Im Neubau gilt ab kommendem Jahr das Niedrigstenergiehaus als Mindeststandard, in Sachen Sanierung des Bestands wird von der EU eine "langfristige Renovierungsstrategie" gefordert.

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Das Bundesland Wien hat mit 1. Februar die Wiener Bautechnikverordnung novelliert, das Land Tirol per 1. Juni seine Technischen Bauvorschriften geändert. Was wenig spektakulär klingt, ist Teil der nationalen Umsetzung der 2018 novellierten EU-Gebäuderichtlinie 2010 (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD). Konkret wurden mit diesen Bautechnikgesetzen die jüngsten Richtlinien des Österreichischen Instituts für Bautechnik (OIB) umgesetzt, die wiederum auf der EU-Gebäuderichtlinie basieren. Sie schreibt unter anderem vor, dass Neubauten ab Anfang 2021 nur noch als Niedrigstenergiegebäude ausgeführt werden dürfen.

Dafür muss natürlich jedes österreichische Bundesland die OIB-Richtlinien zeitgerecht umsetzen. Mitte 2020 haben dies aber erst zwei getan – was ist mit den anderen?

Salzburg und Vorarlberg verspäten sich

Rainer Mikulits, Geschäftsführer des OIB, sagt dem STANDARD, dass es sich zumindest bei fünf weiteren Bundesländern noch ausgehen wird. "Steiermark, Oberösterreich und Kärnten sollten ihre Bautechnikgesetze bis zum dritten Quartal novelliert haben, in Niederösterreich und dem Burgenland sollte das auch noch bis Jahresende erledigt sein." Salzburg und Vorarlberg dürften sich aus heutiger Sicht aber verspäten. Als Sanktion könnte ein Vertragsverletzungsverfahren drohen, sagt Mikulits.

Es wäre nicht das erste Mal: In den vergangenen Jahren mahnte die EU-Kommission Österreich immer wieder zu mehr Tempo oder einer strengeren Umsetzung der Energieeffizienzvorgaben, beim Energieausweis war das etwa so.

Für das langsame Tempo sorgt mitunter auch der Föderalismus in Österreich. Das OIB fungiert als Plattform für die Bundesländer, "diese arbeiten hier an gemeinsamen Dokumenten", erklärt Mikulits. Der Grund ist der, dass die Bauvorschriften Sache der Länder sind. Die EU-Vorgaben werden also zunächst von den Bundesländern in einem gemeinsamen Papier umgesetzt – eben den OIB-Richtlinien, von denen es mittlerweile sechs Hauptdokumente gibt, mit diversen Subvarianten –, dieses wiederum dient dann den Ländern als Basis für ihre Bau- und Bautechnikgesetze. Kompliziert? Ja, sagt Mikulits, aber in Deutschland sei es beispielsweise mit dem Föderalismus recht ähnlich, "und in Italien ist es ganz schlimm".

Kritik an Renovierungsstrategie

Kritische Beobachter wie Johannes Wahlmüller von der Umweltorganisation Global 2000 verstehen aber nicht, warum die Umsetzung immer so lange dauert. "Die Länder arbeiten ja vorher schon auf Beamtenebene zusammen an den Richtlinien, da ist ja schon alles ausdiskutiert", es sollte also vermeintlich rasch umgesetzt werden können. Dass es dann doch immer wieder länger dauert, liegt in vielen Fällen am mangelnden politischen Willen, mutmaßt er.

Wahlmüller wehrt sich gerade auch gegen die aus seiner Sicht mangelnde Umsetzung eines Teilbereichs der EU-Gebäuderichtlinie, nämlich der sogenannten langfristigen Renovierungsstrategie (Long Term Renovation Strategy, LTRS). Diese wurde im vergangenen April vom OIB beschlossen und veröffentlicht, doch sie geht der Umweltorganisation nicht weit genug bzw. aus ihrer Sicht auch nicht so weit wie von der EU vorgeschrieben. Bei der LTRS handelt es sich um einen Fahrplan, wie die Republik Österreich gedenkt, bis 2050 einen in hohem Ausmaß energieeffizienten und dekarbonisierten Gebäudebestand zu erreichen.

EU-Beschwerde im Raum

"Hohes Ausmaß" heißt in dem Fall: eine 80- bis 95-prozentige Verringerung der Treibhausgasemissionen im Jahr 2050, verglichen mit 1990. Laut Wahlmüllers Berechnungen zielt die vorliegende Strategie aber auf eine Reduktion im Ausmaß von nur 71 bis 85 Prozent ab, und sie wurde auch ohne die in der EU-Gebäuderichtlinie geforderte öffentliche Einbindung erstellt.

Global 2000 fordert eine völlige Generalüberholung der Strategie und prüft rechtliche Schritte. Eine EU-Beschwerde bereite man vor, so Wahlmüller. Die EU-Kommission könnte freilich auch von sich aus wieder aktiv werden. (Martin Putschögl, 11.8.2020)