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Russland will den ersten Corona-Impfstoff entwickelt haben.

Foto: AP/Russian Direct Investment Fund

Moskau – Mit einem Paukenschlag weckte Russlands Präsident Wladimir Putin die Weltöffentlichkeit, als er die Tage ankündigte, Russland habe soeben seinen eigenen Corona-Impfstoff registriert. Entwickelt wurde er im Moskauer Gamaleja-Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie. Die Ansage soll weit mehr als nur ein weiterer PR-Coup des Kreml-Chefs sein. Russland verspricht sich handfeste Dividenden von dem Impfstoff.

Weltweit wird an einem Mittel gegen das Virus SARS-CoV-2 geforscht. Dass Russland dabei zumindest verbal die Führungsposition eingenommen hat, ist sicher ein Wettbewerbsvorteil. Der Markt für ein Serum ist groß, das Volumen wird auf 75 Milliarden Dollar geschätzt, und Russland will einen möglichst großen Anteil daran erkämpfen. Die Rede ist von etwa einem Viertel des Weltmarkts. Das entspricht rund 18 Milliarden Dollar.

Bislang hat Russland über den staatlichen Fonds für Direktinvestitionen (RDIF) umgerechnet knapp 50 Millionen Euro in die Entwicklung gesteckt. Der Aufbau der notwendigen Produktionskapazitäten würde wohl noch einmal einen dreistelligen Millionenbetrag kosten, doch die Rendite wäre in dem Fall gewährleistet.

Das sehen die Börsianer ähnlich, denn als bekannt wurde, dass neben dem Gamaleja-Institut auch das Werk Binnofarm an der Produktion beteiligt werden soll, gingen die Aktien des Mutterkonzerns AfK Sistema in Moskau durch die Decke.

Große Nachfrage

Laut dem Direktor des Gamaleja-Instituts Alexander Ginzburg könnten die Hersteller bis Jahresende ihre Monatsproduktion auf fünf Millionen Dosen steigern. Später soll die Kapazität auf mindestens das Doppelte steigen. Denn die Nachfrage ist riesig.

Laut RDIF-Generaldirektor Kyrill Dmitrijew hat Russland bereits Anfragen für seinen Impfstoff aus aller Welt bekommen. "Wir haben vorläufige Bestellungen aus über 20 Ländern für den Ankauf von mehr als einer Milliarde Dosen des Serums erhalten", sagte Dmitrijew. Besonders groß sei das Interesse in Lateinamerika, Nahost und Asien, betonte er. Seinen Angaben nach ist Russland bereit, zusammen mit fünf ausländischen Partnern eine Produktion von 500 Millionen Dosen in Kürze aufzuziehen.

Tatsächlich dürfte der Wettstreit vor allem um die Entwicklungsländer gehen. Die Industrienationen sind fähig, ihren eigenen Impfstoff zu entwickeln. Im Westen herrscht zudem deutliche Skepsis gegenüber dem russischen Impfstoff.

Dritte Testphase fehlt

Deutschlands Gesundheitsminister Jens Spahn erklärte, es gehe nicht darum, Erster zu sein, sondern "einen wirksamen, einen erprobten und damit eben auch sicheren Impfstoff" herzustellen. Russlands Vorgehen beklagte er als "nicht sehr transparent" und verwies auf das Fehlen der dritten Testphase für das Medikament.

An Russland ist die Kritik abgeprallt. Der Duma-Abgeordnete Gennadi Onischtschenko sah in der Kritik Neid und eine bezahlte Schmutzkampagne. Onischtschenko war von 1996 bis 2013 auch oberster Amtsarzt in Russland. In der Zeit machte er Schlagzeilen, indem er abwechselnd georgischen und moldauischen Wein, belarussische Milch und ukrainischen Käse für ungenießbar erklärte, dafür aber während der Vogelgrippe den Russen riet, infizierte Hühnchen einfach länger zu braten. (ab, 14.8.2020)