräten kennt. So manche Details, insbesondere die Oberflächenstruktur etwas entfernterer Fassaden und Mauern, werden teils massiv reduziert. Gleichzeitig erfolgt eine etwas zu intensive Nachschärfung.

Ein weiteres Problem ist, dass die Ergebnisse in der Regel zwar trotzdem noch gut aussehen, aber es immer wieder auch zu Aussetzern kommt, bei denen das Ergebnis deutlich an den Erwartungen vorbeischrammt, speziell in Situationen mit starker Licht/Schatten-Dynamik. Hier darf man auf Nachbesserungen per Softwareupdate hoffen, um diese Inkonsistenz in den Griff zu kriegen. Schwierig wird dies allerdings in Sachen Makrofotos, denn dass es bei Nahaufnahmen deutlich an Details und Schärfe mangelt, sobald die Lichtbedingungen auch nur etwas schlechter werden, scheint hier vor allem dem Sensor selbst geschuldet zu sein.

Der Kritik kann man aber auch noch eine positive Anmerkung anfügen: Die Farbdarstellung der Kamera bleibt über die gebotenen Zoomfaktoren (0,6/Ultraweitwinkel, 1,0/Weitwinkel und zweifach) angenehm einheitlich. Zudem kann sich der Nachtmodus in Anbetracht der Kamerahardware gut behaupten.

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Wenig Anlass zu Beschwerden gibt die Selfiekamera, die mit einer dualen Bestückung (32 MP Weitwinkel, 8 MP Ultraweitwinkel) arbeitet. Aufnahmen entstehen hier mit gutem Detailgrad und recht zuverlässiger Erkennung von Vor- und Hintergrund für Porträtaufnahmen mit weichgezeichnetem Hintergrund. Einzig die Farben wirken etwas blass.

Akustik und Akku

In puncto Akustik liefert man Durschnittskost. Der Mono-Lautsprecher des Handys bringt akzeptable Lautstärke mit und okaye Tonqualität für ein solches Gerät. Kraftvolle Bässe und astreine Höhen darf man nicht erwarten, aber zumindest "scheppern" auch laute Töne in Frequenz-Randlagen nicht übertrieben. In puncto Sprachqualität schneidet das Oneplus Nord solide ab. Man versteht das Gegenüber auch bei etwas Hintergrundlärm gut, wenngleich leiches Rauschen mitschwingt. Auch man selbst ist zuverlässig und laut genug zu hören.

Der im Vergleich zum Snapdragon 865 schwächere Prozessor macht sich bei der Akkulaufzeit sehr positiv bemerkbar. Selbst wenn man das Handy viel nutzt, kommt man problemlos über den Tag und zur Not auch bis zum nächsten Mittag. Die Nutzung des 90-Hz-Modus macht dabei nur wenig Unterschied. Soweit sich im Rahmen der kurzen Testzeit schätzen lässt, dürfte das Oneplus Nord im 60-Hz-Modus rund im Betrieb ein bis zwei Stunden länger durchhalten bzw. drei bis vier im Standby.

Oneplus verspricht, dass sich der Akku mit dem beigelegten Ladegerät binnen 30 Minuten von null auf 70 Prozent aufladen lässt. Das entspricht, wenn auch nicht unbedingt auf den Prozentpunkt genau, auch den Tatsachen.

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Fazit

Mit dem Nord liefert Oneplus eines der interessantesten, wenn nicht sogar das interessanteste 5G-Handy abseits teurer Premiumoptionen. Und selbst wenn der neue Mobilfunkstandard mangels Abdeckung kein starkes Kaufargument ist, kann sich die restliche Ausstattung um diesen Preis angesichts der Alternativen absolut sehen lassen.

Um das Smartphone von einer Empfehlung zum "Pflichtkauf" zu machen, sollte der Hersteller noch das eine oder andere Update nachliefern, um die Kamera zuverlässiger zu machen. (Georg Pichler, 12.8.2020)

Update, 22:15 Uhr: Angaben zu den Speichermodellen und Beschaffenheit der Rückseite berichtigt. Selfie in der Liste der Testfotos ergänzt.

Testfotos

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Gemischte Lichtsituation
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Frontkamera, Tageslicht
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Kunstlicht
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Kunstlicht
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Nachtmodus
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Nachtmodus
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