Die Caritas Libanon hilft mit, um Beirut wiederaufzubauen.

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Viele Häuser wurden bei der Explosion zerstört. Wegen der steigenden Zahl an Corona-Infektionen droht nun ein Lockdown.

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Beirut – Zwei Wochen nach der verheerenden Explosion in Beirut befinden sich die Hilfsorganisationen im Dauereinsatz. "Wir sind immer noch unter Schock. Die Zerstörung ist schlimm", sagt Rita Rhayem, Direktorin der Caritas Libanon. "Viele Menschen haben einfach alles verloren." Nicht nur ihre Häuser und Autos, sondern auch ihre Angehörigen oder Freunde. 300.000 Menschen wurden durch die heftige Explosion im Hafen auf einen Schlag obdachlos. Mehr als 170 Menschen sind gestorben, 6.000 Menschen wurden verletzt, viele werden noch immer vermisst.

Die Bewohner von Beirut sind mit dem Wiederaufbau beschäftigt. "Es ist dieser Kontrast: die komplett zerstörten Häuser, aber die Menschen in den Straßen helfen und sind voller Hoffnung", sagt Rhayem. Aus dem ganzen Libanon seien Freiwillige nach Beirut gekommen, um bei den Aufräumarbeiten zu helfen. "Das ist der Libanon – nicht der Libanon der politischen und wirtschaftlichen Krise, sondern die Menschen, die wiederaufbauen wollen", sagt die Caritas-Direktorin.

Viele Freiwillige im Einsatz

"Die Straßen sind gesäumt von Zelten von Hilfsorganisationen und vielen kleinen Initiativen und Freiwilligen", sagt Judith Hameseder, die Delegierte der Caritas Österreich für den Nahen Osten. Sie ist seit einer Woche in Beirut und konnte sich ein Bild von der Zerstörung machen. Durch die vielen privaten Initiativen sei die humanitäre Situation vor Ort anfänglich etwas unkoordiniert gewesen. Die Caritas Libanon habe dann die Koordination übernommen, sagt Hameseder. Neben der Soforthilfe gehe es nun darum, die Menschen, die ihre Häuser verloren haben, aus den Notunterkünften in dauerhaften Wohnungen und Häusern unterzubringen.

Bei der Explosion wurden auch vier Krankenhäuser zerstört, die verbliebenen waren bereits zuvor Corona-bedingt überlastet. Die Infektionszahlen im Libanon steigen wieder. Am Montag meldeten die Behörden 456 Neuinfektionen, am Dienstag schon mehr als 600. Ein zweiter Lockdown steht bereits im Raum, was Rita Rhayem weitere Sorgen bereitet – denn viele Menschen könnten sich nur als Tagelöhner über Wasser halten und hätten auch kein Geld für Masken.

"Libanon braucht Hilfe mit langem Atem"

"Wir müssen vor Ort sein und bleiben. Der Libanon braucht Hilfe mit langem Atem", sagt Caritas-Präsident Michael Landau. Seit 25 Jahren ist die Caritas im Libanon aktiv und unterstützt nachhaltige Projekte für Kinder und Frauen. Landau bewundert das starke Engagement und den Einsatz der Zivilgesellschaft vor Ort. Das Bild eines Mannes im Rollstuhl, wie er mit einem Besen die von Schutt überhäuften Straßen ausgeräumt hat, habe ihn sehr berührt.

"Schon vor der Explosion befand sich der Libanon in einer unstabilen Lage", sagt der Caritas-Generalsekretär für internationale Programme, Andreas Knapp. Das Land kämpfe besonders mit den Auswirkungen der Corona-Krise, gleichzeitige stecke es in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit dem Bürgerkrieg. "Die Inflation ist nach oben geschossen, die Preise schnallten massiv in die Höhe", sagt Knapp. Bereits vor der Explosion waren mehr als 45 Prozent der Libanesen unter der Armutsgrenze, die Arbeitslosigkeit lag bei 35 Prozent.

Nachholbedarf bei der humanitären Hilfe

Österreich hinke bei den Ausgaben für die humanitäre Hilfe nach und habe massiven Nachholbedarf, sagt Knapp. Österreich gebe 4,1 Euro pro Kopf aus, in Deutschland seien es 27,3 Euro, und Dänemark sei mit 66 Euro pro Kopf Spitzenreiter. Schon in den vergangenen Jahren habe die Caritas auf diese dramatische Schieflage hingewiesen. Knapp fordert, der Auslandskatastrophenfonds sollte auf 60 Millionen Euro erhöht werden. Derzeit ist der Fonds mit 25 Millionen Euro pro Jahr dotiert.

Die Bilder aus Beirut seien eine zusätzliche Erinnerung und Aufforderung. Es brauche nicht nur Mittel für die unmittelbare Katastrophenhilfe, sondern auch Vorsorge für den Wiederaufbau, betont der Generalsekretär für internationale Programme. "Wir helfen Menschen in Not handfest, konkret und nachhaltig", sagt Michael Landau. "Jeder Euro zählt und hilft in der aktuellen Situation, Leben zu retten. Gemeinsam können wir dazu beitragen, den Menschen in diesen schweren Stunden beizustehen und eine Perspektive zu geben." (Stefanie Ruep, 18.8.2020)