Sondereinheiten der Polizei vor der Minsker Traktorenfabrik.

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Am Dienstag demonstrierten in Minsk Tausende gegen den Staatschef.

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Keine Verhandlungen: Alexander Lukaschenko hat Gespräche mit dem neu gebildeten Koordinationsrat der Opposition abgelehnt. In diesem "sogenannten Stab der Opposition" ständen sie schon Schlange, um sich zukünftige Ämter aufzuteilen, ätzte der langjährige Staatschef. "Liebe Schwarzhunderter, ihr habt mehr Bewerber, als wir überhaupt Ämter im Land haben, dafür haben wir Besen und Spaten, mit denen wir sie versorgen", fügte er hinzu.

Die sogenannten schwarzen Hundertschaften waren rechtsextreme und antisemitische Geheimorganisationen zum Ende der Zarenzeit. Die Rhetorik zeigt die neue Strategie: Lukaschenko will seine Gegner in die rechte Ecke drängen. So hat er auch für die Demonstranten vor den Fabriktoren schon einen Kampfbegriff: Sie verhielten sich "wie die Gestapo", warf er den Protestierenden vor.

Neue Festnahmen in Minsk

Die neue Härte findet nicht allein verbalen Ausdruck. Den Drohungen Lukaschenkos, sich die Teilnehmer der Proteste vor den Fabriken "vorzunehmen", folgten bereits Aktionen der Polizei. Nach einigen Tagen Zurückhaltung sind die Sicherheitskräfte wieder dazu übergegangen, Demonstrationen auseinanderzutreiben. In Minsk haben die Beamten bereits mehrere Demonstranten festgenommen. Am Mittwoch erlag ein Demonstrant in einem Militärkrankenhaus seinen Verletzungen.

Zudem sind die Ankündigungen von Kündigungen gegenüber Streikenden und Unzufriedenen keine leeren Drohungen. Die Obrigkeit sperrt nun immer mehr Unzufriedene aus. Die Regisseurin Aljona Martinowskaja vom belarussischen Kulturfernsehen berichtete, dass sie und andere Kollegen auf eine schwarze Liste gesetzt und nicht mehr ins Gebäude des staatlichen Rundfunks eingelassen würden. Grund sei eine Petition gegen die Medienzensur, die sie unterschrieben habe, vermutet sie.

Welche Rolle spielt Russland?

Den Job der Ausgesperrten machen derweil laut Martinowskaja russische Journalisten. "Es sind zwei Flugzeuge mit russischen Mitarbeitern gelandet, die nun unsere Funktionen erfüllen", sagte sie. Zumindest ein Flugzeug ist tatsächlich in der Nacht zum Mittwoch aus Moskau kommend in Minsk gelandet. Die Maschine gehört dem russischen Geheimdienst FSB. An Bord soll unbestätigten Berichten nach FSB-Direktor Alexander Bortnikow gewesen sein.

Ob das neue Selbstbewusstsein Lukaschenkos auf Versicherungen aus Moskau zurückzuführen ist, bleibt abzuwarten. Präsident Wladimir Putin hatte dem 65-Jährigen jedenfalls zum Wahlsieg gratuliert und russische Hilfe zugesichert. Außenminister Sergej Lawrow hingegen klang am Mittwoch differenzierter in seiner Einschätzung. Die Wahl in Belarus sei "nicht ideal" verlaufen. "Das räumt auch die belarussische Führung ein", sagte er. Das klingt eher nach einer Aufforderung an Lukaschenko, Verhandlungen aufzunehmen. (André Ballin, 19.8.2020)