Viren verbreiten sich durch Körperkontakt, auch beim Küssen. Eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus bleibt für viele unbemerkt, andere erkranken schwer.

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Derzeit dominiert ein einziges Virus die gesamte Welt. Dabei sind wir auch sonst von vielen Viren umgeben – allein, meistens sind wir uns dessen nicht bewusst. Weit verbreitet unter den Menschen ist das Epstein-Barr-Virus (EBV). Experten schätzen, dass den Erreger 95 Prozent aller Erwachsenen in sich tragen. Das von diesem Virus ausgelöste Pfeiffersche Drüsenfieber ist nicht lebensbedrohlich. Viele Patienten aber schwächt es für Wochen oder Monate so sehr, dass sie morgens kaum aus dem Bett kommen. Darüber hinaus erhöht die Krankheit das Risiko für Multiple Sklerose (MS) und Magenkrebs. Wie kann man sich vor Pfeifferschem Drüsenfieber schützen? Und was hilft dagegen?

Der deutsche Kinderarzt Emil Pfeiffer, nach dem die Krankheit benannt ist, beschrieb ihre typischen Symptome bereits im 19. Jahrhundert. Dennoch ist das Pfeiffersche Drüsenfieber bis heute ein rätselhaftes Leiden geblieben: Die meisten Menschen stecken sich im Kindheits- oder Jugendalter an. "Bei Kindern treten aber meist keine starken Beschwerden auf, obwohl sie im Speichel sehr viele Viren freisetzen", sagt Florian Thalhammer, stellvertretender Ärztlicher Direktor am Allgemeinen Krankenhaus (AKH) Wien und langjähriger Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin.

Fieber, Halsweh, Abgeschlagenheit

Das volle Krankheitsbild zeigt sich erst bei Jugendlichen und Erwachsenen: Fieber, Halsschmerzen, Entzündung der Gaumenmandeln, angeschwollene Lymphknoten. "Und danach wochenlange Müdigkeit und Abgeschlagenheit", so Thalhammer. In vielen Fällen entzünden sich auch Milz und Leber. Und zehn Prozent der Betroffenen leiden selbst ein halbes Jahr nach Ausbruch der Krankheit noch immer unter Beschwerden.

Das Erstaunliche: Bei knapp der Hälfte der Betroffenen verläuft das Pfeiffersche Drüsenfieber auch im Erwachsenenalter viel harmloser. Diese Patienten klagen lediglich über Halsschmerzen, Kraftlosigkeit und etwas Fieber wie bei einer gewöhnlichen Erkältung. "Warum die Symptome von Mensch zu Mensch so unterschiedlich stark sind, hängt wahrscheinlich nicht in erster Linie vom Virus selbst ab, sondern von der Stärke der körpereigenen Immunantwort", sagt Florian Thalhammer.

Unstrittig ist, dass das Epstein-Barr-Virus (EBV), das die Krankheit auslöst, zur Familie der Herpesviren gehört, die auch Fieberbläschen, Feuchtblattern (Windpocken) und Gürtelrose verursachen. Das EBV wird durch Speichel übertragen, insbesondere beim Küssen. Im englischen Sprachraum wird Pfeiffersches Drüsenfieber daher auch "kissing disease" genannt – "Kusskrankheit". Die Viren befallen Zellen der Nasen- und Mundschleimhaut sowie eine bestimmt Art weißer Blutkörperchen: die B-Lymphozyten. Und sie vermehren sich rasend schnell.

Viren bleiben im Körper

Eine weitere Besonderheit: Selbst nach überstandener Krankheit verschwinden die Erreger nicht aus dem Körper, sondern verstecken sich gleichsam nur, um sich von Zeit zu Zeit im Rachen wieder zu vermehren. In seltenen Fällen – bei einer Schwächung des Immunsystems und mit zunehmenden Alter – kann die Krankheit daher erneut ausbrechen, sagt Christian Münz vom Institut für Experimentelle Immunologie der Universität Zürich. Insbesondere bei Aids-Patienten oder bei Patienten mit künstlicher Immunsuppression (Unterdrückung der körpereigenen Abwehrkräfte) nach einer Organtransplantation birgt das Gefahren, zumal das EBV auch das Wachstum gefährlicher Tumoren verursachen kann.

Wer sich nicht aus dem sozialen Leben zurückziehen will, ist dem Risiko einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus immer wieder ausgesetzt. "Der beste Schutz ist eigentlich, wenn man schon als Kind damit infiziert wird", sagt Florian Thalhammer, stellvertretender Ärztlicher Direktor am AKH Wien. "Auf andere Weise lässt sich nur schwer dagegen vorbeugen." Schon weil das Virus so weit verbreitet ist.

Manche Risiken sollten man dennoch besser meiden. "Da der Erreger vor allem über den Speichel übertragen wird, empfiehlt es sich, mit Patienten, die akut an Pfeifferschem Drüsenfieber leiden, nicht zu schmusen und nicht aus dem gleichen Glas wie sie zu trinken", sagt der erfahrene Sportmediziner Martin Narozny vom Medbase Sports Medical Center in Zürich. Ist die Erkrankung überstanden, bleiben die Viren zwar – wie gesagt – im Körper. Das Risiko einer Ansteckung ist dann aber zumindest deutlich niedriger als während der Akutphase, so Narozny.

Kann wiederkommen

In der Regel erkrankt man nur einmal am Pfeifferschen Drüsenfieber – und geschieht dies in jungen Jahren, bleiben die Symptome meist schwach, sagt Narozny. "Stress und sehr hartes Training, wie beim Leistungssport, können aber zu einer erneuten Erkrankung führen." Roger Federer zum Beispiel hatte genauso mit Pfeifferschem Drüsenfieber zu kämpfen wie der ehemalige österreichische Skirennläufer Christian Mayer, die für Österreich startende kroatische Schwimmerin Mirna Jukic´ oder der britische Radprofi Mark Cavendish.

Aus Angst vor einem Karriereknick gönnen sich viele Leistungssportler bei Infekten zu wenig Erholungszeit und schwächen damit ihr Immunsystem, weiß Narozny. Und es gibt noch eine weitere Erklärung dafür, dass das Pfeiffersche Drüsenfieber so häufig bei Spitzensportlern diagnostiziert wird: "Bei Sportstars werden im Fall eines Leistungseinbruchs viel schneller Blutuntersuchungen gemacht als bei der übrigen Bevölkerung."

Da die Symptome des Pfeifferschen Drüsenfiebers denjenigen anderer Krankheiten ähneln (zum Beispiel Angina, Erkältung oder Grippe), wird das Leiden bei Menschen, die nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen, nicht immer richtig diagnostiziert. Bei starken Halsbeschwerden und vergrößerten Gaumenmandeln mit eitrigem Belag tippen Ärzte mitunter fälschlich auf eine bakteriell ausgelöste Entzündung (Tonsillitis) und verschreiben Antibiotika.

Den Patienten tun sie damit nichts Gutes. Denn behandelt man Pfeiffersches Drüsenfieber mit solchen Medikamenten, so ist das nicht nur sinnlos, weil Antibiotika ausschließlich gegen Bakterien wirken (und gegen Viren nichts ausrichten können). Schlimmer noch: Viele Patienten entwickeln durch die Fehlbehandlung am ganzen Körper zusätzlich einen starken Hautausschlag, und ihre Darmflora kann geschädigt werden. Letzte Gewissheit bringt nur ein Bluttest. Bei Patienten, die tatsächlich von der Kusskrankheit betroffen sind, lassen sich im Blut Antikörper gegen das EBV feststellen.

Wird nicht behandelt

Was aber ist die beste Therapie gegen Pfeiffersches Drüsenfieber? Die ernüchternde Antwort von Florian Thalhammer, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin: "Ursächlich lässt sich diese Krankheit bisher gar nicht behandeln." Gegen die Symptome empfiehlt er fiebersenkende und schmerzstillende Medikamente wie Ibuprofen oder andere nichtsteroidale Antirheumatika. Und vor allem: Ruhe und Schlaf. "Sind die Beschwerden stark, müssen sich die Patienten viel Zeit für die Erholung lassen und dürfen nicht sofort wieder mit einer normalen Leistungsfähigkeit rechnen", so Thalhammer. "Mit Geduld aussitzen" laute die Devise.

Verläuft die Krankheit besonders schwer, verschreiben manche Ärzte auch die Wirkstoffe Aciclovir oder Ganciclovir, die die Vermehrung des Virus unterdrücken. Thalhammer rät davon allerdings ab: "Bei Patienten mit gesundem Immunsystem sollten diese Wirkstoffe nicht eingesetzt werden. Denn sie haben keinen Einfluss auf den Schweregrad und Verlauf der Krankheit, können aber Nieren und Blutzellen schädigen."

Manche Wissenschaftler hoffen, die Krankheit eines Tages an der Wurzel packen zu können, und wollen ihre Hintergründe genauer verstehen. Lange war zum Beispiel ein Rätsel, weshalb Kinder auch bei einer EBV-Infektion fast nie an Pfeifferschem Drüsenfieber erkranken.

Junge Killerzellen

Nun haben Forscher der Universität Zürich durch Tierversuche eine mögliche Erklärung gefunden: "Junge natürliche Killerzellen, wie sie vor allem kleine Kinder gehäuft aufweisen, scheinen besonders geeignet zu sein, diejenigen Zellen abzutöten, in denen sich das EBV vermehrt", sagt der Immunologieprofessor Christian Münz, der die Experimente leitete. "Dadurch wird die Erstinfektion wahrscheinlich abgeschwächt, und das Pfeiffersche Drüsenfieber bricht nicht aus."

Fehle diese Immunabwehr jedoch, vermehre sich das Virus nach der Erstinfektion so stark, dass die infizierte Person erkranke. "Und da die Zahl der jungen natürlichen Killerzellen im Körper im Verlauf des Lebens sinkt, ist das Risiko, am Pfeifferschen Drüsenfieber zu erkranken, bereits ab dem Jugendalter deutlich höher als in der Kindheit", vermuten Münz und sein Team.

Bisher lassen sich solche Killerzellen nicht künstlich herstellen. Daher fahnden die Forscher nach alternativen Schutzschilden. Sie träumen davon, auf diese Weise eines Tages nicht nur den Ausbruch von Pfeifferschem Drüsenfieber zu verhindern, sondern auch das Risiko für all die schweren Krankheiten zu senken, bei deren Entstehung das Virus ebenfalls mitwirkt.

Bei den Feuchtblattern (Windpocken), die ebenfalls durch ein Herpesvirus ausgelöst werden, wurden Immunologen bereits fündig. Seit 1995 gibt es eine Schutzimpfung gegen dieses Leiden. Münz und sein Team testen nun Wirkstoffe, die vor den Gefahren durch das Epstein-Barr-Virus schützen könnten.

Impfstoff ist nicht gelungen

Doch beim EBV sind die Hürden höher. "Dieses Virus ist besonders gut an den Menschen angepasst", sagt Christian Münz. "Und es durchläuft in seinem Lebenszyklus unterschiedliche Phasen, die unterschiedliche Erkrankungen hervorrufen." Daher sei es besonders schwer, mit einem Impfstoff alle durch das EBV verursachten Krankheiten abzuwehren. Ob es gelingen wird, eine effiziente Schutzimpfung oder ein Medikamente gegen Pfeiffersches Drüsenfieber zu entwickeln, ist völlig offen.

Wer an Pfeifferschem Drüsenfieber erkrankt, sollte sich mehrere Wochen lang schonen, betonen die Mediziner Florian Thalhammer und Martin Narozny. Sie empfehlen, erst wieder zur Arbeit oder in die Schule zu gehen, wenn die Beschwerden und Schmerzen abgeklungen und Müdigkeit und Erschöpfung stark zurückgegangen sind.

Eine Infektion mit dem EBV kann auch eine Entzündung des Herzmuskelgewebes (Myokarditis) auslösen, sagt Thalhammer vom AKH Wien. "Deshalb sollte man während der Krankheitsphase sportliche Aktivitäten vermeiden." Bei guter Erholung, fieber- und symptomfreiem Allgemeinzustand sowie normalen Leberwerten dürfen Hobbysportler drei Wochen nach Krankheitsausbruch wieder mit leichtem Training beginnen, ergänzt der Zürcher Sportmediziner Martin Narozny. Insbesondere wer Kontaktsportarten wie Fußball, Eishockey oder Karate betreibe, solle vor dem Wiedereinstieg auch dringend mit Ultraschall abklären lassen, ob die Schwellung der Milz wieder abgeheilt ist. "Sonst kann es beim Training zu einem gefährlichen Milzriss kommen."

Generell mahnt Narozny zur Geduld. "Insgesamt muss mit einer vollständigen Rehabilitationsdauer von bis sechs Monaten gerechnet werden", sagt der Orthopäde und Sportmediziner. Man dürfe nichts forcieren. "Wer darauf nicht achtet, verlängert die Dauer der Krankheit häufig noch zusätzlich." (Till Hein, 18.8.2020)