Gesundheitsminister Anschober appelliert angesichts der deutlich gestiegenen Covid-19-Infektionen, einfache Schutzmaßnahmen wie das Tragen Mund-Nasen-Masken zu beherzigen.

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Wien – Die neuesten Zahlen von Corona-Neuinfektionen in Österreich sind besorgniserregend. Doch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) ist keiner, der Panik verbreitet. Also gab er am Freitagvormittag nicht nur die nackte Zahl von 282 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden bekannt – seit Monaten mit Abstand der höchste Wert –, sondern lieferte auch Erklärungen dafür, ordnete sie ein und kündigte mögliche Folgen an.

Der momentane Anstieg von positiven Covid-19-Testergebnissen sei in erster Linie darauf zurückzuführen, dass heute mehr Testungen durchgeführt würden als je zuvor. Mittlerweile "ist die historische Latte von einer Million Testungen überschritten worden", sagte Anschober. Konkret waren es 1.003.234 bis Freitagfrüh.

Asymptomatische Infektionen steigen

Durch konsequente Screening-Testungen im Umfeld von Covid-19-positiven Personen und Verdachtsfällen sei es gelungen, Corona-Infektionen festzustellen, auf die man in der ersten Phase der Pandemie gar nicht gekommen wäre. Die Zahl von asymptomatischen Infektionen habe rasant zugenommen. Viele Menschen bemerken also gar nicht, dass sie mit dem Virus infiziert sind, weil sie keine typischen Symptome wie Kurzatmigkeit entwickeln.

Im Vergleich zur bisherigen Wellenspitze sind die momentanen Zahlen aber niedrig: Zwischen 4. und 13. April wurden in Österreich 50.000 Tests durchgeführt, 2.761 davon mit positivem Ergebnis. Zwischen 4. und 13. August waren es 81.000 Testungen und 1.209 positive Ergebnisse.

Mittlerweile befänden wir uns in der dritten Phase, in der nach Phase 1 (Lockdown) und Phase 2 (schrittweise Öffnung) ein Anstieg von Corona-Infektionen wegen der gesteigerten Reisebewegungen erwartbar gewesen sei. Dieser Trend sei in ganz Europa zu beobachten, so Anschober. Am stärksten derzeit in Spanien, wo die Infektionszahlen nach oben schnellen. Auch Israel sei stärker betroffen. Weltweit sind die USA und Brasilien nach wie vor die Länder mit den meisten täglichen Neuinfektionen.

Viele Ansteckungen bei Feiern und Festen

Durch Kontaktracing und Analysen der jüngsten Corona-Fälle in Österreich haben die Experten erkannt, dass es keine großen Cluster wie in anderen Ländern gibt, sondern dass Ansteckungen hierzulande vor allem bei Familienfeiern und kleineren Festen erfolgten. Rund 25 Prozent aller Neuinfektionen seien darauf zurückzuführen. Weitere 24 Prozent habe man durch entsprechende Umfeldscreenings erkannt.

Neue Reisebschränkungen

Eine große Rolle spielten auch sogenannte reiseassoziierte Infektionen, wie jüngste Analysen der Ages zeigen. "Darunter fällt der Städtekurztrip nach Amsterdam genauso wie der Besuch von Verwandten am Balkan", so Anschober. Falls die Zahl von positiven Testergebnissen nicht rasch zurückgehe, werde es deswegen neue Reisebeschränkungen geben, kündigte er an. Die erste wurde auch schon am Freitag verhängt: Für Kroatien gilt ab Mitternacht von Sonntag auf Montag wieder eine Reisewarnung. Urlauber, die sich derzeit in Kroatien befinden, werden dringend aufgerufen heimzukehren. Weitere Details würden derzeit mit dem Gesundheitsministerium abgestimmt, hieß es am Freitag aus dem Außenamt.

Diese aktuelle Grafik der Ages zeigt die Altersverteilung der in den vergangenen sieben Tagen positiv getesteten Personen. Mit Abstand führend: die Gruppe 15 bis 24 Jahre.
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Die Alterspyramide der positiv getesteten Personen hat sich buchstäblich auf den Kopf gestellt. In den vergangenen sieben Tagen waren die meisten Neuinfizierten zwischen 15 und 24 Jahre alt. Die bisher größte Gruppe von 60+ rangiert jetzt ganz unten. Auch in Deutschland sei dieser Trend dominierend, so Anschober. Dort liege das Durchschnittsalter von neuinfizierten Personen mittlerweile bei 34 Jahren, bei uns beträgt es 33,7 Jahre.

Viele Langzeitfolgen dokumentiert

Der Gesundheitsminister appellierte deshalb an junge Menschen, sich des Risikos bewusst zu sein und Schutzmaßnahmen einzuhalten. "'Ich bin eh nicht betroffen' gilt für keine Altersgruppe", so Anschober. "Niemand ist vor Corona sicher." Auch wenn das Risiko eines schweren Verlaufs bei älteren Menschen höher sei, müssten auch junge Menschen bei einer Infektion mit Langzeitfolgen rechnen.

Auch Ralf Harun Zwick, der ärztliche Leiter der Ambulanten Pneumologischen Rehabilitation in der Therme Wien, warnte davor, das Risiko zu unterschätzen. Die ursprüngliche Annahme, es handle sich um eine reine Lungenkrankheit, sei mittlerweile überholt. Auch bei milden Verläufen könnten Herz und andere Organe geschädigt werden, auch Muskelschwäche sei dokumentiert. Viele Patienten litten außerdem weiter an neurologischen Beschwerden, Depressionen und Angstzuständen. (Michael Simoner, 14.8.2020)