"Ein System ist dann universell, wenn es für seinen Bereich jede mögliche Komplexität annehmen kann", erklärt Gemma De las Cuevas, Assistenzprofessorin am Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck.

FWF/Dominik Pfeifer

In den Naturwissenschaften ist ein grundlegendes Phänomen zu beobachten: Aus der Anwendung einfachster Regeln entstehen extrem komplexe Phänomene. Beispielsweise ist der Bauplan des Menschen in der DNA in all seiner Komplexität nur in einer Abfolge von vier verschiedenen Basen gespeichert. Warum ist es also so einfach, eine derart hohe Komplexität zu schaffen?

Die Antwort auf diese Frage liegt für Gemma De las Cuevas im Phänomen der Universalität. "Ein System ist dann universell, wenn es für seinen Bereich jede mögliche Komplexität annehmen kann", erklärt die Assistenzprofessorin am Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck. "Und interessanterweise sind gerade die sehr einfach aufgebauten Systeme universell."

Start-Preisträgerin

In ihrem Forschungsprojekt, das vom Wissenschaftsfonds FWF und vom Wissenschaftsministerium mit einem Start-Preis ausgezeichnet wurde, nimmt die 1984 in Barcelona geborene Physikerin drei Arten von universellen Systemen genauer unter die Lupe: Dazu gehören sogenannte Spinmodelle, die beispielsweise die Komplexität von physikalischen Systemen wie Festkörpern beschreiben können. Universelle Spinmodelle enthalten jedoch die Komplexität aller möglichen Spinmodelle.

Ein weiteres Konzept sind universelle Turingmaschinen. Der aus den Computerwissenschaften stammende Ansatz beschreibt theoretische Modelle von Computern, auf denen grundsätzlich jeder Algorithmus laufen kann. Und auch das dritte Konzept ist eng mit den Computerwissenschaften verbunden: Auch in neuronalen Netzwerken, die heute im Bereich der künstlichen Intelligenz breite Anwendung finden, ist das Phänomen der Universalität wiederzufinden.

Verbindungen universeller Systeme

Die Physikerin will nun Verbindungen und Gemeinsamkeiten dieser verschiedenen universellen Systeme finden, um sie besser zu verstehen und sie in den Wissenschaften besser anwenden zu können. "Universalität steht in engem Zusammenhang mit dem mathematischen Problem der Unentscheidbarkeit. Dabei geht es um Aussagen, die prinzipiell weder bewiesen noch widerlegt werden können. Auch die Reichweite der Unentscheidbarkeit werden wir damit besser verstehen lernen", erklärt De las Cuevas.

Im Lebenslauf von De las Cuevas gehen ihrer jetzigen Tätigkeit an der Universität Innsbruck, wo sie bereits 2011 promovierte, ein Studium an der Universitat Autònoma de Barcelona und Forschungstätigkeiten am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Garching und am Perimeter Institute for Theoretical Physics in Waterloo, Kanada, voraus.

Ihr Interesse gilt aber längst nicht nur der Physik: "Ich bin ständig auf der Suche nach neuen Themen aus allen möglichen Denkrichtungen", sagt die Mutter einer dreijährigen Tochter. Ihre Freizeit besteht deshalb vor allem aus Lesen – und seit kurzem auch aus dem Schreiben eines Buches "an der Schnittstelle von Physik, Philosophie und Lyrik". Bieten auch die Tiroler Berge Entspannung? De las Cuevas: "Berge sind okay, aber ich mag die Bücher lieber." (Alois Pumhösel, 17.8.2020)