Die römische Stadt Carnuntum liegt an der damaligen römischen pannonischen Grenze im heutigen Niederösterreich und ist im Gegensatz zu vielen anderen römischen Fundstellen nicht weiter überbaut worden. Römische Monumente sind heute noch sichtbar oder ruhen direkt unter der Erde. Als die römische Herrschaft in der Provinz Pannonien endete, bedeutete dies auch ein Ende der Besiedelung von Carnuntum, das zu dieser Zeit aus militärischen Lagern und einer Zivilstadt bestand.

In der Stadt Carnuntum befanden sich auch zwei Amphitheater. Das größere Amphitheater 2 lag etwas außerhalb des Stadtbereichs, das etwas kleinere Amphitheater 1 befand sich nordöstlich des Legionslagers. Ausgrabungen in diesem Amphitheater 1 brachten viele archäologische Funde zutage, die allesamt aus spätantiken Fundschichten datieren.

Foto: Land NÖ – Archäologischer Park Carnuntum
Luftaufnahmen des Amphitheaters 1.
Foto: Land NÖ – Archäologischer Park Carnuntum

Ein Teil dieser archäologischen Funde sind tierische Überreste, mit denen sich die Disziplin der Archäozoologie wissenschaftlich befasst. Archäozoologinnen und Archäozoologen versuchen zum einen anhand von Tierresten die Form und Größe von Haus- und Wildtieren zu rekonstruieren. Weitere Schwerpunkte dieser Wissenschaft sind die Rekonstruktion von Tierhaltung und Tierzucht wie auch die Ernährungsweisen prähistorischer und historischer Gesellschaften.

Was in der römischen Küche auf den Tisch kam

In einem Amphitheater ist auch eine Abfallvergesellschaftung zu erwarten. Hier wurde diverser Müll in den entsprechenden Bau- und Planierphasen entsorgt, aufgebracht und eingeebnet. Der Großteil des tierischen Fundmaterials aus dem Amphitheater 1 besteht aus Haustierresten. Rinder sind hier dominant, wogegen Schweine und kleine Hauswiederkäuer deutlich geringer repräsentiert sind. Schafe dürften wichtiger als Ziegen gewesen sein. Interessant ist auch, dass die Rinder zum allergrößten Teil alt gestorben sind oder geschlachtet wurden. Daraus lässt sich schließen, dass es wohl keine Bevorzugung hoher Fleischqualität gab. Auffällig ist außerdem ein hoher Anteil an Überresten von Pferden, darunter eventuell auch Maultiere oder Mulis und Esel. Auch die wurden zum Großteil sehr alt geschlachtet beziehungsweise sind im hohen Alter zu Tode gekommen. Die Reste sprechen daher nicht für eine römische Haute Cuisine. Sie spiegeln aber durchaus das Ernährungsverhalten der Bevölkerung wider, wenn auch nicht unbedingt der gehobenen römischen sozialen Schichten. An den Tierknochen wurden sehr viele Zerlegungsspuren durch Hacken und Messer gefunden, was auf Abfall von Schlachtungen und Tierkörperverwertung hindeutet.

Nur ein einzelner Karpfenknochen und eine Auster belegen als Abfall höchstwahrscheinlich den Konsum dieser Wassertiere. Während die Auster über weite Strecken als Spezialität vom Meer importiert werden musste, konnte der Karpfen in der nahen Donau gefangen werden. Der überwiegende Teil der Geflügelknochen stammt – typisch für römische Fundstellen – von Hühnern und wenigen Gänsen. Außerdem waren der Kolkrabe, die Krähe und die Dohle, alles Krähenvögel, im Material nachweisbar.

Große Wildtiere weisen auf Tierhetzen hin

Die Anwesenheit großer Wildtiere an sich ist auffällig, da die Jagd immer mit höhergestellten sozialen Gesellschaften in Zusammenhang diskutiert und in römischen Kontexten üblicherweise nicht als Subsistenzjagd interpretiert wird. Im Amphitheater kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu, nämlich dass die Knochen eine Nutzung der Tiere in Spielen und Tierhetzen, den sogenannten "venationes", nachweisen könnten.

Großwild wie Rothirsch, Braunbär und Wildschwein, die am häufigsten zu finden waren, könnten gut in oftmals blutigen Tierhetzen mitwirken haben müssen. Andere große Wildtiere, wie das eher scheue Reh, der europäische Wisent, Wolf oder Wildkatze kämen wohl ebenso infrage. Die Reste von Hase und Fuchs haben jedoch sicherlich einen anderen Ursprung.

Ein Kamel in Carnuntum

Neben den heimischen Wildtieren konnten im Fundmaterial des Amphitheaters 1 in Carnuntum auch nichtheimische und exotische Tiere nachgewiesen werden. Ein Exot war sicherlich ein Haustier und könnte in den Tierhetzen zu Tode gekommen sein oder aber einfach nur als Transporttier verwendet worden sein: ein Kamel, dessen Unterkieferfragment gefunden wurde. Im Bereich des Unterkiefergelenks zeigt sich eine etwas korrodierte Hackspur, die auf eine Zerlegung des Kamelkadavers hinweist.

Kamelunterkieferfragment, a – von medial, b – von lateral.
Foto: A. Galik, ÖAW/ÖAI
Überreste von Exoten wie Kamelen wurden in Carnuntum gefunden.
Foto: APA/AFP/FADEL SENNA

Ein weiterer Knochen stammt von einem Tier, das als Lasttier wohl nicht infrage kommt. Er muss aufgrund seiner Bauweise von einer Großkatze stammen und fällt größenmäßig in den Variationsbereich von Leoparden. An diesem Knochen sind keine Zerlegungsspuren ersichtlich, doch können an beiden Knochenenden Hundeverbissspuren nachgewiesen werden. Offenbar wurde zumindest ein Teil dieses zweifelsohne wertvollen Tieres nach seinem Ableben den Hunden zum Fraß vorgeworfen.

Radius von Panthera sp. in medialer-, lateraler- und kranialer Ansicht, Detailaufnahme mit Verbissspuren am distalen Ende der Speiche.
Foto: A. Galik, ÖAW/ÖAI

Die Zusammensetzung der Tierreste aus dem Amphitheater 1 in Carnuntum lässt grob skizzieren, dass es sich hier nicht um gewöhnlichen Haushaltsabfall handelt. Die Altersstruktur der Haustiere, der hohe Anteil an Pferden und Pferdeartigen wie auch die Zerteilungsspuren lassen hier eher eine Ansammlung von Schlachtabfall vermuten. Auffällig ist neben den Exoten Kamel und Großkatze/Leopard auch der hohe Anteil an Braunbär und Rothirsch, die vielleicht mit dem "Spiel-Betrieb" im Amphitheater 1 in Zusammenhang gebracht werden können. (Alfred Galik, 17.8.2020)