Eine neue Studie kommt zum Schluss, dass Zebras theoretisch auch kariert sein könnten – wenn die These mit dem Schutz vor Blutsaugern stimmt.

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Es war eines der großen Rätsel der Zoologie, das seit Anfang des Vorjahrs weitgehend gelöst schien – nach über hundert Jahren der Spekulationen. Charles Darwin etwa glaubte, dass die Streifen der Zebras dazu dienen, diese im hohen Gras der Savanne für Löwen weniger gut sichtbar zu machen. Allein: Der Tarnaspekt vor Löwen scheint unwichtig, da sich die Raubkatzen vor allem auf Geruch und Gehör verlassen.

Eine andere mögliche Erklärung für die Streifen bestand in der Vermutung, dass die weißen und schwarzen Streifen dem Schutz vor Hitze dienen würden: Durch die unterschiedliche Wärme über den weißen und schwarzen Regionen des Fells würden kleine Luftwirbel entstehen, die für Kühlung sorgen. Auch diese Erklärung wurde experimentell widerlegt – ebenso wie jene, dass die Streifen der sozialen Interaktionen unter den Zebras dienten.

Zahlreiche Falsifikationen

Hauptverantwortlich für die Falsifikationen von insgesamt 18 Zebrastreifen-Vermutungen ist der britische Evolutionsökologe Tim Caro (Uni Bristol), der sich seit vielen Jahre intensiv mit der Frage befasst und schon 2006 das 300-seitige Buch "Zebra Stripes" vorlegte. In den letzten Jahren schien ihm dann ein Durchbruch gelungen zu sein: Er propagierte in einigen Studien, dass die charakteristische Zeichnung des Zebras vor allem dazu dienen dürfte, blutsaugende Fliegen durch die Streifen zu verwirren.

Das gelang unter anderem durch Versuche mit Pferden, denen eine Art Zebrafell übergeworfen wurde. Pferdebremsen näherten sich den solcherart camouflierten Pferden genauso oft wie normalen Pferden ohne "Tarnung". Doch während die Pferdebremsen auf den unverkleideten Pferden problemlos landeten, bereitete ihnen das Zebrafell große Landeschwierigkeiten: Die Insekten kollidierten immer wieder mit dem gestreiften Pferdefell und/oder flogen unverrichteter Dinge weg.

Optische Illusion als Lösung?

Offen blieb in der im Vorjahr publizierten Studie, warum die Blutsauger Schwierigkeiten haben, auf sich bewegenden Oberflächen mit den charakteristischen Streifen zu landen. Dazu bot sich das sogenannte Aperturproblem an: Bewegen sich Streifenmuster hinter einer Blende, dann ist nicht klar, in welcher Richtung sie sich bewegen.

In einer Modifikation ist diese eine optische Täuschung auch als Barber-Pole-Illusion bekannt. Bei diesen Säulen, die vor Friseurläden in den USA zu finden ist, dreht sich ein vertikaler Zylinder, der schraubenförmig mit Streifen bemalt ist. Für den Beobachter entsteht der Eindruck, als wanderten die Streifen nach oben oder unten.

Die Vermutung von Tim Caro und seinen Kollegen: Wenn sich eine Pferdebremse einer Landefläche nähert, passt sie ihre Geschwindigkeit an, je nachdem, wie schnell sich die Fläche aus ihrem Blickwinkel ausdehnt, was eine kontrollierte Landung ermöglich. Durch das Aperturproblem könnte die Fliege glauben, dass die Landefläche weiter entfernt ist als in der Realität.

Verworfene Hypothese

Es gab aber ein Problem bei der Annahme: Das Aperturproblem setzt eigentlich exakt parallele Streifen voraus. Also führten die Forscher abermals Experimente durch, um ihre Nullhypothese zu prüfen. Das Team um Caro und Erstautor Martin How warf den Pferden nicht nur gestreifte, sondern auch karierte Decken über, auf denen die Blutsauger eigentlich besser landen sollten, wenn es tatsächlich die vermutete optische Täuschung ist, die zu den Landeschwierigkeiten führt.

Wie die Wissenschafter nun aber im Fachblatt "Proceedings of the Royal Society B" schreiben, bestätigte sich ihre Annahme nicht. Die Landeprobleme hielten auch auf kariertem Untergrund an. Mit anderen Worten: Nicht nur Streifen, sondern auch Karos und vermutlich auch andere Formen von kontrastreichen Musterungen irritieren die Pferdebremsen. Was zum einen bedeutet, dass Zebras zumindest laut diesen Erkenntnissen theoretisch auch kariert sein könnten. Zum anderen könnte auch uns Menschen jede Art von gestreifter, karierter oder sonstwie gemusterter Kleidung ein wenig vor den Attacken der Blutsauger schützen.

Die beste Erklärung dafür, warum Zebras Streifen haben, dürfte also nach wie vor der Schutz vor Parasiten sein. Warum sich diese aber beim Landeanflug irritieren lassen, harrt weiterhin der Erklärung. (Klaus Taschwer, 25.8.2020)