Die Verwunderung ist meist groß, wenn man mitten in der Stadt – sei es Innsbruck oder Wien – auf einen Fuchs trifft. Viele Menschen verbinden den Fuchs noch mit den sprichwörtlich abgelegenen Gegenden, "wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen". Doch dem schlauen Rotfuchs (Vulpes vulpes) kann man fast überall begegnen: Er ist nicht nur in Europa der am weitesten verbreitete wild lebende Hundeartige; als Allesfresser mit hoher Anpassungsfähigkeit an unterschiedlichste Lebensräume ist er der Beutegreifer mit der weltweit größten geografischen Verbreitung. Von den Tropen bis nördlich des Polarkreises, in Nordamerika, Eurasien, Nordafrika und sogar Australien, wohin er von den Engländern exportiert wurde – überall kann man auf Meister Reineke treffen. Auch in Siedlungsgebieten jeder Größe fühlt er sich wohl.

Stadtfüchse zeigen oft wenig Scheu vor Menschen.
Foto: auki/stadtwildtiere.at

Lebensraum Stadt

Nicht nur Tauben, Mäuse und Ratten haben den Lebensraum Stadt für sich entdeckt. Auch kleine und größere Beutegreifer teilen sich Parks, Gärten und Gassen mit der Stadtbevölkerung. Die Raubtiere, eine Ordnung der Säugetiere, umfassen die Familie der Hundeartigen (Fuchs, Wolf, Bär und Marderartige wie Dachs oder Steinmarder) und der Katzenartigen (Wildkatze und Luchs). Die Ordnung der Raubtiere trägt die lateinische Bezeichnung Carnivora, was übersetzt Fleischfresser bedeutet. Während die Katzenartigen wirklich vor allem Fleisch fressen, sind etwa der Fuchs oder der Dachs Allesfresser, die auch gern Beeren und reife Früchte verspeisen. Zu den Raubtieren, die in mitteleuropäischen Städten vorkommen, zählen beispielsweise Mauswiesel, Waschbär, Steinmarder, Fuchs und Dachs. In Städten auf anderen Kontinenten können aber auch Bären, Ginsterkatzen oder Kojoten bis in die Vorstädte vordringen.

Beutegreifer werden im städtischen Umfeld meist abhängig von ihrer Größe und ihrem Konfliktpotenzial geduldet. Die großen drei in Österreichs Städten – Fuchs, Dachs und Steinmarder – sind klein genug, als dass ihre Vorkommen in der Stadt akzeptiert werden. Bereits in den 1930er-Jahren wurden im durch Grünräume geprägten Vorstadtgebiet von London die ersten "Stadtfüchse" beobachtet. Gut fünfzig Jahre lang war die Eroberung der Stadt ein "britisches Phänomen", bis auch aus Zürich, Berlin und Oslo vermehrt Sichtungen bekannt wurden. Heute geht man davon aus, dass in jeder Stadt Füchse in mehr oder weniger hohen Dichten vorkommen, so auch in Österreichs Städten.

Junge Füchse erkunden nach und nach die Umgebung ihres Baus – hier auf der Donauinsel in Wien.
Foto: S. Marchart/stadtwildtiere.at

Stadt – Land – Fuchs

Was aber macht diese Umgebung, die maßgeblich durch und von menschlicher Aktivität beeinflusst wird, für die Füchse so attraktiv? Zum einen spielt das reiche Nahrungsangebot, das in Form von Komposthaufen, Essensresten, Früchten und hohen Maus- und Rattenpopulationen durch die Nähe zum Menschen entsteht, eine Rolle. Zum anderen ist die flächendeckende Bejagung in Städten nicht möglich, und auch Rückzugsräume mit geringer menschlicher Aktivität, zum Beispiel Friedhöfe und Parks, in denen in der Nacht niemand Zutritt hat, gibt es hier. Plätze zum Ausruhen untertags finden die Füchse dann auch unter Gartenschuppen in Kleingartenanlagen oder schlichtweg im Gebüsch in einem Park.

Wie man aus Zürich weiß, kommt es bei Stadtfüchsen durchaus vor, dass mehr als die Hälfte ihrer Nahrung menschlichen Ursprungs ist. Als sogenannte Opportunisten fressen Füchse von Kirschen über Regenwürmer bis hin zu Ratten alles, was sie so finden, und orientieren sich dabei an möglichst leichter Beute mit hohem Energiegehalt sowie der lokalen und saisonalen Verfügbarkeit. Häufig verringert sich aufgrund der guten Nahrungsverfügbarkeit der Aktionsraum von Tieren in der Stadt verglichen zu ländlichen Regionen. So konnten für die Züricher Stadtfüchse Aktionsräume von nur 20 bis 40 Hektar nachgewiesen werden, während Füchse in rein landwirtschaftlich geprägten Gebieten die fünf- bis zehnfache Fläche beanspruchen. David MacDonald, ein britischer Wissenschafter, fand in den 1970er-Jahren heraus, dass Füchse bei guter Nahrungsverfügbarkeit in Familienverbänden leben. Dadurch sind auch in der Stadt innerhalb dieser vergleichsweise kleinen Aktionsräume hohe Individuenzahlen möglich. Im Einklang mit diesen Ergebnissen wurde die Fuchsdichte in Zürich auf sieben bis elf Füchse pro Quadratkilometer geschätzt, und es konnten auch hier Familienverbände nachgewiesen werden.

Auch im dicht verbauten Gebiet können Füchse leben.
Foto: L. Hamelbeck-Galle/stadtwildtiere.at

Herausforderungen im Zusammenleben

In der Stadt beziehungsweise im Siedlungsgebiet ergibt sich oftmals ein enger Kontakt zwischen Wildtieren und Menschen. Nicht immer überwiegt in der Bevölkerung die Freude darüber, einen Fuchs zu sehen. Wenn sich die Wege von Menschen und Wildtieren kreuzen, gibt es eine Reihe von Konfliktfeldern, die sich auftun können. Angefangen von durch Wildtiere auf den Menschen oder auf Haustiere übertragbaren Krankheiten, wie zum Beispiel Räude und Fuchsbandwurm, über die Kaninchen, die der Fuchs aus dem nicht gesicherten Gehege im Garten holt, bis hin zum Ärger über verschwundene Schuhe.

Bezüglich der oft geäußerten Angst, dass Füchse, die im Siedlungsgebiet keine Scheu vor Menschen zeigen, an Tollwut erkrankt sein könnten, kann man aber beruhigen: Seit 2008 gilt Österreich als Tollwut-frei. Die Tiere haben meist schlichtweg gelernt, dass ihnen von den Menschen keine Gefahr droht, und so hält mancher Fuchs in Wien sein Mittagsschläfchen ganz ungestört auf einer Gartenbank in der Kleingartensiedlung. Eine absichtliche Fütterung und damit auch eine Gewöhnung an den Menschen sollte jedoch unbedingt unterlassen werden! Die intelligenten Füchse sollen Wildtiere bleiben, und sie finden in der Stadt mehr als genug Nahrung. Kaninchen, Meerschweinchen und auch Hühner sollten vor allem in der Stadt, wo die Füchse oft auch tagsüber unterwegs sind, "fuchssicher" untergebracht werden, damit es zu keinen bösen Überraschungen kommt. Verschwundene Schuhe werden von Fuchswelpen gerne als Kauutensilien genutzt – umso stinkiger, umso besser. Sollte man mit dieser Nutzung nicht einverstanden sein, empfiehlt sich auch für Schuhe eine sichere Lagerung in einer Kiste oder im Haus.

Schnappschuss einer Fuchsbegegnung im Garten.
Foto: regenwurm/stadtwildtiere.at

Die Wiener Füchse

Mithilfe der Wienerinnen und Wiener, die im Rahmen des Projektes "StadtWildTiere" ihre Fuchsbeobachtungen meldeten, konnte in einer Studie mehr über das Vorkommen, die Verteilung und den Zusammenhang zwischen Fuchsbeobachtungen und verschiedenen Landnutzungen herausgefunden werden. Städte stellen für Wildtiere ein Mosaik an Landnutzungsklassen wie etwa Parks, Gärten und Straßen dar, die sich oftmals durch ihren Anteil an Grünflächen, aber auch hinsichtlich ihrer Nutzung durch Menschen stark unterscheiden. Die Analyse der Beobachtungen zeigte: In Gärten, Gebieten mit geringer Bebauungsdichte, Parks oder auf Plätzen war die Wahrscheinlichkeit für die Begegnung mit Füchsen wesentlich höher als in landwirtschaftlichen Gebieten, Industriegebieten oder Wäldern.

Das erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich, da Füchse natürlich auch im Wald oder auf Feldern leben. Die Sichtbarkeit und dadurch auch die Beobachtbarkeit eines Fuchses ist allerdings in einem Wald mit starkem Unterwuchs oder in einem Weizenfeld bei weitem nicht so gut wie bei einem Fuchs, der auf einer Straße durch die Stadt spaziert. Des Weiteren werden Füchse in städtischen Gebieten von der Bevölkerung sicherlich als außergewöhnlicher wahrgenommen als Beobachtungen im Wienerwald.

Da für Beobachtungen immer das Aufeinandertreffen von Wildtier und Mensch notwendig ist, wollten die Forschenden auch die menschliche Seite der Beobachtungen unter die Lupe nehmen. Im Rahmen der Analyse von soziodemografischen Kennzahlen der Wiener Bevölkerung zeigte sich, dass unter anderem der Ausbildungsgrad der Bevölkerung einen Einfluss auf die Meldung von Fuchsbeobachtungen hatte. Umso mehr Menschen mit höherer Ausbildung in einem Bezirk lebten, umso mehr Fuchsbeobachtungen wurden gemeldet. Dieses Ergebnis ist für viele Citizen-Science-Projekte relevant, vor allem wenn Forschende verstehen wollen, wie Beobachtungsdaten entstehen und welchen räumlichen Einfluss soziodemografische Faktoren auf die Verteilung der analysierten Meldungen haben. (Theresa Walter, 14.8.2020)