Da waren’s nur noch drei: Den Killers rennen zwar die Bandmitglieder davon, nicht aber die Fans. Auch in Schmalspurbesetzung klingt ihr neues Album genauso wie immer.

Foto: Olivia Bee

Nächstes Jahr feiern The Killers aus Las Vegas ihr 20-Jahr-Bandjubiläum. Im November 2001 gelangen Sänger Brandon Flowers und dem Gitarristen Dave Keuning mit Mr. Brightside das, worauf alle Bands insgeheim hoffen: Superhit, von null auf 100.

Bereits 2017 trat Keuning seinen stillen Rückzug aus der Band an und arbeitete auch am neuen, sechsten Studioalbum Imploding the Mirage nicht mit. Bassist Mark Stoermer hat es aufgrund eines pyrotechnischen Zwischenfalls mittlerweile ein bisserl mit den Ohren und dürfte sich beim Entstehungsprozess des neuen Albums auch nobel zurückgehalten haben. Eine gewisse Altersmüdigkeit ist also nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn sogar die Hälfte der Killers nicht mehr so wirklich Lust auf die Killers hat.

Von den Hymnen zehren

Anmerken würde man das dem neuen Werk allerdings nicht, denn es klingt ganz genauso wie jedes Killers-Album bisher. Gut, dass heutzutage alles wahnsinnig gut dokumentiert ist, sonst hätten es die Musikwissenschafter der Zukunft nicht gerade leicht, diesen wohligen Gleichklang ex post zu datieren.

The Killers haben selten eine schlechte Nummer geschrieben, die noch immer ansehnliche Karriere der Band, die bisher 28 Millionen Alben verkauft und zahlreiche Stadien bespielt hat, zehrt von den paar richtig guten: Mr. Brightside, Human, All These Things That I’ve Done, Somebody Told Me und dem ausgezeichneten When You Were Young.

Die Mischung aus Gitarren und Synths und das immer leicht gequält vorgetragene Herzeleid Flowers’ machte The Killers für viele zugänglich, denen Heartland-Rock in Reinform zu rustikal gewesen wäre.

Gefangen in Nostalgie

Die ein, zwei Hymnen auf jedem Album, die dann auch wirklich jeder auswendig kann, machen den Erfolg der Band hauptsächlich aus. Das und die Zeitlosigkeit der Nostalgie, die sie von jeher beschwört. Die Momente und Orte, an und in die sich die Killers zurücksehnen, liegen immer in einem imaginierten, vergangenen Amerika, voller karger Steppen, endloser Highways, großer Gesten und Frauengeschichten. Lana Del Rey lässt grüßen. Allerdings reizt die Musikerin das Narrativ vom amerikanischen Alb(traum) auch einmal aus und bricht es.

TheKillersVEVO

Die Killers nicht so: Textstellen wie "Her Momma was a dancer, and that’s all that she knew / ’Cause when you live in the desert it’s what pretty girls do" aus Caution bedeuten vor allem nichts. Trotzdem kennt man die Codes, man weiß, wo man zu Hause ist. Dann schlängelt sich noch ganz leise eine Mundharmonika ins Lied, die Western-Gitarren tut ihr Übriges, und schon hat man es sich in einem Topos gemütlich gemacht, der kein Update braucht. Funktioniert seit 20 Jahren, wird auch noch die nächsten 20 funktionieren, theoretisch.

In einem Youtube-Kommentar zu einer der neuen Singles schreibt ein begeisterter Hörer, dass die Nummer so toll sei, weil sie klingt, als hätte man sie bereits gehört. Q. e. d.

Klar, die Killers sind älter geworden. Auf When The Dreams Run Dry fragt sich Flowers, wie viel Zeit einem wohl noch bleibt. Das hat dann schon mehr Gravitas als die Eifersüchteleien eines Mr. Brightside, aber halt auch weniger Feuer und Dringlichkeit.

TheKillersVEVO

Nicht totzukriegen

Produziert und getextet ist das alles freilich sauber und solid. Fire in Bone, ein hübscher Ausreißer nach oben, lässt sich auf einen kurzen musikalischen Flirt mit den Talking Heads oder einer Kate Bush ein. Hymnen in Form von Caution und Running Towards a Place hat’s natürlich auch.

Kürzlich krachte dann doch die echte Welt ins Killers-Universum. Ein #MeToo-Skandal, der sich nach einem Killers-Konzert ereignet haben soll und einige Männer der Tour-Crew, aber nicht die Band selbst betraf, ging durch die Medien. Die Band versprach, die Ereignisse aufzuarbeiten. Wenn das nicht noch ein Nachspiel hat, bei dem auch die Band mit einer Damnatio memoriae belegt wird, sind diese Killers wohl nicht totzukriegen. (Amira Ben Saoud, 18.8.2020)