Pornhub, eine der populärsten Plattformen im Netz, steht in der Kritik.

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Pornhub steht seit Monaten in der Kritik: Mit der Kampagne #Traffickinghub fordert die pornografiekritische Aktivistin Laila Mickelwait die Schließung der Plattform. Im STANDARD-Interview erklärt sie die Hintergründe ihrer Bewegung und was aus ihrer Sicht getan werden kann, um Missbrauch in der Pornoindustrie entgegenzuwirken.

STANDARD: Was ist das Ziel der Kampagne #Traffickinghub?

Laila Mickelwait: Traffickinghub ist eine globale Bewegung, die Pornhub dafür verantwortlich machen will, dass sie die Massenvergewaltigung, den Menschenhandel, die Übergriffe und den Missbrauch von Frauen und Kindern ermöglicht und davon profitiert. Es gibt eine überwältigende Menge öffentlicher Beweise dafür, dass Kinder und Erwachsene auf Pornhub vergewaltigt und deren Verschleppung gezeigt wird. Und dass Pornhub diese Taten zu seinem eigenen Vorteil monetarisiert. Es macht sich damit Massensexualverbrechen mitschuldig und muss aus unserer Sicht zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Vorwürfe gegen Pornhub wiegen schwer.

STANDARD: Was sollte Ihrer Meinung nach getan werden, um diese Missstände zu ändern?

Mickelwait: Erstens müssen Pornhub und seine Muttergesellschaft Mindgeek sowie die dahinter stehenden Führungskräfte Feras Antoon und David Tasillo für die Massenvergewaltigungen und den Menschenhandel, die sie ermöglicht und von denen sie profitiert haben, strafrechtlich und zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Das bedeutet, Pornhub wegen Beihilfe zum Menschenhandel zu schließen und seine Führungskräfte zur Rechenschaft zu ziehen. Wir wünschen uns auch, dass die Art und Weise reformiert wird, wie die Pornoindustrie funktioniert, indem Gesetze erlassen werden. Dafür fordern wir eine unabhängige Überprüfung des Alters durch Dritte und eine verpflichtende Einwilligung für jede Person, die in jedem Pornovideo auf jeder Pornoseite zu sehen ist. Das soll dazu beizutragen, dass diese Missbräuche nicht länger so fortgesetzt werden können.

STANDARD: Sehen Sie das Problem des Menschenhandels im Allgemeinen bei den Plattformen, die Pornos anbieten, oder auch in der Pornobranche insgesamt und in den Studios, die Inhalte produzieren?

Mickelwait: In den Medien gab es in letzter Zeit mehrere Berichte zu Pornostudios, die Partnerkanäle auf Pornhub sind und Frauenhandel und Vergewaltigung betrieben haben. Zum Beispiel waren die beiden Studios "Girls Do Porn" und "Czech Casting" viele Jahre lang sehr beliebte Partnerkanäle auf Pornhub und wurden später des Sexhandels überführt. Die Firma Czech Casting hatte fast eine Milliarde Aufrufe auf Pornhub, und Girls Do Porn hatte viele Hunderte Millionen Aufrufe. Pornhub profitierte also von diesen Sexhandel-Ringen, und im Fall von Girls Do Porn gibt es Beweise dafür, dass Pornhub dies wissentlich tat.

STANDARD: In den letzten Monaten gab es Kritik von zuvor erfolgreichen Pornodarstellerinnen wie Jenna Jameson und Mia Khalifa. Was läuft Ihrer Meinung nach in der Branche schief?

Mickelwait: Jenna Jameson hat die Traffickinghub-Bewegung sehr lautstark unterstützt, und sie gilt als "der berühmteste Pornostar aller Zeiten". Sie kennt die Branche in- und auswendig, und sie weiß, dass die Muttergesellschaft von Pornhub, Mindgeek, die eine Monopolstellung in der gesamten Pornoindustrie innehat, an den genannten Vorwürfen beteiligt ist. Mia Khalifa hat auch Unterstützung für die Traffickinghub-Bewegung gezeigt und sich kürzlich zu den Nötigungen und der Ausbeutung geäußert, denen sie während ihrer sehr kurzen Zeit in der Branche ausgesetzt war.

STANDARD: Nun hat es auch in der Vergangenheit Kritik an der Behandlung von Frauen gegeben, aber im Allgemeinen scheint sie nach einem gewissen Medienecho nachzulassen. Warum hat die Pornoindustrie ihren #MeToo-Moment noch nicht gehabt?

Mickelwait: Es tut sich schon etwas: Wir sehen mehr und mehr, dass zügellose Vergewaltigungen, Menschenhandel, der Missbrauch und die Übergriffe in der Pornoindustrie aufgedeckt werden, wobei Pornhub der größte Übeltäter von allen ist. Die Traffickinghub-Petition zur Schließung von Pornhub hat fast zwei Millionen Unterschriften aus 192 Ländern. Wir haben über 300 Organisationen, die die Traffickinghub-Kampagne unterstützt haben. Und Menschen aus allen Bereichen schließen sich zusammen, weil sich alle einig sind, dass Frauen und Kinder auf der größten und beliebtesten Pornoseite der Welt nicht vergewaltigt und nicht zu Profitzwecken gehandelt werden dürfen. Die Opfer sexueller Ausbeutung auf Pornhub melden sich fast täglich. Eines ist sicher: Die Betroffenen werden nicht schweigen, bis sie Gerechtigkeit erfahren.

STANDARD: Wie "repariert" man nun die Pornobranche?

Mickelwait: Wir beginnen damit, dass wir sicherstellen, dass Mindgeek nicht weiterhin von Videos von echten Straftaten profitieren kann, in denen Kinder vergewaltigt und Frauen zum Profit von Pornhub und zum Vergnügen seiner Nutzer gefoltert und angegriffen werden. Das bedeutet, dass Pornhub für das, was es getan hat, zur Rechenschaft gezogen werden muss und dass dann Präventivmaßnahmen wie die vorhin genannte obligatorische Überprüfung des Alters und der Einwilligung für jede Person in jedem Pornovideo auf jeder Pornoseite durch unabhängige Dritte eingeführt werden müssen. Die Schließung von Pornhub und die anschließende Verabschiedung von Präventivgesetzen in Ländern, die den Betrieb dieser Seiten erlauben, werden die Art und Weise, wie die Industrie arbeitet, revolutionieren und einen großen Schritt bedeuten, um zu verhindern, dass diese Art der Ausbeutung weiter fortgeführt wird.

STANDARD: Nun ist Pornhub nicht die einzige Pornoseite, die problematische Inhalte online stehen lässt. Warum glauben Sie, dass die Abschaltung der Plattform im Besonderen helfen würde?

Mickelwait: Pornhub ist die größte und beliebteste Pornoseite, und wir haben wichtige Beweise in der Hand, dass sie an diesen Missetaten beteiligt ist. Wenn wir die Größten und Mächtigsten der Branche zur Rechenschaft ziehen, schaffen wir einen wichtigen Präzedenzfall, dass Ausbeutung nicht toleriert wird. (Muzayen Al-Youssef, 30.8.2020)