Seit 5. August haben die Cineplexx-Kinos wieder geöffnet. Statt auf einen großen Film setzte man bei der Wiedereröffnung auf ein Bündel neuer Filme für diverse Zielgruppen.

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Verschiebungen, Ausfall von Blockbustern oder Experimente mit neuen Geschäftsmodellen im Internet. Durch die Corona-bedingte Krise in Hollywood hat auch Österreichs größte Kinokette Cineplexx mit erheblichen Problemen im Distributionsbereich zu kämpfen. Ein Gespräch mit dem Geschäftsführer Christof Papousek über die Frage, wie stark die Pandemie die Kinosituation der Zukunft verändern könnte.

STANDARD: Sie haben mit der Wiedereröffnung am längsten zugewartet, dann aber doch ohne Blockbuster starten müssen. Ein erstes Fazit?

Papousek: Uns ging es darum, eine signifikante Anzahl an Filmen zur Verfügung zu haben. Nur alle zwei, drei Wochen ein neuer Film – das hätte nicht funktioniert. Jetzt sind wir quer durch die Zielgruppen recht zufrieden. Trotz des Fehlens von US-Blockbusterware hatten wir Anfang dieser Woche die Frequenz eines schwachen Montags, das stimmt uns zuversichtlich. Jetzt kommt Tenet von Christopher Nolan, im Oktober dann Wonder Woman, wo man die Schlagzahl erhöhen kann.

STANDARD: Aber viele andere Blockbuster wurden ins nächste Jahr verschoben. Stehen Sie da nicht vor immensen Herausforderungen?

Papousek: Selbstverständlich. Erstens können wir den Verlust, der durch die Schließzeit entstanden ist, nicht mehr aufholen. Deswegen warten wir auf die Konkretisierung der Verlängerung des Fixkostenzuschusses. Natürlich brauchen wir laufend neue Ware. Es gibt aber auch aus dem Independentbereich größere Filme, und wenn eine gewisse Dynamik entsteht, wird es auch Verschiebungen in die andere Richtung geben, Rückverschiebungen. Die Filme sind ja fertig und liegen bereit.

STANDARD: Wirkt die Lage in den USA nicht einer Ankurbelung des Marktes entgegen?

Papousek: Das beobachten wir auch mit Sorge. Andererseits wird man jetzt sehen, was internationale Starts den Studios einbringen und ob das so bedeutend wird, dass sie diese noch verstärken.

STANDARD: AMC, die weltweit größte Kinokette, ist arg verschuldet. Welche Folgen hätte ein Konkurs dieses Giganten?

Papousek: Zuletzt hat es da eine Refinanzierung von über 600 Millionen Dollar gegeben, es scheint also wieder eine gewisse Stabilität zu geben. Wenn AMC gar nicht mehr aufsperren würde, dann hätte das natürlich dramatische Auswirkungen, weil Abspielorte wegfallen und sich die Studios dann andere Verwertungsmodelle überlegen müssten. Die Frage wäre allerdings auch, welche anderen Gruppen die Kinos aus der Masse herausholen würden. Es gibt weltweit diverse Eigentümerstrukturen, sehr oft sind auch Immobilienfirmen involviert. Es muss ja nicht sein, dass die Kapazität aus dem Markt verschwindet.

Christof Papousek studierte BWL und ist geschäftsführender Gesellschafter der Cineplexx.
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STANDARD: Das Studio Universal hat mit AMC diesen Sommer einen Deal geschlossen, der die Verwertungszeit der Filme in Kinos stark einschränkt. Ist das der erste Schritt zu einem anderen Distributionsmodell?

Papousek: Der Deal birgt Chancen und Gefahren. Wenn die Auswertungszeiten vor allem bei mittleren und kleineren Filmen kürzer werden, muss man diese Filme nicht mehr wochenlang halten, bis keiner mehr kommt. Den großen Filmen wird man weiterhin den Platz im Kino geben. Wenn es auch für den Kinobetreiber Vorteile gibt, wird sich da eine neue Form der Zusammenarbeit einpendeln, auch alternativer Content wird möglich sein. Die großen Streaminganbieter könnten auf die Kinos zukommen. Das tun sie teilweise ja schon, vielleicht gibt es da auch neue Kooperationen.

STANDARD: Was hätte Netflix davon? Sie verkaufen ja primär ihre Abomodelle.

Papousek: Natürlich, aber um ein Abo zu veredeln, kann man auch mit hervorgehobenen Filmen arbeiten, die man durch die Qualität und die Begeisterung im Kino noch unterstreicht. Damit meine ich weniger Festival- oder Oscar-Teilnahmen, Stichwort Roma oder The Irishman, sondern neue kommerzielle Verwertungsfenster für solchen Premiumcontent.

STANDARD: Das Pendel scheint aber, wie man am Beispiel "Mulan" sieht, der nur auf Disney+ veröffentlicht wird, gerade in eine andere Richtung zu schwingen.

Papousek: Ich denke, diese Entscheidung wurde primär aufgrund der US-Situation getroffen. Natürlich werden Dinge probiert, aber zuallererst geht es dabei um die Verwertung eines Produkts, das ohnehin schon ein gewisses Alter in der Warteposition erreicht hat.

STANDARD: Premium-Video-on-Demand wird somit nicht zur großen Gefahr fürs Kino?

Papousek: Bisher waren es "nur" vier relevante Filme, die wirklich als PVoD veröffentlicht wurden. Ich glaube, dass die Kinoauswertung für die Filmproduktion enorm wichtig bleibt, nicht nur als Promotion-Plattform, sondern als Einnahmequelle. Viel hängt auch von den Märkten und den Ticketpreisen ab. Wir betreiben auch Kinos in Südosteuropa. Wenn ich mir vorstelle, dass eine Kinokarte in Serbien 3,20 Euro kostet, dann wird es mit einem Streaming von 30 Euro sehr dünn werden. Da treibt man die Menschen in die Piraterie. (Dominik Kamalzadeh, 21.8.2020)