Schoeller Bleckmann Medizintechnik gehört zu Syntegon und bietet Anwendungen zur Sterilisation von medizinischen Produkten an.

'Odilon Dimier/Imago

Alfred Kaliwoda hat sich in der Technikabteilung der Schoeller Bleckmann Medizintechnik (SBM) in Ternitz zu einem organisatorischen Experiment entschlossen. Weil er überzeugt ist, dass junge Leute nicht in starren Hierarchien arbeiten wollen und gut Qualifizierte Selbstorganisation und größtmögliche Freiheit wollen. Anlassfall war vor zwei Jahren die interne Suche nach einem neuen Gruppenleiter.

Geschäftsführer Kaliwoda wollte keinesfalls in die klassische Falle tappen, fachlich exzellente Mitarbeiter "als Belohnung" in Führungsrollen zu befördern und sie dort zu verbrauchen. "Wir sind mit Human Resources zusammengesessen und haben gesagt: Wen immer wir intern für die Gruppenleitung nehmen – organisatorisch bringt uns das nicht weiter." Also wurde Führungsverantwortung und -entscheidung vor zwei Jahren in die Gruppe selbst verlegt nach einem quasi soziokratischen Ansatz.

Alfred Kaliwoda, Geschäftsführer von Schoeller Bleckmann Medizintechnik (Syntegon) in Ternitz.
Christian Husar

Fazit: Es hat nicht funktioniert. Das Unternehmen war während der laufenden Ausgliederung aus dem Bosch-Konzern anderweitig mit sich selbst beschäftigt. Allerdings: Der Geschmack an einer anderen Organisationsform als der klassischen hierarchischen Pyramide war gefunden. Kaliwoda: "Bei uns sind die meisten Mitarbeiter privat ja auch in verschiedenen Führungsrollen in Freiwilligenorganisationen, diese Fähigkeiten wollten wir auch für das Unternehmen nützen."

Mischung aus Holokratie und Soziokratie

So kam das Beraterteam Fifty1 zur SBM. Managing-Partner Oskar Dohrau: "Das Alte war abgeschafft, das Neue aber noch nicht klar." Klar war allerdings, dass eine für dieses Team passende Mischung aus Holokratie und Soziokratie die Organisationsform sein sollte, allerdings nicht der Lizenzschablone folgend, sondern angepasst an den spezifischen Kontext dieser Technikabteilung. Dies ohne falsche Versprechen einer absoluten Gleichberechtigung, die in den vergangenen Jahren oft die Einführung solcher Modelle in Konzernen begleitet hat und schnell wieder zum Rückbau geführt hat. "Es ist keine Demokratie, es ist ein Wirtschaftskörper", sagt Dohrau.

Organisiert sind die 30 Techniker (eine Frau ist im Team) nun in Kreisen, in denen die Menschen verschiedene Rollen einnehmen – jeweils für sechs Monate. Diese werden gewählt, nominiert wird via Vorschlag. Jeder Kreis wählt seine Führungskraft. Die Rollen werden nicht extra entlohnt. Führungsgagen erspare sich Kaliwoda solcherart nicht. Rollen auszuführen brauche ja Zeit, die wiederum in der Arbeit mit Kunden fehle, also sei irgendeine Entlastung der Gehaltssumme nicht der Punkt.

Lücken schnell gefunden

Berater Dohrau ist selbst Techniker, das Verständnis für eine Ingenieursorganisation war also sehr schnell da, die Lücken im gescheiterten Versuch waren schnell gefunden. Dohrau: "Techniker haben meist eine Kompetenzhierarchie, da braucht es meistens nur wenig Öl für das Getriebe." Dass klassische Führungskräfte aber auch wirklich loslassen, sei sehr oft das Thema. Beim Produzenten von Sterilisatoren für flüssige Pharmazeutika für den medizinischen Bereich war es das allerdings nicht.

Die Steuerungsfunktion habe gefehlt, berichtet Dohrau. Also wurde die Rolle eines Ressourcenkoordinators und die eines Kompetenzentwicklers geschaffen, die Verantwortung dafür definiert. Eine Verfassung definiert die Gesamtstruktur und Schritte für Problemlösungen. Vorerst sind jetzt alle zufrieden, und es läuft gut, berichtet Geschäftsführer Kaliwoda.

Allerdings haben Kurzarbeit bis Juni und die darauffolgende Urlaubssaison den Echtbetrieb etwas gedämpft. Zum Jahresende will man bei der SBM eine erste Bilanz ziehen. Dohrau setzt auf den "Hausverstand" und ist überzeugt, dass nach einigen Monaten Einübung der neuen Freiheit und Selbstorganisation alles gut funktionieren wird. Es seien jedenfalls alle an Bord.

Ist schon klar, wie heikle Punkte, etwa Gehaltsverhandlungen, ablaufen werden? Kaliwoda lacht: "Nein, so weit sind wir noch nicht." Allerdings fix ist: Es wird im Team verhandelt werden, wer was wofür erhält gemäß dem zur Verfügung stehenden Gesamtbudget. Er wirkt unbesorgt. Allerdings: Was bei den Technikern sehr wahrscheinlich gut laufen wird – Selbstbestimmung über den gesamten Betrieb auszudehnen sei nicht das Ziel. Kaliwoda: "Ich bin mir nicht sicher, dass das im gewerblichen Bereich funktioniert. Dort gibt es eine andere Geschichte, andere tradierte Strukturen, andere Ausbildungen und Ansprüche." (Karin Bauer, 25.8.2020)