Der neuentdeckte Riesenkranich und sein äffischer Zeitgenosse "Udo" im Größenvergleich mit einem erwachsenen Menschen.
Illustration: Agnes Fatz, Senckenberg

Die Universität Tübingen meldet den Fund eines Riesenkranichs im Allgäu, der einem erwachsenen Menschen in die Augen hätte sehen können. Und zu seinen Lebzeiten, vor etwas mehr als elf Millionen Jahren, musste er sich sogar bücken, wenn er dem menschenähnlichsten Primaten seines Lebensraums begegnete: Den übertraf er nämlich um 75 Prozent.

Den Schädel des Kranichs entdeckten deutsche Forscher in der Fossilienfundstätte Hammerschmiede in Bayern. Es handelt sich um den frühesten Nachweis eines solch großen Kranichs in Europa. Insgesamt ähnele das Fossil dem Schädel des heutigen, sehr langschnäbeligen Sibirischen Kranichs, berichten die Forscher um Gerald Mayr vom Forschungsinstitut Senckenberg in Frankfurt.

Von den weltweit insgesamt 15 Kranicharten kommt in Europa heute nur eine einzige vor, der Eurasische Kranich. "Fossilfunde zeigen, dass es in der Vergangenheit viel mehr Kranicharten gegeben haben muss", sagt Studienleiter Mayr. "Allerdings stammen die meisten Belege aus dem Mittelmeergebiet, während Nachweise aus Mitteleuropa sehr spärlich sind."

Der fossile Schädel (links) im Vergleich mit dem des heutigen Sibirischen Kranichs (Mitte) und dem des in Mitteleuropa heimischen Eurasischen Kranichs (rechts).
Foto: Gerald Mayr, Senckenberg

Vergleiche mit heutigen Verwandten

Das Tier war etwa so groß wie die größten heutigen Kraniche, der asiatische Saruskranich und der afrikanische Klunkerkranich. "Beide Arten erreichen mit 1,75 Meter Körperhöhe die Größe eines erwachsenen Menschen und haben Flügelspannweiten von 2,6 bis 2,8 Metern", sagt Mayr.

"Der Schnabel des Hammerschmiede-Kranichs deutet darauf hin, dass er am offenen Süßwasser lebte. Solche Lebensräume waren damals vor Ort vorherrschend", sagt Grabungsleiter Thomas Lechner. Mit Blick auf die Schnabellängen heutiger Verwandter lässt sich zudem vermuten, dass der Vogel vorwiegend vegetarisch lebte. Solche Kraniche ernähren sich von Wurzeln und Rhizomen von Wasserpflanzen, die sie mit den Schnäbeln ausgraben.

Die Hammerschmiede hat schon eine Menge Fossilien preisgegeben, vor allem von Vögeln. Für besonderes Aufsehen sorgte aber im vergangenen Jahr die Entdeckung des zweibeinigen Menschenaffen Danuvius guggenmosi, der unter Spitznamen "Udo" Schlagzeilen machte. Zu dem vorerst noch namenlosen Riesenkranich hätte unser Verwandter aufblicken müssen: Der dürfte laut den Forschern der größte Vogel in seinem Lebensraum gewesen sein. (red, 16. 8. 2020)