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Lukaschenko-Anhänger bei einer Kundgebung in Minsk am Wochenende. Auch SPÖ-Funktionäre arbeiten im Zeichen der rot-grünen Fahne.

Foto: AP/ Sergei Grits

Welche Verbindungen gibt es zwischen der Lukaschenko-affinen Österreichisch-Weißrussischen Gesellschaft (ÖWG) und der SPÖ Niederösterreich? Wie DER STANDARD am Donnerstag berichtet hatte, befinden sich im Vorstand der ÖWG zahlreiche rote Aktivisten, darunter der Schwechater SPÖ-Vorsitzende David Stockinger. Dennoch dementieren beide Organisationen, dass es politische Verflechtungen gebe. Der niederösterreichische SPÖ-Landesgeschäftsführer Wolfgang Kocevar lässt wissen, die ÖWG sei eine "überparteiliche Vereinigung, für die das Knüpfen kultureller, wissenschaftlicher, menschlicher und sozialer Netzwerke im Mittelpunkt steht". Und bei der ÖWG hieß es zuletzt, die Freundschaftsarbeit für Belarus hätte "nichts mit dem Engagement in der SPÖ zu tun".

Bedrohung durch Demo-Anleitungen auf Telegram

Im belarussischen Staatsfernsehen ist von dieser vermeintlichen Trennung allerdings nichts zu sehen, wie aus Recherchen von STANDARD und "Zackzack" hervorgeht. Im Sender ONT war vergangenes Wochenende ÖWG-Vizepräsident Stockinger zu einer Skype-Schaltung geladen. Dem Sender schien offenbar der schmückende Ruf einer sozialdemokratischen Partei aus der EU wichtig, denn in der Einblendung während seines Auftritts konnte man zu seiner Person lesen: "David Stockinger, Vertreter der Sozialdemokratischen Partei Österreichs".

Auftritt eines "SPÖ-Vertreters" im staatlichen belarussischen TV-Sender ONT.
Foto: screenshot/ ONT

Als ausgewiesener SPÖ-Mann argumentierte Stockinger im Regime-TV dann etwa, dass "offensichtliche Versuche äußerer Kräfte zu beobachten sind, auf die Ereignisse in Belarus einzuwirken". Als "Bedrohung" erwähnte er die sozialen Netzwerke, vor allem Telegram. Denn über diese Kanäle würde von politischen Gruppierungen das Vertrauen der Bevölkerung manipuliert, um damit eigene Ziele zu erreichen. Besorgt zeigte sich der Schwechater Gemeinderat über kursierende Anleitungen für Schutzkleidung und Knieschützer, die Demonstranten in ihrem Vorgehen "gegen die Sicherheitsorgane benutzen" können.

"Fehler" des Senders

Auf Anfrage des STANDARD argumentiert Stockinger, er sei vom Rundfunk als ÖWG-Mitglied geladen worden – mit dem SPÖ-Engagement habe das nichts zu tun gehabt. Es sei also ein Fehler des Senders gewesen, ihn als "SPÖ-Vertreter" eingeblendet zu haben. Überdies habe er in seinem Statement auch dafür plädiert, dass es seitens der belarussischen Behörden Informationsfreiheit geben müsse. "Das wurde offenbar nicht gebracht", stellt Stockinger fest.

Es war allerdings nicht seine einzige Wortmeldung, die jüngst in den Staatsmedien verbreitet wurde. Am Wahltag, dem 9. August, wurde er vom Hauptstadtfernsehen CTV zitiert – wiederum explizit als Funktionär der SPÖ. Dort referierte er darüber, wie das System der Briefwahl in Österreich 2016 eine Wiederholung der Präsidentschaftswahlen nach sich gezogen hätte. Danach sei die Briefwahl aber optimiert worden, und man lade auch internationale Wahlbeobachter ein.

Bei Einschätzungen der Wahlbeobachter müsse man aber auf der Hut sein, warnte er die Belarussen, denn: "In den Berichten der Beobachtermissionen spielen natürlich außenpolitische Interessen eine Rolle." Bei den EU-Missionen hänge die Bewertung einer Wahl davon ab, in welches Land sie geschickt werde, so Stockinger. Ein gefundenes Fressen für die staatlichen Machthaber, die dieses Jahr gleich gar keine Wahlbeobachter zugelassen haben. ÖWG-Präsident Peter Bachmaier wiederum schmeichelte dem Regime, indem er laut CTV kundtat, der große Wählerzuspruch für die Regierenden wundere ihn angesichts der hohen sozialen Standards in Belarus nicht.

Normaler Verein

Bei der SPÖ Niederösterreich betont man hingegen, die Wahl in Belarus sei weder fair noch frei gewesen; man verurteile die brutale Gewalt und stehe aufseiten der friedlich demonstrierenden Menschen.

Kritik an der ÖWG und ihren Aktivitäten übt die rote Landespartei indes nicht: "Derartige Vereine mit einer ähnlichen Zielsetzung gibt es viele, auch für die Länder der GUS, die aus der Position der Neutralität heraus Verbindungen herstellen möchten." Zum Auftritt ihres Schwechater Stadtparteichefs im belarussischen Staatsfernsehen will die niederösterreichische SPÖ auf Anfrage "keine weiteren Statements" abgeben.

Durchaus kritisch sieht den Auftritt der außenpolitische Sprecher der ÖVP, Reinhold Lopatka. Er forderte am Freitagabend in einer Aussendung "umgehende Konsequenzen". Zudem wittert er "nicht auszuschließende weitere Verflechtungen der Sozialdemokratie mit Lukaschenko-nahen Kreisen". (Theo Anders, André Ballin, 21.8. 2020)