Pflack. Da ist es. Das ist es. Dieses Geräusch, wenn der kleine, gelbe Ball perfekt auf die Saiten des Schlägers trifft. Pflack. Das Glücksgefühl dauert nur den Bruchteil einer Sekunde, schleicht sich kurz ins Unterbewusstsein. Mehr Zeit für Genugtuung, mehr Zeit für Freude bleibt auf dem Tennis-Court nicht.

Tennis im Arsenal hat durchaus etwas Malerisches.
Foto: Corn

Und trotzdem: Man fühlt sich kurz wie ein Kind, das zum ersten Mal das Bläschen einer Luftpolsterfolie zerdrückt. Pflack – nur in klein. Der nächste Schlag, der nächste Ball, das nächste Bläschen kommt prompt. Beim Tennis geht es um Perfektion, um perfekte Abstimmung der Bewegungsabläufe, um Koordination: die Distanz zum Ball, die Ausholbewegung, die Schlägerhaltung, den Schwung. Das Gefühl, das Geräusch des perfekten Schlages wird zur Sucht, das Scheitern zum tiefen Frust. Es sieht wesentlich leichter aus, als es tatsächlich ist.

Schwitzen im Camp

"Tennis ist im Trend", sagt Martin Priban. Der 16-jährige Schüler steht in einer Tennishalle in Wien- Landstraße, er schwitzt nicht. Diesen Sommer ist er der Lehrer. Um ihn herum sammeln Männer und Frauen vor der nächsten Übung die Bälle ein. Manche mit Röhren, damit sie sich nicht bücken müssen, andere mit Händen und Schlägern. Sie schwitzen. Eigentlich würde das Training draußen auf einem Sandplatz im Prater stattfinden, das Wetter ließ es aber nicht zu. Am Ende der Woche werden die Männer und Frauen besser spielen als noch am Montag. Das ist auch Pribans Verdienst. Dafür sind Tenniscamps da.

Die Camps organisiert Nikolaus Ganahl. Der 36-Jährige spielt seit seiner Kindheit Tennis, seit 2014 ist er im Vorstand des Tennisklubs SV Schwarz-Blau, mit wunderschöner Anlage im Wiener Prater: "Als ich in den Vorstand gekommen bin, gab es einen Mitgliedernotstand. Aktuell haben wir so viele Mitglieder wie noch nie. Bis zum Winter gibt es einen Aufnahmestopp."

Vor dem Fuß war der Schläger

Tennis hat in Wien eine lange Tradition. Der Soziologe Gilbert Norden forscht dazu: "Das Spiel wird in Wien schon länger praktiziert als Fußball. Die Vorform des modernen Tennisspiels, das sogenannte Ballhausspiel, wurde hier schon in der frühen Neuzeit betrieben." Zu einem Boom kam es in den Siebzigerjahren, der bis in die frühen Neunziger reichte: Jene Zeit, als der Steirer Thomas Muster die Tenniswelt eroberte.

Tennis im Donaupark hat durchaus etwas Wildes.
Foto: Corn

Der Boom verebbte: "Tennis war der Sport der sozialen Aufsteiger. Mit deren Zustrom sank der distinktive Wert des Spiels, womit das Tennis gewissermaßen an Attraktivität verlor. Etliche Spieler, aus denen sich dieser Zustrom zusammensetzte oder die damals schon länger spielten, bevölkern heute noch die Plätze", sagt Norden. Es entstand eine Lücke. Die Älteren waren da, der breite Nachwuchs blieb aber nicht da. Später war Tennis im österreichischen Spitzensport und in der Breite ein wenig in der Krise. Der Sport rutschte aus der Wahrnehmung und viele Klubs und Vereine in den Notstand. Einige mussten schließen.

"Man hört immer wieder: ‚Als Kind habe ich gespielt, und jetzt würde ich gerne wieder anfangen‘", sagt Ganahl. Dabei geht es vor allem um 25- bis 40-Jährige, die in ihrer Kindheit ein paar Kurse besucht hatten. Dann verstaubte der Schläger im Keller der Eltern. Tennis hatte lange ein elitäres, fast verstaubtes, hyperbürgerliches Image. Das hat sich auf den ersten Blick verändert. Musiker und Tausendsassa Pharell Williams designt Tennis-Mode, Topstars wie Roger Federer oder Serena Williams sind Popikonen, Musikvideos werden im Tennisstil gedreht. Kurz: Tennis ist in der Popkultur verankert. Tennis ist cool.

"Familiäre und soziale Komponente"

Das äußert sich auch in der sozialen Breite: "Ich würde es nicht mit Golf vergleichen. Tennis hat eine starke familiäre und soziale Komponente. Bei unseren Turnieren haben wir einen großen Zuspruch aus vielen sozialen Schichten", sagt Ganahl.

Tennis im Club Schwarz-Blau hat durchaus etwas Historisches. Das Clubhaus wurde vom Jugendstilarchitekten Joseph Maria Olbrich gestaltet.
Foto: Ganahl

Der Soziologe Norden bremst ein bisschen: "Ein Sport der unteren sozialen Schichten ist Tennis sicherlich nach wie vor nicht. Natürlich kann man aber sagen, dass stundenweises Spiel auf einer kommerziellen Tennisanlage im Prinzip für jedermann möglich ist."

Dass Tennis in der öffentlichen Wahrnehmung verankert ist, ist sicher auch ein Verdienst von Dominic Thiem. Der Niederösterreicher hält sich seit Jahren in der Weltspitze, dient als Role Model für die österreichischen Tennisszene. Aber braucht es Vorbilder im Spitzensport für eine Welle im Breitensport? Norden ist skeptisch. Role Models spüre man "wahrscheinlich stärker im Zuschauersport als im Aktivsport".

Krisensicher

Als Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) Ende April die ersten Lockerungen im Breitensportbereich verkündete, war nicht unbedingt für viele etwas dabei. Das Betretungsverbot für Sportanlagen für Leichtathletik, Tennis Golf, Pferdesport, Bogensport, Schießstätten und Segelfliegen wurde mit 1. Mai aufgehoben.

Und weil nur wenige einen Segelflieger in der Garage haben, wurde der Schläger aus dem Keller geholt. "Es ist krisensicher", sagt Ganahl. Ein Platz ist 23,77 Meter lang, weshalb auch Norden Tennis als Krisengewinner sieht: "Als Sportart ohne direkten Körperkontakt ist es ein idealer Corona-Sport. Probleme der Distanzwahrung gibt es ja – vom Doppelspiel abgesehen – nur beim gemeinsamen Bier nach dem Spiel."

In Wien ist die Platzlandschaft ein Potpourri. Von malerischen Plätzen im Prater bis zu den wilden Beton-Courts im Donaupark gibt es ein vielfältiges Angebot, um die Bälle über das Netz zu jagen. (Andreas Hagenauer, 21.8.2020)