Zuerst haben sie geschimpft, jetzt lachen sie. Die Deutschen. Nicht alle. Aber jene, die vom Fahrverbot für Motorräder im Außerfern betroffen sind. Seit 10. Juni gilt auf der Bschlaber, Hahntennjoch-, Lechtal-, Bergwang-Namloser und Tannheimer Straße im Außerfern das umstrittene Fahrverbot für Motorräder mit einem Standgeräusch von mehr als 95 Dezibel.

Praxisferne Messung

Umstritten ist das Fahrverbot bei den Wirten und Hotels, weil es ein Garant für weniger Gäste ist, und bei den Motorradfahrern wegen der Messmethode. Gemessen wird nämlich nicht der Lärm, den ein Motorrad erzeugt, wenn es fährt, sondern aus einem halben Meter Entfernung, wenn es am Stand hochgedreht wird – auf drei Viertel der Nenndrehzahl, wenn diese unter 5.000 Umdrehungen pro Minute liegt, auf die Hälfte der Nenndrehzahl, wenn die über 5.000 Umdrehungen liegt. Das hat mit den Lärmemissionen im echten Fahrbetrieb also genau gar nichts zu tun. So wenig nämlich, dass man damit gar nicht unbedingt jene Fahrer aussortiert, die mit einem getunten Endtopf und tatsächlich zu laut und illegal unterwegs sind. Dafür wird aber einigen Motorrädern, die ganz legal zum Straßenverkehr zugelassen sind, die Fahrt auf den Bergstraßen im Außerfern verboten. Wie etwa der Ducati 950 Multistrada.

2018 nahm die Polizei elf neue Motorräder in den Dienst, darunter auch einige Multistradas von Ducati, die für das Außerfern zu laut sind.
Foto: BMI / Gerd Pachauer

Pikantes Detail am Rande: Diese Multistrada wird auch von der Polizei eingesetzt. Gleich zwei solcher Motorräder, die am Stand den für das Fahrverbot gewählten Grenzwert überschreiten, hat die Polizei in Tirol in Verwendung. Aber das sei kein Problem, kalmiert man dort, weil die Motorräder der Polizei von dieser Regelung ohnedies ausgenommen seien. Den lärmgeplagten Anwohnern mutet man die lauten Polizeieisen dann trotzdem nicht zu. Man habe ausreichend andere Motorräder, die dort Dienst versehen können, und die Lärmmessungen werden ohnedies nicht mit dem Motorrad gemacht, argumentiert die Polizei.

Neben den Ducatis hat die Polizei auch noch andere Motorräder, wie etwa jene von Honda.
Foto: BMI / Gerd Pachauer

Weniger gelassen sehen das Fahrverbot die Gastronomen und Beherbergungsbetriebe im Außerfern. Zur eh schon schweren Lage durch die Corona-Pandemie bleiben nun auch die Motorradfahrer aus, die im Sommer für eine gute Auslastung gesorgt haben. "Der Motorradverkehr ist bei uns massiv zurückgegangen", sagt Bernd Huber, Bürgermeister von Pfafflar im Bezirk Reutte. "Wir haben zwei Betriebe im Ort, die stark vom Ausbleiben der Motorradgäste betroffen sind", erklärt er. Vor allem À-la-carte-Restaurants leiden stark unter dem Rückgang. So sehr, dass mehrere vermutlich schließen werden. Andere stellen das À-la-carte-Angebot ein und machen aus den Gasthäusern Pensionen oder vermieten privat Zimmer – was wiederum Auswirkungen auf die Gemeindebudgets hat, weil so Steuereinnahmen zurückgehen.

Flächendeckende Lösung

"Stammgäste, die früher sieben oder zehn Tage mit dem Motorrad bei uns auf Urlaub waren, haben alle storniert, wenn nur einer in der Gruppe vom Fahrverbot betroffen ist", sagt Bernd Huber. "Dabei waren das alle zusammen korrekte und angenehme Gäste." Auch Bürgermeister Huber ist gegen übermäßigen Lärm auf den Bergstraßen. "Die schwarzen Schafe gehören herausgefiltert, und das hat auch die Sportwagen zu betreffen", aber mit dieser Regelung hat er keine Freude – wie angeblich die wenigsten in der Gemeinde. Auch deswegen, weil das Problem so nur verschoben wird. "Diese Motorradfahrer weichen nun auf andere Strecken aus, fahren nun in Bayern", während den Tirolern der Umsatz wegbricht. "Es muss ja möglich sein", meint er, "hier eine Lösung zu finden, Lautstärkenprobleme flächendeckend zu lösen", und er meint damit in ganz Europa, "bei den Autos war es ja auch möglich, die absurden Spritverbrauchsangaben anzupassen".

Angepasst haben sich inzwischen einige Beherbergungsbetriebe, die bisher im Sommer vor allem Motorradfahrer als Gäste hatten. Sie konzentrieren sich jetzt stärker auf Wanderer. Das Gasthaussterben dürften diese Touristen aber kaum aufhalten, versorgen sie sich doch zum großen Teil selbst oder kehren auf Hütten ein. (Guido Gluschitsch, 10.8.2020)