Der Krebsnebel zeugt von einer Sternenexplosion, die im Jahr 1054 das zweithelleste Objekt am Taghimmel war. Forscher spekulieren, dass eine Supernova auch beim Massenaussterben im Oberdevon mitgemischt haben könnte.

Foto: NASA/ESA/JPL Caltech

Im Lauf der Erdgeschichte wurde das Leben auf unserem Planeten schon auf so manche harte Proben gestellt. Etwa am Übergang vom Devon zum Karbon: Da folgten gleich zwei verheerende Massenaussterben ziemlich knapp aufeinander, jeweils bis zu 75 Prozent aller damals lebenden Spezies verschwanden. Zuerst löschte vor rund 372 Millionen Jahren das sogenannte Kellwasser-Ereignis erhebliche Teile des Lebens im Meer aus. "Nur" 13 Millionen Jahre später folgte mit dem Hangenberg-Ereignis eine Katastrophe ähnlichen Ausmaßes und versetzte der zwischenzeitlichen Erholung der Biodiversität erneut einen schweren Schlag.

Als Auslöser für die Umwälzungen am Ende des Devon wird außergewöhnlich starke vulkanische Aktivität vermutet. Sogenannter Megavulkanismus könnte zu extremer Sauerstoffarmut in den Ozeanen geführt und diese in regelrechte Todeszonen verwandelt haben. Tatsächlich scheinen mehrheitlich Meeresorganismen betroffen gewesen zu sein, obwohl Pflanzen und schließlich auch Tiere im Devon bereits das Land erobert hatten. Allerdings verdichteten sich in den vergangenen Jahren die Hinweise darauf, dass zumindest das Hangenberg-Ereignis auch andere Ursachen gehabt haben könnte.

Zerstörte Ozonschicht

Forscher um Brian Fields von der University of Illinois präsentieren nun eine neue Vermutung: Eine nahe Supernova vor 359 Millionen Jahren könnte an der Hangenberg-Katastrophe beteiligt gewesen sein. Wie die Wissenschafter im Fachblatt "PNAS" berichten wäre es möglich, dass eine Sternenexplosion die Ozonschicht schwer beschädigte und die Erde so hohen Strahlungsdosen ausgesetzt war, dass zahlreiche Ökosysteme kollabierten – am Land wie im Meer.

Hinweise auf eine stark geschädigte Ozonschicht vor 359 Millionen Jahren, also genau zur Zeit des Hangenberg-Ereignisses, hat erst vor wenigen Monaten ein anderes Forscherteam in "Science Advances" veröffentlicht: Funde aus Grönland legten nahe, dass die Erde zur Zeit dieses Massenaussterbens über Jahrtausende erhöhter UV-B-Strahlung ausgesetzt war. Das Team um John Marshall von der University of Southampton vermutete klimatische Prozesse hinter dem Phänomen. Dieser Ursache widersprechen nun Fields und Kollegen in ihrer aktuellen Publikation.

Suche nach Isotopen

"Auch irdische Katastrophen wie Megavulkanismus und Klimaerwärmungen können die Ozonschicht zerstören, aber die Datenlage für solche Ereignisse ist für den entsprechenden Zeitraum nicht überzeugend", sagt Fields. "Wir schlagen daher eine andere Erklärung vor: Eine Supernova etwa 65 Lichtjahre von der Erde entfernt, könnte für einen langanhaltenden Ozonverlust verantwortlich gewesen sein."

In Simulationen suchten die Forscher auch nach anderen möglichen astrophysikalischen Ursachen für den dramatischen Ozon-Kollaps. Doch weder Meteoriteneinschläge noch Gammastrahlenausbrüche oder Sonnenstürme passten ins Bild – diese Ereignisse könnten kaum für eine so langfristige Schädigung der Ozonschicht verantwortlich gewesen sein, so die Autoren. Anders eine Supernova: Ein explodierender Stern in der passenden Entfernung würde die Erde zunächst unmittelbar enormer Strahlung aussetzen, aber auch ihre schützende Ozonschicht für bis zu 100.000 Jahre zerstören und sie so schutzlos dem hochenergetischen Teilchenhagel aus dem All aussetzen.

Belegen können die Forscher diese Hypothese freilich nicht – dafür wäre der Nachweis radioaktiver Isotope in Ablagerungen und Fossilien nötig, die von einer solchen kosmischen Katastrophe zeugen. Die Forscher schlagen vor, nach Plutonium-244 und Samarium-146 zu suchen. "Diese Isotope kommen heute nicht natürlich auf der Erde vor, sie können nur durch kosmische Explosionen hierher gelangen", sagt Zhenghai Liu, Ko-Autor der Studie. (David Rennert, 22.8.2020)