Der französische Hubschrauberträger Tonnerre ist derzeit auf dem Weg nach Beirut.

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Das türkische Forschungsschiff Oruc Reis mit Eskorte.

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Paris/Athen/Ankara – Trotz aller Proteste setzt das türkische Forschungsschiff Oruc Reis die umstrittene Suche nach Erdgas vor griechischen Inseln in der Ostägäis fort. In der Nacht bewegte sich das Schiff laut dem Ortungsdienst Marine Traffic erneut Richtung eines Seegebiets, das Griechenland als eigene Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) versteht.

Vorübergehend war das Forschungsschiff auf türkisches Seegebiet gefahren, änderte dann aber wieder den Kurs. Zahlreiche türkische und griechische Kriegsschiffe halten sich in der Region auf.

Angesichts des Streits um Erdgasfelder hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron angekündigt, die französische Militärpräsenz im östlichen Mittelmeer vorübergehend zu verstärken. Die "einseitigen türkischen Aktionen erzeugen Spannungen und müssen gestoppt werden, damit ein ruhiger Dialog starten kann", erklärte Macron auf Twitter in griechischer Sprache. Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis bedankte sich bei Macron. Seit einigen Tagen befinden sich zwei französische Kampfbomber vom Typ Rafale auf Zypern, berichtete der zypriotische Radiosender RIK.

Seit Anfang der Woche sucht die Oruc Reis südlich von Rhodos und der kleinen Insel Kastelorizo nach Erdgas. Kastelorizo ist nur rund zwei Kilometer vom türkischen Festland entfernt, gehört aber wie Rhodos zu Griechenland.

Das Seerecht der Vereinten Nationen legt für Küstenländer eine Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) fest, die über die Hoheitsgewässer eines Landes hinausreicht. In dieser 200-Meilen-Zone hat ein Staat demnach das alleinige Recht zur Ausbeutung von Bodenschätzen. Liegt die Küste eines anderen Landes näher, gilt die Mittellinie. Griechische Inseln, die nahe an der türkischen Küste liegen, verringern also die türkische AWZ enorm. Die Türkei erklärt, dass Inseln keine AWZ haben, und sieht ihre Gasforschungen daher als legitim an. Das Seerechtsabkommen hat sie aber nie unterschrieben, wie etwa auch die USA.

Der griechische Außenminister Nikos Dendias warnte die Türkei, Griechenland sei bereit, seinen Hoheitsbereich zu verteidigen. Er forderte den sofortigen Rückzug des von türkischen Marineschiffen begleiteten Erkundungsschiffs aus griechischen Gewässern.

Macron will friedlichen Dialog

Macron zeigte sich den Angaben aus Paris zufolge in einem Telefonat mit dem griechischen Regierungschef Mitsotakis besorgt über die durch das türkische Vorgehen ausgelösten Spannungen. Er appellierte an Ankara, diese Aktivitäten einzustellen, um einen friedlichen Dialog mit Griechenland und den Nato-Partnern zu ermöglichen. Macron begrüßte in diesem Zusammenhang auch deutsche Vermittlungsbemühungen zwischen Griechenland und der Türkei.

Mit der Verstärkung des französischen Militäreinsatzes im östlichen Mittelmeer wolle Macron seinen Willen unterstreichen, dass das internationale Recht in dem Gebiet respektiert werde, erklärte das Präsidialamt in Paris. Die Ausweitung der französischen Militärpräsenz solle "in Kooperation mit den europäischen Partnern, darunter Griechenland", erfolgen. Details zur geplanten Verstärkung des Militäreinsatzes nannte die französische Regierung zunächst nicht.

Türkei will "Rechte verteidigen"

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu hatte zuvor angekündigt, sein Land wolle die Erkundungen im östlichen Mittelmeer ausbauen und werde seine Rechte in der Region kompromisslos verteidigen. Ab Ende August werde Ankara Bohrlizenzen für neue Standorte im "westlichen Teil unseres Kontinentalschelfs" vergeben.

Eine ähnliche Krise hatte es bereits im vergangenen Monat gegeben. Die Türkei hatte damals das Erkundungsschiff schließlich wieder abgezogen, um Gespräche mit Griechenland und der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zu führen.

Die Türkei fühlt sich nun aber durch ein in der vergangenen Woche geschlossenes Abkommen zwischen Griechenland und Ägypten provoziert. Die beiden Länder hatten die Errichtung einer ausschließlichen Wirtschaftszone im Mittelmeer verabredet, die nur von ihnen genutzt werden darf. Seit der Entdeckung reicher Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer, auch vor der Küste Zyperns, gibt es heftigen Streit um deren Ausbeutung.

Griechenland für Verhandlungen offen

Vor seinem Telefonat mit Macron hatte Mitsotakis signalisiert, dass er zu Verhandlungen mit der Türkei bereit ist. Diese könnten aber nicht unter dem Eindruck der jüngsten Drohungen Ankaras stattfinden. "Wir sind bereit, mit allen unseren Nachbarn zu reden", sagte Mitsotakis dem Sender ERT. Die türkischen Drohungen ließen aber zweifeln, dass Ankara wirklich bereit sei, mit Verhandlungen das Problem im Rahmen des internationalen Rechts zu lösen. Mit den Drohungen öffne Ankara nur die Tür für Sanktionen der EU. Griechenland dagegen provoziere nicht. (APA, 13.8.2020)