Bevor die Fragen kommen, muss ein Foto sein – vom Gänsehäufel drüben. Nach vielen Wochen der Isolation in den USA ist Jakob Pöltl wieder in Wien. Österreichs einziger Legionär in der National Basketball Association (NBA) genießt die Zeit im Freien und nimmt Platz im "Bootshaus", einem Lokal an der Alten Donau. Aber erst nach dem Handyfoto.

An der Alten Donau ist Jakob Pöltl denkbar weit von der Blase der NBA entfernt.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Während die aktuelle NBA-Saison erst jetzt in die entscheidende Phase geht, zieht Pöltl schon Bilanz. Der 24-Jährige war zwar seit Ende Juli beim Neustart in der Corona-konformen Blase in der Disney World von Orlando dabei, verpasste mit den San Antonio Spurs allerdings die Playoffs der besten 16 Teams. Statt der Mickey Mouse sieht er nun Entenfamilien und Ruder-Vierer.

Schlagzahl verringern

Seine eigene Schlagzahl will Pöltl zumindest für die nächsten Wochen reduzieren. Zeit mit Familie und Freunden stehe nun im Vordergrund, die letzten acht Saisonspiele gingen an die Substanz: Er war regelmäßig Teil der Starting Five, kam auf längere Einsatzzeiten als vor der Spielpause. Vielleicht spiele er ein paar Runden Tischtennis.

Ob er auch den Kletterpark im Gänsehäufel besuchen wird, bleibt unklar. Der Sommer neigt sich dem Ende zu, für Pöltl hat er gerade erst begonnen. Es wird ihn wahrscheinlich für ein Wochenende an einen See ziehen, dort würde der 2,13-Meter-Mann gerne Tretboot fahren. Sicher ein starker Anblick.

Pöltl kommt "mit gemischten Gefühlen" aus seiner vierten Saison in der besten Basketball-Liga der Welt. "Das Ende war positiv", sagt er über die Zeit in der Blase, die für Pöltl "ein Upgrade zur Zeit davor" war. Während des Lockdowns hatte er seine Wohnung in San Antonio kaum verlassen. Ihm sei beim Training gleichsam die Decke auf den Kopf gefallen. "Das Leben war relativ einseitig. Es ist schön, jetzt an der frischen Luft zu sein."

Die abgelaufene Saison war vor allem deshalb für ihn wichtig, weil es das letzte Vertragsjahr bei den Spurs war. Im Herbst wird Pöltl zum sogenannten Restricted Free Agent: Andere Teams dürfen dem Center einen Vertrag anbieten, die Spurs hätten dann jeweils das Recht, ihn mit einem Angebot derselben Höhe in San Antonio zu halten.

Für Pöltl hat der Sommer erst begonnen.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Ob andere Teams Interesse zeigen werden, ist in Zeiten von Corona mehr denn je unvorhersehbar. Pöltl gilt jedenfalls als starker Verteidiger: "Die Defense war schon immer mein Fokus, offensiv kann ich mithelfen". Die Spurs stellen aktuell "eine junge Truppe mit viel Energie", vor allem im Saisonfinish hatte Pöltl "sehr viel Spaß". Der Verbleib bei den Texanern sei aktuell die wahrscheinlichste Variante.

Schlagzahl erhöhen

Beim Re-Start setzte die NBA gleich mehrere Zeichen gegen den strukturellen Rassismus in den USA. Die Namen der Spieler wurden auf den Trikots durch politische Statements ersetzt. Pöltl entschied sich für den Namen der Protestbewegung Black Lives Matter. "Das haben wir ganz gut hinbekommen", sagt Pöltl zu den Aktionen der NBA, deutet aber Verbesserungspotenzial an. "Es liegt nicht nur an der NBA, bei allen Beteiligten geht noch mehr." Bis es konkrete Resultate gebe, müsse Rassismus weiter bekämpft werden.

Wie es in der NBA nach den Playoffs in Orlando weitergeht, ist noch gänzlich unklar. Pöltl hält weitere Blasen zum Start der neuen Saison im Spätherbst für realistisch. Auch die Free Agency wackelt. Angesetzt ist sie für Oktober.

In den laufenden Playoffs sieht Pöltl die Lakers von der Papierform her als Favoriten. Die Spiele habe er zwar verfolgt, aber nicht live gesehen. Möglicherweise ist ihm die Zeit am Wasser wichtiger. (Lukas Zahrer, 21.8.2020)