Es gab nur wenig Pendler- und Flugverkehr, viele Fabriken standen still. Die Covid-19-Krise und der damit verbundene Lockdown haben den ökologischen Fußabdruck der Menschheit schrumpfen lassen – um 9,3 Prozent, so das Global-Footprint-Netzwerk, eine internationale Initiative, die jedes Jahr gemeinsam mit der kanadischen York-Universität den Earth Overshoot Day berechnet. 2020 fällt dieses symbolische Datum auf den 22. August. Das ist mehr als drei Wochen später als 2019.

Zunehmender Flächenverbrauch erhöht den ökologischen Fußabdruck des Menschen.
Foto: APA/WWF/MARK EDWARDS

Vergangenes Jahr war der Welterschöpfungstag bereits am 29. Juli erreicht. Von Nachhaltigkeit ist man aber auch heuer noch weit entfernt. Mit Samstag hat die Weltbevölkerung die natürlichen Ressourcen aufgebraucht, die sich innerhalb eines Jahres regenerieren könnten. Danach läuft alles auf ein ökologisches Schuldenkonto. Laut Berechnungen gerade so, als könnten wir 1,6 Erden nutzen.

Umfassende Bilanzierungsmetrik

Um das Overshoot-Datum festzulegen, stellen Wissenschafter jedes Jahr Angebot und Verbrauch von erneuerbaren Ressourcen gegenüber. Dazu gibt es pro Land 15.000 Datenpunkte – großteils aus UN-Statistiken. Auf der Angebotsseite steht etwa, wie schnell Wälder nachwachsen, wie viel Ernte ein Feld abwirft und wie viele Fische in einem See schwimmen.

Die Nachfrageseite ergibt sich durch Nahrungsmittel, Faser- und Energieverbrauch sowie durch die Flächen, die für Straßen und Häuser verbaut werden. Die Methode sei die bisher umfassendste Bilanzierungsmetrik für biologische Ressourcen und funktioniere ähnlich wie die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts, sagt Mathis Wackernagel, Gründer des Global-Footprint-Netzwerks. Nur dass es eben um die Regeneration des Planeten geht. "Wir überziehen das Budget und machen jedes Jahr höhere ökologische Schulden", sagt Wackernagel.

Ziel ist Kommunikation

Er startete das Global- Footprint-Netzwerk im Jahr 2003, 2006 wurde dann zum ersten Mal der Erschöpfungstag errechnet. Das Ziel der Initiative ist vor allem die Kommunikation des Ressourcenproblems. Seit damals ist der Overshoot Day jedes Jahr ein gutes Stück näher in Richtung Jahresmitte gerückt – immer schneller wurden die natürlichen Kapazitäten verbraucht. Für die Zeit vor dem Start im Jahr 2006 wurden retrospektive Berechnungen durchgeführt.

So fiel das Datum im Jahr 2000 noch auf Ende September. Dass der Tag in diesem Jahr zum ersten Mal später liegt als im vorherigen, ist ein Novum. Ein Grund zur Freude sei dieser Rückgang wegen der Krise dennoch keiner, so Wackernagel: "Wir wollen Veränderungen per Design, und nicht solche, die uns per Desaster aufgezwungen sind." Denn die diesjährige Verschiebung bringe kaum eine langfristige Verbesserung im Ressourcenverbrauch.

Vergangenes Jahr war der Welterschöpfungstag bereits am 29. Juli erreicht. Von Nachhaltigkeit ist man aber auch heuer noch weit entfernt.
Grafik: Der Standard / Global Footprint Network

Als reiches Land, das viel konsumiert, schneidet Österreich im internationalen Vergleich besonders schlecht ab. Ohne die Covid-19-Krise wäre der österreichische Overshoot- Day bereits auf den 8. April gefallen. Im EU-Durchschnitt lag das Datum 2019 mit dem 10. Mai deutlich später. Da die Covid-19-Pandemie die Berechnung des Earth Overshoot Day 2020 verkompliziert hat, gibt es weder für Österreich noch für den EU-Durchschnitt vor Jahresende ein genaues Datum. Wie genau sich die Krise auf den ökologischen Fußabdruck auswirkt, werde sich erst im kommenden Jahr zeigen, sagt Wolfgang Pekny, Leiter des österreichischen Footprint-Netzwerks.

Hoffnung auf Neustart

Wie sich der Ressourcenverbrauch in den kommenden Jahren entwickeln werde, hänge nun stark davon ab, welche Konjunkturprogramme der Krise entgegengesetzt würden. "Noch im April haben wir euphorisch auf einen grünen Neustart der Wirtschaft gehofft und eine Petition dazu an die Bundesregierung geschickt. So richtig ergriffen hat die Chance bislang niemand", sagt Pekny.

Auch Willi Haas vom Institut für soziale Ökologie an der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) kritisiert: "Das Mainstream-Argument ist leider, dass wir zuerst die Wirtschaft aufbauen müssen und uns erst danach wieder um Klimafragen kümmern können." Um dieses Problem geht es auch in seiner neuen Studie "Raumschiff Erde", in der er die globale Entwicklung der Kreislaufwirtschaft untersucht: das Versprechen einer nachhaltigen Ressourcennutzung für Wirtschaft und Konsum durch die Schließung materieller Kreisläufe. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Gesellschaft seit Beginn des 20.Jahrhunderts stetig von einem zirkulären Wirtschaftsmodell wegbewegt hat.

Anstieg des Ressourcenverbrauchs

Ähnlich wie das Footprint-Netzwerk zeigt die vom Wissenschaftsfonds FWF und vom European Research Council ERC finanzierte Boku-Studie einen drastischen Anstieg des weltweiten Ressourcenverbrauchs für Güter, Infrastrukturen und Energie. Allein zwischen 2002 und 2015 stieg dieser um rund 50 Prozent. Es sei dringend nötig, mehr über den sparsamen Umgang mit Ressourcen zu sprechen. Darin sieht Haas auch den Hauptzweck des Earth Overshoot Days – die Darstellung eines wachsenden Problems. Denn strenggenommen sei die genaue Quantifizierung des Fußabdrucks der Weltbevölkerung wissenschaftlich unsauber, da sie auf vielen Annahmen basiert.

"Aber es geht schließlich nicht um ein exaktes Datum. Es ist wichtig zu zeigen, dass wir uns weiterhin in eine sehr bedenkliche Richtung bewegen", so Haas. Es gebe eben keine 1,6 Erden, sondern nur eine.

Ergebnisse der ständigen Überstrapazierung seien etwa Wasserknappheit, die zunehmende Erosion der Böden und das Aussterben von Arten, so David Leclere vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg. Er beschäftigt sich mit den Effekten, die einerseits der Klimawandel und andererseits der hohe Ressourcenverbrauch auf die Biodiversität haben. "Der Earth Overshoot Day selbst sagt nicht allzu viel darüber aus, wie schnell Arten verschwinden. Aber alle diese Trends sind eng miteinander verbunden, weil es darum geht, wie viel Druck wir auf das System ausüben", sagt er. Diesen ökologischen Verschleiß soll der Earth Overshoot Day ins Rampenlicht rücken. (Alicia Prager, 22.8.2020)