Düstere Aussichten im Pensionssystem: Auf den Staat rollen massive Mehrkosten zu.

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Nicht nur in den Krankenkassen kündigt sich ein massives Finanzloch an: Laut einer Prognose des Dachverbandes der Sozialversicherungen, die dem STANDARD vorliegt, drohen die staatlichen Kosten für die Pensionen in den kommenden Jahre rasant emporzuschnellen. Demnach soll jener Beitrag, den der Bund den Pensionsversicherungen zur Finanzierung der Altersleistungen zuschießt, um 1,58 Milliarden Euro von 6,87 Milliarden im Vorjahr auf heuer 8,45 Milliarden Euro steigen.

Bis 2024 könnte diese sogenannte Ausfallhaftung laut Prognose sogar auf 11,65 Milliarden anschwellen. Um die Dimensionen einzuschätzen, ein Vergleich: Die 4,78 Milliarden, um die der Beitrag binnen fünf Jahren anzusteigen droht, entsprechen annähernd jener Summe, die der Bund derzeit insgesamt für Wissenschaft und Forschung ausgibt.

Wirtschaftswachstum bleibt weit zurück

Das vorausgesagte Kostenplus wäre, sollte es in dieser Dramatik tatsächlich eintreten, beispiellos. In den fünf Jahren nach Ausbruch der Finanzkrise 2008 betrug der Anstieg der Ausgaben "nur" 50 Prozent, nun macht dieser mehr als zwei Drittel aus. Das Wirtschaftswachstum bleibt da naturgemäß weit zurück. Laut der Prognose des Instituts für Höhere Studien (IHS) wird das Bruttoinlandsprodukt im selben Zeitraum nur um knapp vier Prozent gewachsen sein.

Dabei muss man wissen: Der Staat gewährt die Ausfallhaftung, weil die Einnahmen aus den Versicherungsbeiträgen der Werktätigen nicht reichen, um die garantierten Pensionsleistungen zu bezahlen – doch damit allein ist es nicht getan. Dazu gesellen sich noch die Kosten für die Ausgleichszulage, eine Art Mindestpension, und andere Ausgaben, weshalb der Bund im Vorjahr nicht nur die 6,87 Milliarden für die Haftung, sondern insgesamt 9,97 Milliarden aus Steuergeld in die gesetzliche Pensionsversicherung gebuttert hat. Die Altersversorgung der Beamten kostet dann noch einmal etwa genauso viel.

Das Virus ist nicht allein schuld

Ein Grund für die düsteren Aussichten liegt auf der Hand. Weil die Arbeitslosigkeit infolge des Corona-Lockdowns massiv gestiegen ist, brachen Versicherungsbeiträge vormals Beschäftigter weg. Die Pensionsversicherungen rechnen zwar nach wie vor mit einem Einnahmenplus, doch das soll statt der ursprünglich veranschlagten 2,9 Prozent nur 1,1 Prozent betragen. Im Februar ging man noch davon aus, dass die Ausfallshaftung heuer bei rund acht Milliarden liegen wird, der Corona-bedingte Anstieg macht also gut 400 Millionen aus. Für 2021 gerechnet beträgt der Unterschied zwischen den Prognosen vor und nach dem Lockdown rund 600 Millionen, für das Jahr 2024 aber nur mehr knapp 200 Millionen.

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Die Zahlen zeigen somit auch: Das Virus ist nicht allein schuld. "Bereits im Vorjahr, noch lange vor der Pandemie, war klar, dass die Ausgaben des Bundes für die Pensionen in den kommenden Jahren stark steigen werden", sagt Walter Pöltner, Chef der Pensionskommission, die über die Stabilität des Systems wacht. Dafür sind zuallererst zwei demografische Effekte verantwortlich: Zum einen steigt die Lebenserwartung rapide, zum anderen kommen geburtenstarke Jahrgänge – die so genannte Babyboomer-Generation – allmählich ins Pensionsalter. Laut Statistik Austria wird die Bevölkerung über 65 Jahren bis 2060 um mehr als eine Million auf 2,76 Millionen anwachsen.

Hausgemachte Kosten

Doch Pöltner nennt auch hausgemachte Kostentreiber. Vor der Nationalratswahl im Vorjahr passierten Goodies für Senioren das Parlament: Die alljährliche Pensionsanpassung ging deutlich über die Inflationsrate hinaus, außerdem müssen Neo-Ruheständler künftig nicht mehr mindestens ein Jahr warten, bis sie erstmals die Teuerung abgegolten bekommen. Dazu kommt eine Neuauflage der "Hacklerregelung", die nach 45 Arbeitsjahren eine Frühpension mit 62 Jahren ohne Abschläge erlaubt. All das summiert sich laut Experten auf hunderte Millionen. Die Politik habe gewusst, dass Mehrkosten auf sie zurollen, sagt Pöltner: "Umso mehr haben mich die Beschlüsse geärgert." (Gerald John, 18.8.2020)