Am 29. August marschiert die Legion Aluhut erneut in Berlin. Eingeladen sind alle "Corona-Skeptiker, Freiheitsfreunde, Wahrheitskrieger". Die Kundgebung soll die "größte Demo der Geschichte" werden, im Zweifelfall runden die Veranstalter die Teilnehmerzahlen großzügig auf. Das Gemenge der Krieger ist facettenreich: Q-Anon-Verschwörungsplauderer, die darauf warten, dass Donald Trump die in finsteren Verliesen gefangen Kinder befreit, an deren Blut sich die Elite labt, Impfgegner, 5G-Apokalyptiker, Virusleugner, Bill Gates-Hasser und Schutzmasken-Phobiker, dazu mischen sich versprengte Staatsverweigerer, der rechtsextreme Saum der Neuen Rechten und natürlich all jene, die ein Ende des "Merkel-Regimes" erhoffen. Die Veranstalter bitten die Teilnehmer, keine "legalen oder illegalen Parteiembleme" zu zeigen. In Wien gibt es an diesem Tag eine Solidaritätsdemo zur Sause in Berlin. Die Embleme von FPÖ oder dem Team Strache sind bei der "Querdenker-Demo" nicht ausdrücklich verboten. Vertreter der beiden Parteien hatten zuletzt bei derartigen Veranstaltungen Gesichtsbäder genommen und kein Blatt vor dem Mund, wenngleich die Performance ausbaufähig war.

Antisemitismus ist der Kitt für das heterogene Gemenge

Antisemitismus ist in dieser Szene oftmals der gemeinsame Kitt, irgendwo wird immer ein Rothschild als Schuldiger ausgemacht. Wer, wie die jüdische Familie, angeblich 164 Nationalbanken rund um den Globus leitet, der kann uns natürlich befehlen, Masken aufzusetzen, um uns zu knechten, wie unlängst der Organisator der wöchentlichen Linzer Freakshow suggerierte. Die Linzer Szene organisiert auch einen Bus nach Berlin. Die Melange der Demosozene ist bizarr, Manfred Deix hätte seine Freude damit. 

Impffeindlicher Verein als einer der Veranstalter

Einer der Veranstalter der Demo in Wien ist der Verein Aegis. Der Verein radikaler Impfgegner wurde von dem im Jahr 2018 verstorbenen steirischen Arzt Johann Loibner gegründet. Seine Gattin Franziska führt seitdem die Agenda der Seuchenfreunde fort - unter anderem mit dem Einsatz für das Volksbegehen "Für Impf-Freiheit".   

Putin bringt Impfgegner in Verlegenheit 

Etwas zu rauchen begannen die Köpfe unter den impfkritischen Aluhüten unlängst, als just der russische Präsident Vladimir Putin mit der Ankündigung einer in Russland entwickelten Impfung vorpreschte. In der rechtsesoterischen Szene und unter Verschwörungsplauderern gilt Putin (ebenso wie Donald Trump) als "Guter" und Russland als gesundes, sauberes und unverdorbenes Gegenstück zum morbiden Moloch EU mit seinen degenerierten Völkern. Das Soziotop der Seuchenfreunde war zunächst über Putins Sputnik-Impfung irritiert, mittlerweile setzt man niedliche Narrative in die Welt. Ein Botschaft aus dem Umkreis der Q-Anon-Sektierer: Trump und Putin hätten den Spieß umgedreht und versorgen die Bevölkerung mit einer eigens für das Volk kreierten Impfung, "die auf Vitamin C und natürlicher Heilkunde" beruht und die dem Teufelszeug von Bill Gates und Co. damit das Wasser abgräbt.

Rechte Esoteriker: Die Impfung von Putin und Trump ist echt harmlos
Screenshot (c) Telegram

Weniger zum schmunzeln sind die Auftritte der Seuchfreunde bei den Corona-Demos: Man sah wiederholt Judensterne mit der Aufschrift "Ungeimpft" und geschmackvolle Memes mit einem stilisierten Tor des Konzentrationslagers Auschwitz. Die Wachen sind mit Spritzen "bewaffnet", der berüchtigte Spruch am gußeisernen Tor zum Vernichtungslager wurde geschmackbefreit abgewandelt: "Impfen macht frei". 

Grazer Ärztin agitiert gegen die Schutzmasken 

Die Grazer Uniklink-Ärztin Kontantina Rösch hatte sich im Juli mit Äußerungen zur Wirkungslosigkeit von Schutzmasken Ärger mit ihrem Arbeitgeber eingehandelt. Auf einer Kundgebung in Wien verkündete Rösch zudem, dass gesunde Menschen nicht Überträger einer akuten Atemwegserkrankung sein könnten. Die Uniklinik Graz sprach eine scharfe Verwarnung aus. Sonderlich beeindruckt hat Rösch das nicht. Bei einer Kundgebung in Graz Anfang August legt die Stationsärztin nach. In ihrer Rede agitiert sie munter: "Die Masken dienen der Demütigung, die Masken sind ein Symbol der Unterwerfung, des blinden Gehorsams! Lassen wir uns das gefallen?" Die Menge brüllt zurück: "Nein." Und wir sind gespannt, was sich die Uniklinik gefallen lässt. 

Blanko-Atteste und Widerstand gegen Rotes Kreuz

Ein Sprecher der Demo in Wien wird auch der Arzt Peer Eifler sein. Er sorgte im April mit der Ausstellung von Blanko-Attesten an zahlungswillige Maskenverweigerer für Aufsehen. Atteste gegen Masken gibt es auch von der Psychotherapeutin Merith Streicher. Sie stellt gegen einen Unkostenbeitrag von 20 Euro pro Person ein "Bildungwissenschaftliches Attest" aus: "Ich bestätige, dass das Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung (MNS), übersteuerte Abstandregel und übersteuerte Hygienevorschriften (...) nicht zumutbar sind." Das Angebot richtet sich an Kleinkinder, Schüler, Lehrer und Studenten. Das Attest ist ungefähr so ernst zu nehmen wie der Privatdetektivausweis des Yps-Magazins aus den 80er Jahren. Streicher - nach eigenen Angaben ist sie Privatdozentin - ist bei einer Corona-Kundgebung in Graz bereits als Rednerin aufgetreten, in Wien wird sie das Auditorium am 28. August mit einer Kampfansage aufrütteln: "Eltern stehen auf - Gegen Rotes Kreuz und Ärztekammer".  

Zahnarzt ist Bill Gates und dem Satan auf der Spur

Der Wiener Zahnarzt Jaroslav Belsky engagiert sich seit Beginn der Proteste in der Bewegung ICI ("Initiative für eine evidenzbasierte Corona Infomationen"). In seinem Youtube-Kanal setzt sich Belsky fast täglich mit Fragen auseinander, die den ob "Corona-Diktatur" und "Plandemie" verunsicherten Bürgern unter den Fingernägeln brennen: "Könnte es sein, dass Bill Gates einen Genozid veranstalten will?", "Durch Test oder Impfung - Chip in den Körper?". Belsky greift aber auch ganz heiße Eisen an. In einem Video-Talk unterhält sich der Arzt mit zwei Herren, die Experten in Sachen Satanismus sind. Die zeigen Beslky unter anderem die Pyramide auf den Dollar-Banknoten - eine Spur, die Luzifer hochmütig und doch unvorsichtig hinterlassen hat. Da war der Leibhaftige einfach ein wenig naiv mit der Platzierung seiner Sujets, denn den Aufgewachten entgeht so etwas nicht und die sitzen bei Belsky am Tisch. Der Zahnarzt fasst die Sache zusammen: "Da gibt es also wirklich Muster, die darauf hinweisen, dass hinter dem ganzen ein teuflischer Plan steckt, der von eine paar wenigen ausgeklügelt wird, die sich darüber freuen, dass sie die große Masse verarschen." Belsky bittet die an Satanismus interessierten Zuseher um Fragen und Anmerkungen unter dem Beitrag. Dort finden sich bislang knapp 500 Kommentare. Tipp der Stiftung Gurutest: Lesen Sie sich das nicht durch, wenn Sie sich den Glauben an die Vernunft Ihrer wahlberechtigten Mitmenschen bewahren wollen. (Christian Kreil, 25.8.2020)   

Jaroslav Belsky

In anderer Sache: Die Stiftung Gurutest sucht für das Buchprojekt "Fauler Zauber" (Arbeitstitel) Fallbeispiele für "alternativmedizinische" Fehlbehandlungen und zu deren Folgen: Fälle, in denen echte Therapien verzögert oder verweigert wurden zu Gunsten von Humbug und Scharlatanerie. Selbstverständlich können sich sowohl Informanten als auch Opfer auf 100-prozentige Diskretion verlassen.
Kontakt: gurutest@klartext-kreil.at

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