Foto: AFP / NATIONAL INSTITUTE OF ALLERGY AND INFECTIOUS DISEASES / HANDOUT

Moskau – Erste Länder haben bereits Interesse an Russlands Corona-Impfstoff "Sputnik V" bekundet – dem ersten zugelassenen weltweit. Der brasilianische Bundesstaat Paraná schloss ein Abkommen mit Russland, um den Impfstoff selbst zu produzieren.

Der Vertrag dazu wurde noch am Mittwoch unterschrieben, sagte Jorge Callado, Präsident des federführenden Technologieinstituts Tecpar in Curitiba, im brasilianischen Fernsehen.

Zusammenarbeit mit Emiraten und Philippinen

Der Chef des russischen Investmentfonds, Kirill Dmitrijew, sagte: "Wir sind offen für eine internationale Zusammenarbeit." Nach seinen Angaben haben mehrere Länder Interesse bekundet, den Impfstoff selbst zu produzieren. Er nannte außer Brasilien die Philippinen und die Vereinigten Arabischen Emirate. Mit diesen Ländern arbeite Russland zusammen. Nach russischen Angaben haben schon mehr als 20 Länder Interesse angemeldet.

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Es gebe auch Interesse aus dem Ausland, an der dritten und damit entscheidenden Testphase teilzunehmen, sagte Dmitrijew. Genaue Angaben machte er zunächst nicht. Russland habe bereits international Anfragen für eine Milliarde Dosen erhalten. Der vom Kreml gegründete Fonds finanziert die Produktion und Entwicklung des Impfstoffs.

Israel zeigt Interesse

Auch Israel teilte mit, grundsätzlich an "Sputnik V" interessiert zu sein. Es gebe bereits Beratungen über den neuen Impfstoff, sagte Gesundheitsminister Juli Edelstein am Dienstag.

Zuvor hatte der russische Präsident Wladimir Putin die Zulassung des Impfstoffs zur breiten Verwendung in der Bevölkerung bekanntgegeben. Sie erfolgte damit vor dem Vorliegen der Ergebnisse großer klinischer Studien – ein Vorgehen, das dem international üblichen Ablauf widerspricht. Weder die Wirksamkeit noch die Nebenwirkungen lassen sich derzeit fundiert beurteilen.

WHO zurückhaltend

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) reagierte zurückhaltend. Sie sei sich bewusst, dass Russland ein Vakzin registriert habe, und begrüße alle Fortschritte bei der Forschung und Entwicklung zu Covid-19-Impfstoffen, teilte das WHO-Regionalbüro Europa der Deutschen Presse-Agentur mit. Zugleich wies das Büro darauf hin, dass die beschleunigte Impfstoffforschung in jedem Entwicklungsschritt nach bewährten Prozessen erfolgen sollte.

Unterdessen versprach US-Präsident Donald Trump seinen Bürgern rasche Fortschritte bei der Entwicklung eines eigenen Impfstoffs. "Wir sind auf dem besten Weg, schnell 100 Millionen Dosen zu produzieren, sobald der Impfstoff zugelassen ist, und kurz danach bis zu 500 Millionen", sagte Trump. Mehrere aussichtsreiche Stoffe seien in der letzten Erprobungsphase und stünden vor einer Zulassung.

Phase 3 soll nun beginnen

Der Name des russischen Impfstoffs, "Sputnik V", soll an den ersten Satelliten im All erinnern, den die Sowjetunion 1957 vor den USA gestartet hatte. Der Impfstoff wurde vom staatlichen Gamaleja-Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau entwickelt. Erst wenige Menschen haben ihn im Rahmen einer Studie erhalten.

Der Chef des russischen Investmentfonds hatte erklärt, die Phase-3-Studie solle nun beginnen. Zehntausende Freiwillige sollen demnach innerhalb eines Monats geimpft werden. Massenimpfungen der Bevölkerung seien dann für den Herbst geplant. Zugleich schaltete der Fonds zu seinem Impfstoff eine eigene Webseite mit Informationen frei – in sieben Sprachen.

Der Infektiologe Herwig Kollaritsch, Mitglied des Corona-Beraterstabs von Gesundheitsminister Anschober, kritisiert die fehlenden Informationen über den Impfstoff.
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Die Vakzinologin Ursula Wiedermann-Schmidt von der Med-Uni Wien sagte der APA: "Zulassung nach einer Phase 2? Das ist offenbar wirklich nur in Russland möglich. Zum Glück und richtigerweise undenkbar ohne Phase 3 für unsere Breiten!" Wissenschaftlich sei zu dem russischen Impfstoff bisher nichts veröffentlicht worden. Details fehlten, um das Projekt beurteilen zu können.

Der Präsident der deutschen Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, erklärte, es sei ein "hochriskantes Experiment am Menschen", wenn ein Impfstoff wie der in Russland ohne entscheidende dritte Testphase zugelassen werde. "Es ist unverantwortlich, ganze Bevölkerungsgruppen bereits in diesem Stadium der Entwicklung zu impfen", sagte er der "Rheinischen Post" vom Mittwoch.

Auch renommierte Mediziner in den USA warnen: "Aktuell würde ich mir den (Impfstoff, Anm.) nicht verabreichen lassen. Ganz sicher nicht außerhalb einer klinischen Versuchsreihe", sagte Scott Gottlieb, der frühere Chef der US-Behörde für Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit (FDA), am Dienstag im US-Fernsehen.

Laut einer WHO-Liste vom Montag werden derzeit sechs andere Impfstoffkandidaten in einer Phase-3-Studie getestet. Nur ein gut wirksamer Impfstoff kann Experten zufolge eine rasche und deutliche Wende in der Pandemie bringen, ohne dass strenge Lockdown-Regeln nötig sind. (APA, 12.8.2020)