Syphilis ist ein hartnäckiger Begleiter des Menschen. Die sexuell übertragbare Infektionskrankheit ist keineswegs nur ein Problem vergangener Zeiten: Die Verbreitung steigt seit Jahren weltweit wieder rasant an – in Europa sind mittlerweile mehr Menschen daran erkrankt als an HIV. Anders als zu Zeiten prominenter Betroffener wie Heinrich VIII. oder auch noch Henri de Toulouse-Lautrec gibt es heute immerhin wirksame Antibiotika gegen Treponema pallidum subspecies pallidum, den Erreger der Krankheit.

Treponema pallidum unter dem Dunkelfeldmikroskop.
Foto: cdc

Seit wann die Syphilis den alten Kontinent schon plagt, ist seit vielen Jahren Gegenstand wissenschaftlicher Kontroversen. Die ersten beschriebenen Fälle traten nach 1493 in spanischen Hafenstädten auf – und fallen genau mit Christoph Kolumbus' erster Rückkehr aus Amerika zusammen. Häufig wurde daher angenommen, dass die Krankheit aus der neuen Welt nach Europa gelangt ist. Deutlich ältere Nachweise aus Italien und der Türkei sind jedoch unter Forschern umstritten.

St. Pöltener Syphilitiker

Vor einigen Jahren ließen dann Funde aus St. Pölten aufhorchen: Wissenschafter entdeckten damals in Skeletten aus dem 14. Jahrhundert, die am Domplatz der niederösterreichischen Landeshauptstadt freigelegt worden waren, Hinweise auf Syphilis. Nun veröffentlichten Schweizer Wissenschafter im Fachblatt "Current Biology" weitere Nachweise dafür, dass der Erreger schon vor Kolumbus' Reise auf dem alten Kontinent gewütet haben dürfte: Sie fanden verschiedenen Unterarten des Erregers in DNA-Proben von vier menschlichen Skeletten aus Finnland, Estland und den Niederlanden.

DNA-Analysen im Labor der Uni Zürich.
Foto: UZH

Mithilfe molekularer Datierungen des alten Erbguts und Radiokarbondatierungen der Knochen und Grabüberreste fanden sie heraus, dass die ältesten Bakterien aus dem frühen 15. Jahrhundert stammen dürften. Nähere Analysen der verschiedenen Treponematosen lassen darauf schließen, dass sich der Vorgänger dieser Erreger vor mindestens 2.500 Jahren entwickelt haben muss.

Verbreitete Frambösie

Neben der Syphilis fand das Team um die Paläogenetikerin Verena Schünemann von der Universität Zürich in den Knochen auch den Erreger der Frambösie. Diese Infektionskrankheit, die ebenfalls von einer Unterart des Bakteriums Treponema pallidum verursacht wird, kommt heute nur noch in den Tropen und Subtropen vor. "Unsere Daten zeigen jedoch, dass die Frambösie damals in Europa verbreitet war", sagt Schünemann.

Nach Angaben der Forscher machen die Erkenntnisse zum Treponema-Stammbaum sowie die entdeckte Diversität der Treponematosen in der frühen Neuzeit sogar einen Ursprung der Syphilis in Europa möglich. Schünemann: "Vielleicht müssen wir unsere bestehenden Thesen zu Syphilis und anderen treponemalen Krankheiten revidieren." (dare, 14. 8. 2020)