Der Markt, so lernt es jeder Studierende der Wirtschaftswissenschaften, ist das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage. So weit die Theorie. In der Praxis ist der Zutritt in Märkte von diversen Hürden gesäumt. Das gilt insbesondere für junge, kleine Unternehmen. Sie müssen Partner finden, ihr Produkt sichtbar platzieren und sich eine Reputation erarbeiten. Unterstützung dabei bieten Business-Plattformen – virtuelle Netzwerke, in denen Unternehmen potenzielle Kunden und Lieferanten kontaktieren und Geschäfte anbahnen oder sogar zum Abschluss bringen können.

H2020 NIMBLE Project

Im EU-Projekt Nimble (Collaboration Network for Industry, Manufacturing, Business and Logistics in Europe) hat das Forschungszentrum Salzburg Research als Konsortialführer eine Software für den Aufbau solcher Plattformen mitentwickelt. Seit kurzem steht die Open-Source-Lösung als kostenfreier Download zur Verfügung. Das acht Millionen Euro schwere Projekt wurde im Rahmen der Forschungsinitiative "Factories of the Future" von der Europäischen Kommission gefördert.

"Unser Ziel war es nicht, ein neues Amazon aufzuziehen, das wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen", schränkt der Projektleiter Wernher Behrendt von Salzburg Research ein. Die Plattformen, die mit Nimble gebaut werden können, zielen vielmehr auf reine B2B-Deals, also Unternehmen, die mit anderen Unternehmen geschäftlich interagieren. Auch der Anwendungsbereich ist nicht global konzipiert, sondern für einzelne industrielle Sektoren bzw. geografische Regionen optimiert.

Möbelhersteller kooperiert

Angesprochen werden Organisationen, die selbst eine Plattform aufbauen wollen. Ein Beispiel dafür ist die Kooperation des spanischen Möbelherstellers Micuna mit dem Technologieinstitut Aidimme und der spanischen Standesvertretung der Holz- und Möbelindustrie Fevama. Sie haben basierend auf Nimble eine Plattform entwickelt, die bereits rund 250 Unternehmen nutzen.

Business-Plattformen erlauben es also den teilnehmenden Unternehmen, einfach in Kontakt mit anderen Firmen zu treten. Sucht beispielsweise ein Möbelbauer nach einem Sägewerk, wird er hier fündig – vorausgesetzt, hinreichend viele Teilnehmer nutzen die Plattform. Umgekehrt kann sich das Sägewerk nach neuen Abnehmern umsehen. Und weil Rohstoffe oder Waren transportiert werden müssen, finden sich typischerweise auch Logistikanbieter auf den Plattformen. So lassen sich komplette Lieferketten aufbauen.

"Im B2B-Bereich kauft man normalerweise nicht von der Stange", erklärt Behrendt die Hintergründe. "Kunden wollen meist bestimmte Varianten eines Katalogprodukts, es müssen Anpassungen vereinbart werden. Diese Art von Verhandlung kann man auf der Plattform durchführen. Gleichzeitig dokumentiert sie mit, was verhandelt wurde und welche Übereinkünfte man getroffen hat." Am Ende erhalten die Geschäftspartner eine automatisch generierte PDF-Datei, welche die Geschäftsbedingungen sowie die ausverhandelten Produkte samt Preisen enthält.

Firmenleitung registriert sich

Um eine Nimble-Plattform nutzen zu können, muss man sich zuerst als Einzelperson registrieren. Typischerweise wird das die Firmenleitung tun. Diese kann dann in einem weiteren Schritt ihr Unternehmen registrieren. Nach einer Überprüfung durch den Plattformbetreiber, ob es das Unternehmen auch wirklich gibt, kann der Nutzer weitere Mitarbeiter zum Netzwerk einladen und ihnen bestimmte Rollen zuweisen. Beispielsweise Einkauf, Verkauf, Marketing und so weiter.

Je nach Rolle lassen sich außerdem Funktionen freischalten oder sperren. "Das liegt im Ermessen des Firmeninhabers", sagt Behrendt. Um von anderen Plattformnutzern gefunden zu werden, ist es sinnvoll, seinen Produktkatalog hochzuladen. Das kann entweder produktweise erfolgen oder in Form eines kompletten Produktkatalogs. Die einzelnen Produkte und Produkttypen werden dabei nach dem eCl@ss-Standard für Stammdaten beschlagwortet. So sind sie für andere leicht auffindbar.

Ein zentrales Anliegen der Nimble-Entwickler ist: Mit der Software sollen keine Monopole geschaffen werden, sondern in Größe und Reichweite begrenzte Plattformen, die nebeneinander koexistieren können. Die Plattform-Software ist kostenfrei über den Dienst Github erhältlich. Sie ist nach dem industriefreundlichen Apache-Lizenzmodell lizenziert, das es Nutzern erlaubt, die Software beliebig zu modifizieren und weiterzugeben. (Raimund Lang, 22.8.2020)