"Oaschlecha gibt's üwareu!" Diesen Satz, nicht selten aus dem Munde eines leicht grummeligen, aber dennoch gutmütigen und lebenserfahrenen Mitmenschen, hat wohl jeder schon gehört. Tatsächlich scheint die Aussage, dass es in jeder demografischen Gruppe, unabhängig von Religion, Nationalität, Sexualität, ethnischer Zugehörigkeit und Geschlecht, Idioten gibt, ein kleinster gemeinsamer Nenner zu sein, dem wohl jeder zustimmen würde.

Es sei denn, man heißt Lisa Eckhart oder gehört ihrer Fangemeinde an – denn diese attestiert einer vornehmlich links-liberalen Gesinnungsgemeinschaft, Angehörige von Minderheiten als unfehlbare Unschuldslämmer anzusehen, die kein Wässerchen trüben können, und konstruiert eine Sinnkrise, in die diese angesichts des 2017 ans Licht gekommenen MeToo-Skandals geraten wäre: "Der feuchte Albtraum der politischen Korrektheit", höhnte Eckhart in ihrem 2018 stattgefundenen Auftritt in der WDR-Show "Mitternachtsspitzen", arbeitete daraufhin checklistenartig all jene ab, die nicht in die weiße, christliche, heteronormative und Able-bodied-Schnittmenge fallen – und warf mit Formulierungen wie "Das chirurgisch konstruierte Tatar eines Geschlechts" (Transmänner), "Denen geht's nicht ums Geld, denen geht's um die Weiber" (Juden) oder "Die Erektion eines schwarzen Gliedes benötigt alle sieben Liter, über die ein Mensch verfügt" um sich. Ihre Bewunderer attestieren Eckhart, sie würde PC-Culture gekonnt und systematisch entlarven.

Von Unantastbarkeiten

In Wahrheit findet in Eckharts Vortrag vor allem eines statt: Die aufgezählten Menschengruppen werden entwürdigt und rassistische, trans- und homophobe sowie antisemitische Stereotype dabei bedient. Die Aussagen, die Eckharts Bewunderern zufolge hochintellektuell sind und von einer feinen Klinge zeugen, könnten auch auf dem Podium einer NPD-Wahlveranstaltung zu hören sein – nur dass man sie dort auch als das erkennen würde, was sie sind: menschenverachtend.

Eckhart provoziert.
Foto: Heribert Corn/www.corn.at/derstandard

Eckhart attestiert, dass die "politische Korrektheit" im Zuge von MeToo in eine Krise geraten und man vom Glauben abgefallen wäre, doch weder waren im Fall von Weinstein die Religionszugehörigkeit, noch im Fall von Bill Cosby die Hautfarbe der Opfer ein Thema – von Entlarvung kann hier keine Rede sein. Es bleibt nur mehr der Folgeschluss, dass Eckhart einfach provoziert um der Provokation willen – auf einen doppelten Boden oder eine Auflösung wartet man vergeblich, es fehlt der Erkenntnisgewinn. Einige der aufgezählten "Unantastbaren", die andere antasten, sind lediglich fiktiv. Nicht fiktiv und deshalb für Eckhart umso mehr antastbar ist die Menschenwürde, und diese wird mit schmutzigen Fingerabdrücken versehen und anschließend mit Füßen getreten.

Von Zensur, Cancel Culture und künstlerischer Freiheit

Nun ist Eckhart vom Literaturfestival Harbour Front ausgeladen worden (mittlerweile hat man diese Ausladung wieder zurückgezogen, doch Eckhart lehnt eine Teilnahme ab), weil es Gewaltandrohungen von linker Seite gegeben habe. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass es derlei Drohungen nie gegeben hat. Bewunderer Eckharts sprechen indes von "Zensur", "Cancel Culture" oder "künstlerischer Freiheit", die in Gefahr wäre.

Eine Ausladung allein ist keine Zensur, denn Eckhart wird dadurch ja nicht an der Produktion und Publikation ihrer Werke gehindert. Und jenen einen Vorwurf zu machen, die eine Kunstschaffende ablehnen und diese gewissermaßen "canceln", weil sie sich auf Kosten anderer profiliert, zeugt ebenfalls von Empathielosigkeit. Denn sieht man sich jene an, die sich so vehement mit Eckhart solidarisieren und auf "künstlerische Freiheit" pochen, etwa den Grazer Literaturkritiker Klaus Kastberger, den deutschen Comedian Dieter Nuhr oder den konservativen Youtuber Niklas Lotz, so wird deutlich, dass die Fangemeinde Eckharts vor allem eins ist: ziemlich weiß, ziemlich männlich, ziemlich privilegiert. Kurzum: Es ist immer einfach, etwas zu verteidigen, von dem man selber nicht betroffen ist.

Mut zur Solidarität

Wie sich indessen diejenigen fühlen, die von Eckhart zum Gegenstand ihres Vortrages gemacht wurden, das will hingegen niemand wahrhaben, denn wenn die (weiße) Mehrheitsgesellschaft befindet, es handle sich bei Eckharts Ergüssen lediglich um hochintellektuelle Satire, bei welcher die spießigen Moralapostel zu dumm seien, um diese zu verstehen, dann muss das wohl auch so sein.

Vielleicht sollte man sich allerdings auch auf den Kern des Kabaretts als Kunstform besinnen, der auch einen humanistischen Ansatz in sich trägt, bei dem es darum geht, Missstände aufzudecken – und wo eine aufklärerische Intention verfolgt wird. Empathie und Solidarität mit marginalisierten Gruppen mit mangelnder Intelligenz gleichzusetzen, wie es die Verteidiger Eckharts tun, ist brandgefährlich. "Legt man alle Ding-Dongs von allen Ching-Chongs nebeneinander, dann kommt man ungefähr auf die Länge einer kongolesischen Vorhaut" – auch das ist eine Aussage von Eckhart. Wenn das ein Beispiel von hochgeistiger humoristischer feiner Klinge ist, bleibe ich lieber spaßbefreiter Moralapostel – zumindest in den Augen alter weißer Männer, die sich fühlen wie Kurt Tucholsky, wenn eine junge, dem westlichen Schönheitsideal entsprechende Frau auf geschwollene Art und Weise Altherrenwitze vorträgt. (Katharina Widholm, 12.8.2020)