Polizei in Belarus geht gegen Proteste in Weißrussland vor.

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Minsk – Nachdem im Zusammenhang mit umstrittenen Präsidentschaftswahlen in den letzten Tagen in Weißrussland (Belarus) ausländische Journalisten festgenommen wurden, haben sich am Dienstag gezielte Polizeiübergriffe vor allem auf Fotografen und Kameraleute gemehrt. Die wichtigste europäische Institution, die sich mit Medienfreiheit beschäftigen sollte, ist durch die OSZE-Krise indes gelähmt und schweigt.

Männer in schwarzen Uniformen haben am Dienstag in Minsk ein Team der russischen Redaktion des BBC angegriffen, auf einen Kameramann eingeschlagen und versucht seine Kamera zu beschädigen. Gleichzeitig wurde die drei Journalisten, die die Proteste gegen Landzeitpräsident Alexander Lukaschenko und angebliche Wahlfälschungen beobachteten, jedoch nicht festgenommen. Das berichtete der BBC in den späten Dienstagabendstunden und betonte, dass seine Mitarbeiter offiziell beim weißrussischen Außenministerium akkreditiert seien.

Bereits in den Stunden zuvor waren zahlreiche Videos veröffentlicht worden, auf denen gewaltsame Polizeiübergriffe auf Fotografen und Kameraleute zu sehen waren. Die Ordnungshüter schlugen dabei unmotiviert zu und versuchten wiederholt, Journalisten Speicherkarten abzunehmen sowie ihre Kameras zu zerstören. Betroffen waren neben den weißrussischen Medien Nascha Niwa, Onliner und Tut.by auch Vertreter von Associated Press sowie des Fernsehsenders Belsat mit Sitz in Warschau.

Strategiewechsel

Die nunmehr praktizierte Vorgangsweise gegen Journalisten, die das Dokumentieren von polizeilichen Gewaltexzessen riskanter macht, markiert einen Strategiewechsel der Behörden. Diese waren zuvor insbesondere gegen Medienvertreter aus dem Ausland vorgegangen.

Nachdem das weißrussische Außenministerium im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen zahlreichen ausländischen Journalisten eine Akkreditierung verweigert hatten, instrumentalisierten Polizei und Geheimdienst Ende vergangener Woche das Fehlen einer Akkreditierung als Verwaltungsübertretung. Insbesondere Journalisten mit russischer und ukrainischer Staatsangehörigkeit, die ohne Visum problemlos hatten einreisen konnten, wurden festgenommen und galten wie Maksim Solopow teils längere Zeit als verschollen. Der russische Journalist Solopow, der für meduza.io mit Sitz in Riga arbeitet, war bei seiner Verhaftung am Sonntagabend von Polizisten verletzt worden. Erst nach Interventionen der russischen Botschaft wurde er aus einem Minsker Polizeigefängnis befreit und sollte in der Nacht auf Mittwoch nach Russland abgeschoben werden.

Trotz der wahrscheinlich massivsten Polizeiübergriffe gegen Journalisten in Europa seit vielen Jahren sind Kommentare der auf diese Thematik spezialisierten OSZE-Institution bisher ausgeblieben. Als Folge der OSZE-Krise ist die Position des Beauftragten für die Freiheit der Medien derzeit vakant. Bis zu einer Nachbesetzung, die es frühestens Ende 2020 geben könnte, leitet der österreichische Diplomat Jürgen Heissel vorübergehend das Büro des OSZE-Medienbeauftragten mit Sitz in Wien.

"In unserem Fall sind gewisse Dinge, wie unter anderem die Frühwarnfunktion im Wege öffentlicher Erklärungen, unmittelbar dem Mandatshalter vorbehalten", begründete Heissel am Dienstag gegenüber der APA das Schweigen seines Büros zu den Vorgängen in Belarus. Tatsächlich ist im 1997 beschlossenen Mandat dieser OSZE-Organisation ausschließlich von den Aufgaben des OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit die Rede, eine Vakanz ist nicht vorgesehen. Gleichzeitig findet sich aber auch kein explizites Verbot, dass in Krisenzeiten die öffentliche Positionierung eines temporären Büroleiters im Namen der Institution verbieten würde. (APA, 12.8.2020)