Der Babyelefant von Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne), das Symbol des Ein-Meter-Abstands, reicht nicht immer aus.

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Einer Familie aus dem Mostviertel ist die Urlaubsfreude gründlich vergangenen. Obwohl ein Hotel in Osttirol den Corona-Empfehlungen gefolgt war und die Tische im Restaurant mit einem Meter Abstand zueinander aufgestellt waren, bekam die Familie einen Absonderungsbescheid durch die Bezirkshauptmannschaft. Die Tischnachbarin wurde positiv auf Corona getestet. Laut Gesundheitsministerium gilt man als Kontaktperson, wenn der Abstand weniger als zwei Meter zu der infizierten Person beträgt und man 15 Minuten oder länger so nahe dran war. Die Familie, die davon genauso überrascht war wie der örtliche Tourismusverband, musste für zehn Tage in Quarantäne, wie Recherchen des STANDARD zeigen. Die Tests der vier Familienmitglieder waren allesamt negativ.

Der Fall der Niederösterreicher ist aber nicht bloß ein verpatzter Urlaub per se, der noch dazu allen passieren kann. Es stellt sich vielmehr auch die Frage, was die unverschuldete Quarantäne arbeitsrechtlich bedeutet. Also ob der Urlaub wie bei einem längeren Krankheitsfall dadurch als unterbrochen gilt und die nichtkonsumierten Urlaubstage erhalten bleiben. Das sehen Arbeitgeber noch recht unterschiedlich. Die einen sprechen von einem persönlichen Risiko, die anderen von einer Unterbrechung. Eine aktuelle Rechtslage gibt es nicht.

Zur Sicherheit schriftlich

Darauf verweist auch das Sozialministerium von Minister Rudolf Anschober (Grüne) auf Nachfrage der Mostviertler. Das Schreiben liegt dem STANDARD in voller Länge vor. Das Ministerium geht zwar davon aus, dass man bei einer behördlich verfügten Quarantäne von seinem noch nicht angetretenen oder nichtkonsumierten Urlaub zurücktreten kann, "da hier die durch den Urlaub bezweckte Erholung nicht mehr gegeben ist". Aber dieser Standpunkt sei "unverbindlich", weil der Fall der Familie "letztlich erst in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren entschieden werden könnte". Die Quarantäne stelle laut Ministerium jedenfalls einen Dienstverhinderungsgrund dar, der eine Dienstfreistellung nach sich ziehe.

Der Rücktritt vom Urlaub "ist ausdrücklich zu erklären und auch nach dem Urlaubsantritt möglich", führt das Ressort aus und empfiehlt: "Die Rücktrittserklärung ist an keine Form gebunden, sie sollte aber aus Gründen der Rechtssicherheit schriftlich erfolgen."

Grundsätzlich könne ein solcher Rücktritt jederzeit im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber passieren. Das Ministerium empfiehlt auch zu versuchen, diesen mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren, mit dem Argument, dass der Arbeitgeber für die Zeit der Quarantäne "ohnehin einen Vergütungsanspruch gegenüber dem Bund nach Epidemiegesetz hat". Gesetzlich ist auch die Entgeltfortzahlung für Dienstnehmer in behördlich verfügter Quarantäne geregelt. "Das übliche Entgelt ist vom Arbeitgeber weiterzuzahlen (...)." Für die Quarantänezeit darf übrigens gesetzlich kein Urlaub vereinbart werden.

Das Verhalten zählt

Auch für die Arbeiterkammer ist der Fall der Niederösterreicher juristisches Neuland. Dort verweist man ebenfalls darauf, dass es dazu noch keine Judikatur gebe, daher gibt die Arbeiterkammer auch kein klares Statement dazu ab.

Keinen Anspruch auf eine Entgeltfortzahlung für Dienstnehmer liegt laut Wirtschaftskammer-Webseite vor, wenn diese bewusst in einem Hochrisikoland Urlaub machen und wegen der Missachtung der Reisewarnungen ihren Dienst nicht antreten können. Außerdem spielt das persönliche Verhalten eine arbeitsrechtliche Rolle. Wenn ein Dienstnehmer "grob fahrlässig" oder "gar vorsätzlich" agiert, also beispielsweise eine Party feiert und auf Tuchfühlung geht oder Getränke mit Freunden bewusst aus einem Glas schlürft, dann kann es zum Entgeltverlust kommen.

Es erscheint daher nicht ganz unlogisch, dass solche Fälle wahrscheinlich auch beim Urlaubsanspruch anders behandelt werden könnten als bei der Familie aus Niederösterreich, die letztlich unverschuldet für zehn Tage in Quarantäne geschickt wurde. (Jan Michael Marchart, 11.8.2020)