Dass ihr Geburtstag an diesem Samstag mitten in die Ferienzeit fällt, diesmal zudem wegen Covid-19 nicht einmal die Glocken von Westminster Abbey läuten wie gewöhnlich – dieser Jubilarin wird es Recht sein. Noch nie hat Prinzessin Anne, die Princess Royal des britischen Königshauses, viel Aufsehens um sich gemacht, und wenig spricht dafür, dass sie zu Beginn ihres 71. Lebensjahres daran etwas ändern will.

Prinzessin Anne Elizabeth Alice Louise wurde am 15. August 1950 geboren.
Foto: Steve Parsons/Imago

Die einzige Tochter von Königin Elizabeth II kam knapp zwei Jahre nach Thronfolger Charles zur Welt. In dessen Schatten hat sie es sich Zeit ihres Lebens gut eingerichtet. Als unermüdliche Botschafterin von mehr als 200 größeren und kleineren Organisationen verkörpert Anne Elizabeth Alice Louise jene "Wohlfahrtsmonarchie", welche die Windsors seit mehr als 100 Jahren projizieren: Symbol der Nation nicht als glamouröse Celebrities, sondern stets im Einsatz für die unterschiedlichen Belange gesellschaftlicher Gruppen, nicht zuletzt der Benachteiligten und gern Übersehenen. Dazu gehört seit 50 Jahren die Kinderorganisation Save the Children. Regelmäßig führt sie die royale Rangliste offizieller Termine an.

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Geschwister Anne und Charles.
Foto: AP

Fast unvermeidlich hat der Jahrzehnte lange Dienst im Vorfeld des 70. Geburtstages zu Vergleichen geführt, die wenig schmeichelhaft ausfallen: zu ihrem jüngeren Bruder Andrew beispielsweise, dessen Freundschaft mit dem Sexualverbrecher Jeffrey Epstein ihm die Verbannung aus dem engsten Kreis der Royals beschert hat. Oder zur Herzogin von Sussex, deren "Megxit" von der britischen Öffentlichkeit je länger, desto kritischer gesehen wird. Ohne das mit einer Silbe anzusprechen – Journalisten sieht die Prinzessin wenn möglich noch kritischer als die US-Schauspielerin – wirkt Anne dieser Tage wie der Prototyp der Anti-Meghan.

Begeisterung für Reitsport

Dabei bot die draufgängerische junge Prinzessin durchaus eigene Schlagzeilen. Erin Doherty hat sie in "The Crown" sehr treffend verkörpert – frisch, voller Energie, stets einen flotten Spruch auf den Lippen, der lebendige Gegenentwurf zu ihrem grüblerischen Bruder Charles. Von der Mutter erbte sie die Begeisterung für den Reitsport, wurde im Vielseitigkeitswettbewerb immerhin Europameisterin. Ihren Vater Philip inspirierte die Leidenschaft der einzigen Tochter zu dem wunderbaren Satz: "Was nicht furzt oder Heu frisst, interessiert sie nicht."

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1963.
Foto: AP

Das war höchstens die halbe Wahrheit. Die Männerwelt erfreute sich durchaus des intensiven Interesses der jungen Frau, die 1973 den ebenso Pferde-begeisterten Hauptmann Mark Phillips heiratete. Dass die Eheleute einander keineswegs immer treu blieben, brachten in den 1980er Jahren Boulevard-Zeitungen ans Licht – gewiss einer der Gründe für Annes tiefes Misstrauen gegenüber der vierten Gewalt. Der Scheidung folgte 1992 bald darauf die zweite, bis heute stabile Ehe mit dem Marineoffizier Timothy Laurence.

Verzicht auf Titel

Früh und besser als anderen Mitgliedern der Familie gelang es Anne, die Funktion aus ihrem Privatleben herauszuhalten. Bußgelder wegen zu schnellen Fahrens akzeptierte sie ohne Murren. Vorbestraft ist "Mrs. Laurence", seit ihr Bullterrier 2002 im Windsor Great Park zwei Kinder anfiel. Ausdrücklich verzichtete sie für ihre Kinder, den heute 42-jährigen Peter und Zara, 39, auf den Titel als "Königliche Hoheit".

Gleichzeitig machte sie sich die frugalen Neigungen ihrer Eltern zueigen. Wie selbstverständlich erhielt Peter einen leicht umgenähten Kinderanzug seines dreizehn Jahre älteren Onkels Edward. Die Prinzessin selbst erschien 2008 zur Hochzeit einer Nichte im selben Kostüm, das sie 27 Jahre zuvor bei der Eheschließung ihres Bruders Charles mit Lady Diana Spencer getragen hatte.

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1973.
Foto: AP

Lange Jahre war Anne vor allem in Schottland präsent, im Sommer segelt sie gern mit Vizeadmiral Laurence durch die malerische Inselwelt der Inneren Hebriden und besichtigt Leuchttürme – mehr als die Hälfte der 206 Exemplare der britischen Inseln hat sie bereits in Augenschein genommen. Mit dem unermüdlichen Einsatz im Norden des Vereinigten Königreiches wird Anne ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass in den Unabhängigkeitsplänen der schottischen Nationalisten nie von einer Abschaffung der Monarchie die Rede ist.

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Anne und Tim Laurence im Jahr 2001.
Foto: AP/Dave Caulkin/File

Dabei bleibt die schlanke Dame mit dem immergleichen Dutt – eine seltene Zeugin beschreibt ihre Haare als "ebenso lang wie in ihren Zwanzigern" – der Inbegriff der englischen Landadeligen, beheimatet im Herrenhaus von Gatscombe Park in der westenglischen Grafschaft Gloucester. Dort läuft die Prinzessin herum, wie es sich in ihren Reiter-Kreisen gehört, nämlich in bequemer Hose, Barbour-Jacke, Tweed-Hütchen und Sonnenbrille – eine Alltagskluft, mit der sie schon mehrfach Polizeibeamte in tiefe Verlegenheit gebracht hat. Die wollten wissen, was denn die wenig glamouröse Frau auf dem weitläufigen Gut der Prinzessin zu suchen habe. "Macht ja nichts, konnten Sie ja nicht wissen", soll Anne die Beschämten getröstet haben. (Sebastian Borger aus London, 15.8.2020)