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St. Johann im Pongau/Wien – Die EU wird nicht am strengen Schutz der Wölfe rütteln. Das stellte Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius in einer aktuellen Anfragebeantwortung klar. Mehrere österreichische EU-Abgeordnete hatten sich erkundigt, ob wolfsfreie Zonen im Alpenraum möglich seien oder an eine Aufweichung des Schutzes gedacht werde. Beides verneinte der litauische Kommissar.

Regionale wolfsfreie Zonen seien nach EU-Recht gleich aus mehreren Gründen nicht möglich, wird Sinkevičius am Dienstag in Berichten der "Salzburger Nachrichten" und der "Tiroler Tageszeitung" zitiert: Zum einen gebe es Möglichkeiten zum Herdenschutz und zu finanziellen Entschädigungen. Des Weiteren könnten sich solche Zonen negativ auf den Erhaltungszustand der Art auswirken. Jeder Abschuss eines "Problemwolfes" müsse im Einzelfall geprüft werden.

Platter forderte Aufweichung des Schutzes

Genau das ist aktuell im Salzburger Pongau der Fall: Die Bezirkshauptmannschaft St. Johann genehmigte heuer im Juni die "Entnahme" jenes Wolfes, der im Vorjahr zumindest 24 Schafe im Großarltal gerissen hatte. Naturschützer haben aber Beschwerde dagegen erhoben, die Sache liegt nun beim Landesverwaltungsgericht.

Nach mehreren Schafsrissen in den vergangenen Wochen und Monaten in Tirol hat zuletzt auch Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) am Montag eine Senkung des Schutzstatus auf EU-Ebene gefordert. "Die Zeit der Wolfsromantik muss vorbei sein", betonte Platter. Allein im heurigen Jahr sei von beinahe 90 Wolfsrissen auszugehen. Zum Vergleich: In Tirol wurden 2019 68.000 Schafe auf Almen getrieben. Der jährliche Verlust durch Krankheit, Absturz, Blitzschlag und andere Gefahren liegt nach vorsichtigen Schätzungen bei rund 5.000 Stück Vieh.

WWF fordert mehr Unterstützung für Bauern

"Ich habe vollstes Verständnis für die Sorgen der heimischen Bäuerinnen und Bauern und bin der Meinung, dass der Wolf bei uns keinen Platz hat", sagte der Landeshauptmann. Gerade in Tirol, wo es eine Kombination aus beengtem Siedlungsraum, kleinstrukturierter Berglandwirtschaft, Almwirtschaft und Tourismus gebe, funktioniere ein Miteinander von Mensch, Nutztier und Wolf nicht.

Der WWF forderte als Reaktion auf die Aussagen des EU-Umweltkommissars eine bessere Unterstützung der Almbauern beim Herdenschutz. Den Umweltschützern zufolge braucht es eine Wiederbelebung des Hirtenwesens, die Ausbildung von Herdenschutzhunden, bessere Entschädigungen für betroffene Halter von Nutztieren und eine ausgewogene Information. "Wem die berechtigten Sorgen der Almwirtschaft ein Anliegen sind, blendet Bäuerinnen und Bauern nicht mit unrealistischen Forderungen", so WWF-Artenschutzexperte Arno Aschauer.

30 bis 35 Wölfe in Österreich

EU-Umweltkommissar Sinkevičius betonte, dass der Abschuss eines "Problemwolfes" den günstigen Erhaltungszustand der Art nicht gefährden dürfe. Dieser werde auf der Ebene der einzelnen biogeografischen Regionen innerhalb eines Mitgliedsstaats bewertet, wobei die Kommission diesen Erhaltungszustand in Österreich erst vor einem Jahr als "ungünstig/schlecht" bewertet habe.

Die Kommission erarbeite derzeit Richtlinien, mit denen die "Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen" (die "Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie" oder kurz FFH-Richtlinie) klarer ausgelegt und leichter angewandt werden können, so Sinkevičius. Eine der Bestimmungen listet auf, wann einzelne Wölfe getötet werden dürfen.

In Österreich gibt es derzeit drei Wolfsrudel – alle in Niederösterreich. Dazu kommen Sichtungen von 14 Einzelwölfen, womit insgesamt 30 bis 35 der Tiere hierzulande leben. Diese rissen im Vorjahr 103 Schafe. (APA, red, 18.8.2020)