Lisa Eckhart ist mit ihren extravaganten Designerkleidern und aufgeklebten Nägeln der Gottseibeiuns der politisch Korrekten. 1992 geboren, wuchs sie sechs Jahre lang bei den Großeltern nahe Leoben auf. Sie hat Germanistik studiert, begann dann mit Poetry-Slams und tritt seit 2015 mit Kabarett auf. Sie lebt in Leipzig.

Foto: Paula Winkler

In ihrem am Montag erscheinenden Roman Omama (Kurzkritik siehe unten) erzählt die Kabarettistin Lisa Eckhart von ihrer Großmutter, wie diese nach dem Krieg turbulent herangewachsen ist oder mit der Enkelin auf Kreuzfahrt geht. Zentral ist auf den fast 400 mit deftigen Pointen gespickten Seiten auch Essen als emotionale Erpressung und Bindemittel. Dabei fallen Worte wie "Tutteln" für Brüste oder "Safteln" fürs Menstruieren, und eine Creme stinkt "wie vierzig wüde Neger". Ihre Ausladung von einem Hamburger Literaturfestival wegen "Warnungen" vor linken Protesten füllt seit einer Woche die Feuilletons.

STANDARD: Dass Sie polarisieren, gehört zum Erfolgsmodell Lisa Eckharts. Haben die Zweifel des Festivalveranstalters, Ihre Sicherheit gewährleisten zu können, Sie beunruhigt?

Eckhart: In einer Gesellschaft, die derart hysterisch auf Sicherheit versessen ist, ist das schon lange kein Adelstitel mehr. Ich kann mich irgendwo zwischen Shampoo im Handgepäck und Fahrradfahren ohne Helm einreihen.

STANDARD: Aber beunruhigt es Sie mit Blick auf die Freiheit der Kunst und die grassierende Cancel-Culture?

Eckhart: Um die Kultur bin ich wohl besorgt. Dass wir in einer Zeit leben, wo "künstlich", "manieriert" und "gewollt" keine Komplimente sind, erachte ich als sehr seltsam. Ebenso dieses Verherrlichen von Authentizität, die die Erzfeindin von Kultur und Zivilisiertheit ist. Dieser Kampf übersteigt die politischen Lager.

STANDARD: Woher kommt er?

Eckhart: Daher, dass die Koordinaten, gut und richtig, Autoritäten nicht mehr existieren. Der Mensch ist sehr auf sich zurückgeworfen, für alles selbst verantwortlich, und klammert sich also an feste Strukturen dort, wo man in der Postmoderne gerade noch gesagt hat, wir brechen alles auf: die Geschlechter, starre Konzepte von Ethnien. Also hadert er mit allem Ambivalenten.

STANDARD: Was ist dabei Ihre Rolle?

Eckhart: Es gibt sehr viele Künstler, die sich mit dem rechten politischen Spektrum beschäftigen, was gut und notwendig ist, wo der Markt aber auch gedeckt ist. Ich möchte deshalb lieber bei denen, bei denen ich davon ausgehe, dass sie wie ich keine Unmenschen sind, schauen, in welche moralischen Dilemmata sie sich verstricken. Und die sind vielseitig. Etwa das hohe Ross, dass wir sittlich überlegen seien. Das mag stimmen, wenn man sich den Duktus mancher Rechten anschaut, nur, sich darauf auszurasten kann es nicht sein. Die Überzeugung, der bessere Mensch zu sein, ist immer riskant. Sich zu hinterfragen, wo werde ich fundamentalistisch in meinen guten Absichten, hat aber noch niemandem geschadet.

STANDARD: Muss man dazu über alles einen Witz machen, das eine Pointe hergibt? Sind allzu plakative Witze auf der Höhe des Diskurses?

Eckhart: Ich bin überzeugt, dass Humor ein guter Weg ist, mit dem Elend umzugehen. Satire ist ein Desinfektionsmittel, es muss brennen. Aber wie mein Großvater immer sagte: Schadts nix, hüfts nix.

STANDARD: Bis wohin können Sie politische Korrektheit mittragen?

Eckhart: Es gibt jetzt diesen Vorwurf von "white privilege" und dass man als Weißer zwangsläufig Rassist ist. Aber es ist als Weißer sehr wohl möglich, kein Rassist zu sein! Ich sehe diese Debatte skeptisch, weil sie sehr viel rassistischen Trotz hervorrufen kann. Als bei "white privilege" gesagt wurde, wir dürfen jetzt erst einmal nichts sagen, wir müssen zuhören oder auch nicht mehr fragen, woher jemand kommt – hinter alldem steht womöglich ein guter Wille. Aber wenn die Leute den Eindruck haben, jeder Blick ist Belästigung und jedes Wort Beleidigung, glaube ich, dass sie sich dadurch sehr abschotten werden und ihnen das nicht einmal zuwider sein wird. Sie werden sich einfach nicht mehr um den anderen kümmern, aus Angst, ihn zu kränken oder vor der verpönten "kulturellen Aneignung". Das kann es doch nicht sein. Wir sollten uns mit anderen auseinandersetzen! Dazu gehört es auch, dass von links gerne gesagt wird, der Flüchtling sei ein Mensch wie du und ich. Da sage ich, nein, so ist es nicht, lasst ihn doch anders sein, und akzeptiert das gefälligst!

STANDARD: Wie ginge es besser?

Eckhart: Ich bin ein unfassbarer Anhänger des Respekts, weil ich glaube, dass er der politischen Korrektheit bei weitem überlegen ist. Ich verstehe auch nicht, wieso man jetzt wieder mit der Identitätspolitik eine Partikularbehandlung von Gruppen beginnen muss, wo ein Universalismus doch immer das Ziel der Linken war. Das halte ich für bevormundend, und es befördert letztendlich eine neoliberale Ich-Verseuchtheit.

STANDARD: Sie machen auf der Bühne sowie im Roman "Omama" derbe Bemerkungen über Schwarze, Behinderte, Frauen ... Von welchen Gruppen erhalten Sie den meisten Gegenwind?

Eckhart: Ich habe schon sehr oft die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die Minderheiten angehören, zu mir gekommen sind und sich gefreut haben, dass sie in meinen Programmen sichtbar gemacht werden. Im Zuge der Debatte jetzt habe ich alles hinterfragt und eine Liste der Ethnien gemacht, mit denen ich mich in meinen Programmen schon beschäftigt habe. Wenn man mir einen Vorwurf machen will, dann nur, dass ich mich noch nie über baltische Staaten mokiert habe! Sonst versuche ich, alles zu inkludieren. Ich weiß auch nicht, welchen Dienst ich diesen Menschen erwiese, wenn ich Programme von einer weißen, privilegierten jungen Frau für ebensolche machen würde.

STANDARD: Sie sagten einmal, Sie machen vier Programme, dann wollen Sie nur mehr Bücher schreiben. Wie ging es Ihnen mit dem ersten Buch?

Eckhart: Ich muss das Buch nicht auf der Bühne inkarnieren, insofern kann ich darin umso mehr verschwinden. Ab und zu kommt ein "ich" vor, aber das ist von mir noch heillos weiter entfernt als die Bühnenfigur. Ich kann mich im Buch also weit mehr der Kunst annähern. Auf der Bühne muss alles immer verständlich sein, im Roman aber kann ich es laufen lassen: einen semantischen Terrorangriff veranstalten, der nichts aussagen will, sodass sich der Leser um den Verstand interpretiert! So etwas würde man mir auf der Bühne nicht verzeihen.

STANDARD: Sie äußern sich nie zur aktuellen Politik. Warum nicht?

Eckhart: Zum einen empfinde ich mich als zu eitel, mich der Tagespolitik zu widmen. Ich möchte Werke für die Ewigkeit schaffen und nicht etwas, das in fünf Jahren Fußnoten braucht. Zum anderen sind einzelne Politakteure so unsäglich, dass die von mir auch keine Negativwerbung erhalten sollen. (Michael Wurmitzer, 12.8.2020)

Lisa Eckhart spricht im Video über ihre Ausladung, ihren Debütroman und über die unterstellte Nähe zur AFD
DER STANDARD/APA