Die Corona-Krise verschärft die Lage im Schienengüterverkehr, viele Wagons sind leer, weil es an Fracht fehlt. Am 3. September berät der ÖBB-Aufsichtsrat in großer Runde.

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Wien – Das im Vorjahr angestoßene Projekt "Nordstern" nimmt, zumindest was den ÖBB-Güterverkehr betrifft, konkrete Formen an. Am 3. September kommen die Aufsichtsräte von ÖBB-Holding und Rail Cargo Austria (RCA) zu einer gemeinsamen außertourlichen Sitzung zusammen, um über ein 150 Seiten starkes Restrukturierungskonzept zu beraten, erfuhr DER STANDARD in ÖBB-Kreisen.

In der dicken Schwarte sind vier Szenarien skizziert, mit denen die massiv unter dem Frachteinbruch im Schienengüterverkehr leidende ÖBB-Güterbahn wieder auf Fahrplan gebracht werden soll, sagen mit der Materie befasste ÖBB-Insider. Welche Maßnahmen genau angepeilt sind, um die Kapitalerosion in der größten österreichischen Güterbahn zu stoppen, darüber schweigt sich die Staatsbahn unter Verweis auf die Vertraulichkeit aus. Sie müssen freilich weit über die vom Verkehrs- und Klimaschutzministerium avisierte "substanzstärkende" Kapitalmaßnahme Euro hinausgehen, denn mit den genannten 61 Millionen Euro wird RCA nicht das Auslangen finden.

Weniger Fracht, weniger Maut

Als Fixpunkt gilt daher der von ÖBB-Chef Andreas Matthä bereits im Juli im STANDARD-Interview skizzierte rückwirkende Erlass des Infrastrukturbenützungsentgelts (IBE). Diese von der EU-Kommission entrierte Hilfe würde dem ÖBB-Teilkonzern RCA in einem normalen Wirtschaftsjahr gut 180 Millionen Euro bringen.

Die Autohersteller setzen weniger Fahrzeuge ab, daher gehen auch die Transporte auf der Bahn zurück.
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Aufgrund der Corona-Krise dezimierten sich die Frachttransporte allerdings massiv, zeitweise um 50 Prozent, im Schnitt um rund 30 Prozent, wie es heißt. Das reduzierte auch die Schienenmaut, die RCA an ihre Konzernschwester ÖBB-Infrastruktur abführen musste. Allein im ersten Halbjahr habe sich der Aufwand an IBE für Zug- und Lokfahrten mehr als halbiert, sagen Insider. Womit auch der Zuschuss empfindlich schrumpft, den die RCA – und mit ihr alle Güterbahnen in Österreich – seitens ihres Eigentümers nun rückwirkend erwarten darf. Auf 70 Millionen Euro wird die Hilfe nun taxiert.

Konzerninterne Verkäufe

Darüber hinaus sind konzerninterne Umschichtungen angedacht, mit denen die Kapitalbasis der RCA zumindest kurzfristig gestärkt wird. Sie dürften gröbere Umbauten in der ÖBB-Konzernarchitektur nach sich ziehen. Die Werkstättentochter ÖBB-Technische Services (TS), bis dato zu 51 Prozent von RCA kontrolliert, könnte zur Gänze zum ÖBB-Personenverkehr (hält aktuell 49 Prozent an TS) verschoben werden. Das würde der RCA den konzerninternen Verkaufserlös einbringen, sie allerdings zugleich um einen verlässlichen Dividendenbringer erleichtern.

Konzerninterne Verkäufe

Darüber hinaus könnte auch die für Lokomotiven, Lokführer und Traktion zuständige ÖBB-Produktion, die RCA und PV zu gleichen Teilen gehört, aus der RCA hinausgeschoben werden, diesfalls freilich ohne die für den Güterverkehr notwendigen Triebfahrzeuge und Lokführer. Sie würden vorher herausgelöst und verblieben in der RCA, wie Auskenner die Vorgänge skizzieren.

Wiewohl es für konzerninterne Verkäufe klare Vorgaben gibt (der Kaufpreis muss einem Drittvergleich standhalten) – Maßnahmen wie diese bringen lediglich außerordentliche Erträge und damit nur kurzfristige Entlastung. Das operative Frachtgeschäft verbessert sich dadurch ebenso wenig wie die unvorteilhafte Kostenstruktur der RCA.

Immer wieder Einmaleffekte

Mit Einmaleffekten wurde übrigens auch die RCA-Bilanz 2019 aufgehübscht: Die 2013 an ihre eigene Wagontochter Rail Cargo Wagon (vormals Iwag) verkauften Güterwagen wurden im Vorjahr wieder zurückgeholt. Der mit dieser Transaktion lukrierte Verschmelzungsgewinn ist in der UGB-Bilanz der Österreich-Tochter RCA AG mit 49,98 Millionen Euro angegeben, die zu den Güterwagons gehörigen Darlehen summieren sich auf 171 Millionen Euro.

Zur Erinnerung: Im Jahr 2013 hatte RCA mit dem Verkauf tausender Güterwagons an ihre eigene Wagon-Tochter und an andere Unternehmen rund 56 Millionen Euro erlöst, weitere 35 Millionen brachte der Verschub der RCA-Verschubloks in die für Erhaltung und Bau des Schienennetzes zuständige Konzernschwester ÖBB-Infrastruktur. Die RCA musste fortan wenig vorteilhafte Mieten für die Wagons zahlen. Diese und andere Schnittstellen fallen nun weg.

Mit dem Cash aus der Schienenmaut-Rückerstattung rechnet man in der Bahn im Herbst, sofern die beihilfenrechtliche EU-Genehmigung vorliegt, die aber als Formsache gilt – solang sie allen in Österreich tätigen Schienengüterverkehrsunternehmen zugute kommt. (Luise Ungerboeck, 21.8.2020)