Heinz Christian Strache will künftig in Wien mit seinem "Team HC" politisch mitmischen. Bis jetzt ist aber sein Wohnort das brisanteste Thema, das er in die Wahl einbringt.

Foto: APA/HANS PUNZ
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Antonia Rauth: [00:00:07] Ist er jetzt ein echter Wiener oder nicht? Dieser Frage muss sich aktuell Ex-Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache stellen. Denn Strache will mit seinem Team HC ja bei der Wien-Wahl im Oktober antreten. Das darf er aber nur, wenn er seinen Hauptwohnsitz auch wirklich in Wien hat. Warum es daran jetzt Zweifel gibt und wieso die Causa Wohnsitz schon jetzt eine Wahlanfechtung wahrscheinlich macht, erklärt Katharina Mittelstaedt vom STANDARD. Katharina, wie ist diese Debatte über den Wohnsitz von Heinz-Christian Strache denn jetzt zustande gekommen?

Katharina Mittelstaedt: [00:00:47] Die Vorwürfe gegen Heinz-Christian Strache sind eigentlich nicht neu. Schon bei vergangenen Wahlgängen hat es immer wieder Kritik gegeben. Es geht um seinen Hauptwohnsitz, also die gemeldete Adresse in Wien-Landstraße, und dass er dort eigentlich gar nicht wirklich wohnt. Der Unterschied diesmal ist, dass die Liste Wandel, eine Kleinstpartei, die auch kandidiert, eben einen Verstoß gegen das Meldegesetz geortet hat und auch Sachverhaltsdarstellungen bei den zuständigen Behörden einerseits in Wien wie auch in Niederösterreich eingebracht hat. Deswegen muss das jetzt auf Herz und Nieren geprüft werden. [00:01:23][35.9]

Antonia Rauth: [00:01:24] Kann man irgendwie einschätzen, wo Strache jetzt wirklich wohnt?

Katharina Mittelstaedt: [00:01:27] Ich traue mir da kein Urteil zu und kann nur die Fakten vortragen. Dann muss sich jeder selbst ein Bild machen. Fest steht: Kandidieren und wählen darf nur, wer seinen Hauptwohnsitz und Lebensmittelpunkt in Wien hat. Strache hat seinen Hauptwohnsitz gemeldet, wie schon gesagt, in Wien Landstraße. Dort lebte bis März seine Mutter, bis sie dann in ein Heim übersiedelt ist. Strache sagt, er hat dann die Wohnung übernommen. Jetzt ist aber auch bekannt und überhaupt nicht neu, dass Strache mit seiner Familie ein Haus mit Garten in Klosterneuburg hat. Dass ist in diversen Homestorys im Boulevard dokumentiert, Strache hat sich dort regelmäßig mit seiner Frau Filippa ablichten lassen. Wir erinnern uns außerdem: Er hat auch 2500 Euro Mietzuschuss von der Wiener FPÖ bekommen, bis er dann schlussendlich aus der Partei ausgeschlossen wurde.

Antonia Rauth: [00:02:20] Wer soll denn jetzt herausfinden, wo Strache wirklich wohnt? Wie läuft das ab?

Katharina Mittelstaedt: [00:02:25] Derzeit ermittelt die Magistratsabteilung 62, die ist zuständig für Wahlen, und die prüft nun die Sachverhaltsdarstellung. Heinz-Christian Strache wurde mit den Aussagen der Kleinpartei Wandel konfrontiert und konnte Beweismittel vorlegen. Das hat er auch vor sechseinhalb Wochen getan.

Antonia Rauth: [00:02:45] Aber wie kann man sich das jetzt vorstellen, dass die prüfen sollen, wo er wirklich wohnt? Müssen die Nachbarn befragen oder seine Einkaufszettel kontrollieren?

Katharina Mittelstaedt: [00:02:54] Über den genauen Ablauf des Verfahrens gibt die Magistratsabteilung keine Auskünfte. Die Entscheidung trifft dann schlussendlich auch die Bezirks Wahlbehörde Wien Landstraße, indem sie das Wählerverzeichnis absegnet. Da steht dann Heinz-Christian Strache entweder oben oder nicht. Ich habe aber mit verschiedenen Rechtsexperten gesprochen, und die sagen: Natürlich, man kann Nachbarn befragen. Man könnte sich zum Beispiel auch eine Stromrechnung anschauen. Man könnte die Polizei befragen. Strache ist jemand, der ist besonders schutzbedürftig. Da wird man wohl auch die Polizei immer wieder über seinen Aufenthalt informieren. Mitte dieser Woche soll jedenfalls die Entscheidung vorliegen, und dann werden wir wissen, was und wie genau geprüft wurde.

Antonia Rauth: [00:03:37] Was ist wenn herauskommt, dass Strache seinen Hauptwohnsitz in Klosterneuburg und nicht in Wien-Landstraße hat – was bedeutet das konkret? Was würde dann passieren?

Katharina Mittelstaedt: [00:03:46] Sollte Heinz-Christian Strache tatsächlich in Klosterneuburg seinen Lebensmittelpunkt haben und somit auch seinen Hauptwohnsitz, dann dürfte er nicht in Wien kandidieren.

Antonia Rauth: [00:03:57] Wenn Strache nicht in Wien kandidieren darf, ist dann zu erwarten, dass er dagegen vorgeht? Hat er da rechtliche Möglichkeiten?

Katharina Mittelstaedt: [00:04:05] Ja. Jede wahlwerbende Partei kann die Wahl wegen einer vermuteten Rechtswidrigkeit im Wahlverfahren beim Verfassungsgerichtshof anfechten. Da könnte dann zum Beispiel das Team HC monieren, dass Strache eigentlich Kandidat ist, weil die sagen, er hat in Wien seinen Hauptwohnsitz und Lebensmittelpunkt, und er durfte nicht antreten. Der Verfassungsgerichtshof musste das dann prüfen.

Antonia Rauth: [00:04:31] Und ist zu erwarten, falls Strache nicht kandidieren darf, dass dagegen vorgegangen wird?

Katharina Mittelstaedt: [00:04:36] Das Team Strache hat sich noch nicht ganz klar dazu geäußert. Es wird nur gesagt Ja, man denkt das an. Klarer ist da schon die Gegenseite. Die FPÖ will dagegen vorgehen, sollte das Verfahren anders herum ausgehen.

Antonia Rauth: [00:04:48] Das heißt, die FPÖ würde klagen, wenn Strache kandidieren darf?

Katharina Mittelstaedt: [00:04:53] Genau. Die FPÖ hat das ganz klar schon so formuliert. Norbert Hofer hat damit ja auch schon Erfahrung, wenn wir uns an den Bundespräsidentschaftswahl 2016 zurück erinnern. Aber auch jede andere Partei hätte theoretisch die Möglichkeit, den Verfassungsgerichtshof in dieser Causa anzurufen. Zum Beispiel Wandel, die ja auch schon die Sachverhaltsdarstellung eingebracht haben.

Antonia Rauth: [00:05:15] Wie schätzt du denn das ein? Wie wahrscheinlich ist es, dass Straches Kandidatur da wirklich eine Wahlanfechtung oder gar eine Wahlwiederholung bedeuten könnte?

Katharina Mittelstaedt: [00:05:25] Eine Wahlanfechtung ist sehr gut möglich. Das sagen auch sämtliche Experten, wie zum Beispiel der Politologe Peter Filzmaier. Das liegt in erster Linie daran, dass es einen argumentieren Grund zur Anfechtung gibt. In jedem Fall, egal, wie die Causa ausgeht, entweder für die FPÖ oder Wandel oder eben auf der anderen Seite für das Team Strache. Und auch eine Wahlwiederholung ist ganz und gar nicht ausgeschlossen. Sollte der Verfassungsgerichtshof die Anfechtung für gerechtfertigt halten, dann, so sagen mir Verfassungsjuristen, müsste die Wahl tatsächlich komplett neu ausgetragen werden. Grund dafür ist, dass ein Kandidat Strache Vizekanzler war, fast 15 Jahre lang FPÖ-Chef, seit 1999 ist er in der Wiener Landespolitik aktiv. Das hat natürlich Auswirkungen auf das Ergebnis seiner Liste, wenn er antritt oder nicht und somit auch auf das Gesamtergebnis der Wahl.

Antonia Rauth: [00:06:22] Wie stehen denn jetzt die anderen Parteien zu dieser Debatte? Bei wem, könnte man sagen, sind da jetzt vielleicht die Finger gekreuzt, dass Strache nicht antreten darf? Wem würde Strache am meisten schaden?

Katharina Mittelstaedt: [00:06:33] Politisch betrachtet wäre definitiv die FPÖ der große Verlierer seines Antretens. In Umfragen kommen FPÖ und Team Strache derzeit gemeinsam so auf zwischen 13 und 15 Prozent, und beide fischen definitiv im selben Teich. Man muss sagen Heinz-Christian Straches Programm ist natürlich dass der FPÖ. Er hat das Programm der FPÖ über Jahre geprägt. Wenn er nicht kandidieren darf, kann der blaue Spitzenkandidat für Wien, Dominik Nepp, auf ein paar Prozentpunkte mehr hoffen. Sollte Strache kandidieren dürfen, droht den Freiheitlichen in Wien sogar die Einstelligkeit.

Antonia Rauth: [00:07:10] Und andersherum gefragt: Gibts es auch jemanden, der davon profitieren würde, wenn Strache antreten darf?

Katharina Mittelstaedt: [00:07:16] Also ich würde sagen, es gibt definitiv nicht so einen klaren Profiteur wie Verlierer. Aber man könnte sagen, die Sozialdemokraten würden vielleicht von Strache profitieren. Wenn es dann ein besonders schmutziger und chaotischer Wahlkampf wird, die FPÖ und Strache einander aufschaukeln. Es ist eine Art Wahlkampf-politische Binsenweisheit, wenn man so will, dass der Amtsinhaber profitiert, wenn es rundherum möglichst chaotisch zugeht. Das wäre in jedem Fall der rote Bürgermeister Michael Ludwig. Denn er kann sich dann als der stabile Kandidat profilieren, bei dem man weiß, was man bekommt.

Antonia Rauth: [00:07:52] Als stabilen Kandidaten kann man Strache wirklich nicht bezeichnen. Bei ihm gibt's ja im Hintergrund doch noch das eine oder andere Problem, das ihn abgesehen von seiner Wohnadresse beschäftigt. Stichwort Casinos, Postenschacher, Privatkliniken. Was ist denn da noch alles im Busch, das bei Strache gerade die Wellen hochgehen lässt?

Katharina Mittelstaedt: [00:08:11] Ja, es laufen da im Hintergrund einige Ermittlungen. Wir erinnern uns an die Casinos Affäre. Da wird Strache Postenschacher, also parteipolitisch motivierte Postenschacher zum Schaden der Republik, vorgeworfen. Peter Sidlo, der FPÖ-nahe Vorstand der Casinos Austria AG, war angeblich nicht ausreichend qualifiziert. Die Privatkliniken-Affäre, da soll Heinz-Christian Strache kurz vor den Koalitionsverhandlungen seinen guten Bekannten gefragt haben welches Gesetz er braucht. Dieser gute Bekannte hat eine Privatklinik und wollte in den Privatklinik Fonds aufgenommen werden. Die Spesenaffäre wurde sowieso ganz breit diskutiert. Strache soll jahrelang falsche Spesen abgerechnet haben. Da gibt's zwei Bodyguards und seine ehemalige Assistentin, die ihn und seine Ehefrau Filipe belasten. Und schlussendlich auch noch diesen seltsamen Mandateskauf, den es gegeben haben soll, der von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft untersucht wird. Die sogenannte causa Schellenbacher. Da sollen ukrainische Oligarchen der FPÖ 10 Millionen Euro geboten haben, wenn der Unternehmer Thomas Schellenbacher in den Nationalrat einzieht. Und tatsächlich war es dann nach der Wahl so, dass mehrere vor ihm platzierte FPÖ-Politiker auf ihr Mandat verzichtet haben, sodass er einziehen konnte. Man muss dazu sagen: Für alle genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung.

Antonia Rauth: [00:09:40] Das klingt ja schon eher, als hätte Heinz-Christian Strache nicht gerade mit Langeweile in seiner vorläufigen Polit-Pension zu kämpfen. Warum tut er sich diese Wahl denn jetzt eigentlich an? Weil sogar, falls er einziehen sollte, in den Gemeinderat, wird er ja nicht gerade Bürgermeister werden. Warum macht Strache das?

Katharina Mittelstaedt: [00:10:00] Ja, du hast völlig recht. Bürgermeister wird er diesmal sicher nicht. Bei der letzten Wien-Wahl, wir erinnern uns, hat die SPÖ noch sehr erfolgreich die Angst davor geschürt, dass Strache Wien und die Stadt übernehmen könnte. Davon kann diesmal wirklich nicht die Rede sein. Seine Liste steht in Umfragen bei fünf Prozent. Auch als Koalitionspartner kommt er für niemanden in Frage. Würde er tatsächlich die Fünf-Prozent-Hürde schaffen, wäre er Hinterbänkler im Gemeinderat. Seine Rolle wäre somit überschaubar. Aber wir wissen, dass Strache weiß, wie man auf sich aufmerksam macht.

Antonia Rauth: [00:10:39] Das heißt, seine Intention dahinter ist im Gespräch bleiben?

Katharina Mittelstaedt: [00:10:44] Heinz-Christian Strache ist ein Political Animal durch und durch. Der kann es einfach nicht lassen. Die Politik ist sein Leben. Er wird jetzt nicht wieder Zahntechniker werden und arbeitet halt einfach, wie es geht, an seinem Comeback. [00:10:56][12.6]

Antonia Rauth: [00:10:57] Katharina Wie schätzt du persönlich das jetzt ein: Wird Strache kandidieren dürfen? Und wenn ja, wie würde er wohl konkret abschneiden?

Katharina Mittelstaedt: [00:11:08] Ich weiß es natürlich nicht, und alles, was ich jetzt sage, ist grundsätzlich Kaffeesatzleserei. Die Liste Strache geht von einem positiven Entscheid der Behörde aus. Und auch wenn ich es tatsächlich einfach nicht weiß, würde ich tendenziell meinem Bauchgefühl folgend auch sagen, dass Strache vielleicht eher kandidieren darf als nicht. Aber wie gesagt, ich weiß es nicht. In Umfragen liegt seine Liste bei rund 4 Prozent. Fünf Prozent braucht es, damit man in den Wiener Gemeinderat einzieht. Das heißt, nach derzeitigem Stand wird es knapp. Es ist aber auch der Wahlkampf bestenfalls gerade angelaufen, da werden wir noch einiges zu erwarten haben.

Antonia Rauth: [00:11:50] Es wird also auf jeden Fall ein spannender Wahlkampf. Danke Katharina Mittelstädt für diesen Überblick.