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Ewig anstellen und dann viel blechen: Der Grant über den Ölschock 1973 stand vielen Österreichern ins Gesicht geschrieben.

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Die Krise traf Österreich sowie die ganze Welt aus dem Nichts. Als Reaktion schließt die Regierung Schulen und schränkt die Fortbewegung der Bürger ein. Kommt einem irgendwie bekannt vor, doch spielte sich das vor knapp 50 Jahren ab, als sich durch den Ölschock 1973 das Lebenselixier der Wirtschaft empfindlich verteuerte. Obwohl die Corona-Krise ganz anderer Natur ist, gibt es Parallelen und Lehren aus der großen Wirtschaftskrise der 1970er-Jahre, die den Nachkriegsboom beendete.

Anlass war der vierte arabisch-israelische Krieg. Am 6. Oktober 1973 attackierten ägyptische und syrische Truppen Israel. Kurz darauf verhängte das arabische Ölkartell Opec ein Embargo gegen die USA und andere Länder, die Israel zur Seite standen. Der Ölpreis stieg daraufhin über zwei Jahre auf das Vierfache von drei auf fast zwölf US-Dollar pro Fass.

Prekäre Stagflation

Benzin und Heizöl wurden knapp, die Menschen standen ewig in der Schlange vor Tankstellen. Weltweit schlitterten Volkswirtschaften in die Rezession. Ein für Ökonomen damals neues Phänomen schmerzte die Bevölkerungen in Krisenländern besonders: Die sogenannte Stagflation bedeutete steigende Preise, bei gleichzeitig stagnierendem Wachstum und mehr Arbeitslosen.

Die österreichische Bundesregierung unter Kanzler Bruno Kreisky versuchte, den Ölverbrauch mit mehreren Maßnahmen einzuschränken: Schulen wurden 1974 vorübergehend geschlossen und die Energieferien eingeführt, die bis heute als Semesterferien bestehen. Über knapp fünf Wochen führte Wirtschaftsminister Josef Staribacher einen autofreien Tag ein, den sich die Lenker selbst aussuchen konnten und per Aufkleber am Wagen kundtaten. Dem Minister trug das den Spitznamen "Pickerl-Peppi" ein. Außerdem galt auf allen Straßen ein Tempolimit von 100 km/h.

Der Ölschock markiert den Wendepunkt im Verbrauch von Erdöl. Im Boom der Nachkriegsjahre verschlang die heimische Wirtschaft Jahr für Jahr mehr Erdöl. Seit 1973 steigt der Verbrauch nur noch langsam (siehe Grafik).

Rückkehr zur Normalität

Der Ölschock war zwar Auslöser, aber nicht Ursache der Krise. Vielmehr war dem großen Boom der Nachkriegszeit, als mit US-Hilfe Europa und Japan wiederaufgebaut wurden, die Puste ausgegangen. Die USA hatten vom Aufschwung profitiert, aber ihr Privileg, die Leitwährung zu drucken, auch für massive Ausgaben, wie den den Vietnamkrieg, ausgenutzt. Der starke Dollar wurde immer mehr zur Last.

Anfang der 1970er zogen die USA die Reißleine, indem sie ihr Versprechen aufgaben, den Dollar zu einem fixen Preis in Gold zu tauschen. Alle anderen westlichen Währungen, die an den Dollar geknüpft waren, verloren ihren Haltestrick.

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In Deutschland wurden nach der Ölkrise sonntägliche Fahrverbote verhängt eingeführt. Die Folge: Leere Straßen, wie man sie aus Corona-Zeiten kennt.
Foto: dpa / Ossinger

Die Folge beschreibt der deutsche Historiker Werner Plumpe so: "An die Stelle einer vermeintlich immerwährenden Prosperität trat die Wiederkehr der Konjunktur- und Krisenzyklen, ein Prozess, der bis heute anhält." Allerdings ist das der Normalzustand, betont Plumpe, die Nachkriegsjahre waren die historische Ausnahme.

Für die aktuelle Krise und Debatte rund um Corona-Bonds bieten die damaligen Zerwürfnisse ein Beispiel: Europa rückte in der Wirtschaftskrise näher zusammen. Innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft schnürten die Mitglieder Hilfspakete für einander. Ab 1975 nahm die Kommission sogar im Namen aller Kredite auf, die an Krisenstaaten weitergegeben wurden.

Bereits damals hafteten die Länder für einander. Allerdings war auch klar, dass die Kredite an Konditionen geknüpft waren. Wovon bei aller Solidarität nach der Ölkrise keine Rede war, sind große Zuschüsse. Hier betritt Europa in Corona-Zeiten Neuland. (Leopold Stefan, 17.8.2020)

Im nächsten Teil der Serie lesen Sie über das spektakuläre Platzen der Dotcom-Blase.