Fußgruß statt Umarmung, häufiges Händewaschen und Lüften – so sieht Lernen in Pandemiezeiten aus.

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Sie hatten drei Wochen und dann auch noch zwei Stunden Vorsprung. Als Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) montags um zehn seine Pläne für die Wiederaufnahme eines "normalen" Schulbetriebes präsentierte, saßen in Wien-Döbling bereits rund 800 Kinder und Jugendliche in der American International School und übten Schule in Pandemiezeiten. Einige Informationen über Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen hat Schulleiterin Kathryn Miner bereits vorab erhalten, da das Ferienende Mitte August an der Schule Tradition hat. Der Effekt: "Wir haben mit einem konservativeren Ansatz begonnen als jenem, den die ,grüne Ampel‘ vorsieht", sagt die Direktorin. So sei es leichter, eine gewisse Routine zu entwickeln – statt später nachzujustieren. Also sind die Masken auf den Gängen zu sehen und überall dort, wo der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann, einige sogar in den Klassen – freiwillig.

Abwarten ...

Während die einen bereits Erfahrung sammeln, wie Corona und Wiederaufnahme des Schulvollbetriebs zusammengehen, ist man an den meisten Bildungseinrichtungen österreichweit noch in Warteposition. "Vielleicht kommen ja noch Infos", sagt Saskia Hula und grinst. Sie denkt an die Sommerschule, die an ihrem Standort am Wiener Schöpfwerk am Montag beginnt – für die sollten bis Mitte dieser Woche noch letzte Direktiven aus der Bildungsdirektion eintreffen. Was die Vorgaben für den "normalen" Schulbetrieb anlangt, da bemüht sich die Volksschuldirektorin um eine möglichst pragmatische Umsetzung aller Empfehlungen und Regeln.

Outdoor-Unterricht? Der Garten bleibe wie im Schichtbetrieb im Frühjahr in verschiedene Zonen eingeteilt, die von unterschiedlichen Klassen genutzt werden, sagt Frau Hula. Im September sei das wohl gut umsetzbar, "aber ab Oktober wird es wahrscheinlich schwierig mit dem Lernen im Freien", glaubt die Pädagogin. Überhaupt sei Rausgehen für die meisten Kinder mehr oder weniger gleichbedeutend mit Pause machen.

Etwas weiter im Westen fragt sich Ute Wiesmayr, wie sie den Unterricht für 25 Schulklassen nach draußen verlegen soll: "Ich wüsste nicht, wohin." Aber auch drinnen wird es für die Direktorin der Handelsakademie und Handelsschule Steyr eng: "Ein Abstand von einem Meter ist bei uns völlig illusorisch. Wir haben Klassen mit 30 Schülerinnen und Schülern und kaum Ausweichräume." In Wattens in Tirol tut sich Schulleiterin Ruth Töpfer etwas leichter: "Wir haben einen großen Schulgarten, in dem zwei Klassen Platz haben, zudem hat Wattens viele Parks, wir werden viel unterwegs sein." Sie leitet neben der Volksschule am Kirchplatz, mit rund 200 Schülern, ab Herbst auch die Kleinschule Vögelsberg mit nur acht Schülern: "Dort ist es einfacher, weil im Gebäude genug Platz ist, um Abstand zu halten. Zudem gibt es eine große Terrasse."

"Ein Abstand von einem Meter ist bei uns völlig illusorisch." Ute Wiesmayr, Hak/Has Steyr

Grundsätzlich steht Abstandhalten zwar auch im Programm des Bildungsministers, hat aber an einigen Standorten eher appellatorischen Charakter. "Wie soll das gehen, wenn wieder alle in einem Raum sind?", fragt Volksschuldirektorin Hula. Immerhin hat sie in jedem Klassenzimmer ein Waschbecken – die Schule ist schon etwas älter, das erweist sich jetzt als Vorteil.

Im Tiroler Wattens hat Schulleiterin Töpfer "den Babyelefanten noch nicht verräumt", auch wenn die Regelungen im Herbst vorerst lockerer sein werden als vor den Sommerferien: "Wir werden wieder die Tische in den Klassen normal besetzen, und auch die Maskenpflicht gilt erst, wenn die Corona-Ampel auf Gelb springt." Man werde darauf achten, dass sich die Klassen nicht mischen, aber in den Pausen und vor allem beim Mittagstisch – die Volksschule Wattens bietet Nachmittagsbetreuung an – könnte das schwierig werden, sagt die Leiterin.

"Wie das mit der Ampel funktionieren soll, weiß ich nicht", heißt es auch bei Schulleiterin Wiesmayr in Steyr. "Wir haben Kinder, die kommen von Linz-Land, manche sogar aus Niederösterreich." Was, wenn ein Bezirk auf Grün steht, während andere bereits auf Gelb oder Orange geschaltet sind? Frau Wiesmayr wird wohl an die Schülerinnen und Schüler appellieren, bis zum Platz einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Ähnliches kann sie sich für den Schnupfenherbst vorstellen: "Auch wenn jemand nur ein Symptom zeigt, wäre es gut, die Maske aufzulassen oder daheim zu bleiben."

"Wir werden allein mit dem Abklären von Verdachtsfällen ziemlich beschäftigt sein." Saskia Hula, GTVS Am Schöpfwerk

Es sei "nicht zielführend, dass jeder Schnupfen zu einem Fernbleiben vom Unterricht führt", schreibt der Bildungsminister in seinem Konzept für den Schulherbst. Was heißt das für die Praktikerinnen vor Ort? Sie werde noch strenger als sonst sein, wenn ein Kind schon halbkrank in der Schule ankommt, sagt Frau Hula. Es werde sich nicht vermeiden lassen: "Wir werden allein mit dem Abklären von Verdachtsfällen ziemlich beschäftigt sein."

Für den Fall, dass die Infektionszahlen weiter steigen oder gar ein neuer Lockdown ansteht, will man in Wattens diesmal vorbereitet sein. "Unsere Schule ist bereits sehr digitalisiert, das werden wir nun noch ausbauen", erklärt Schulleiterin Töpfer. In enger Abstimmung mit Eltern und Schülern will sie alle "auf digitalen Gleichstand bringen". Sollte die Corona-Ampel auf Rot springen, wird die Wattener Volksschule sofort in den Onlinemodus für Homeschooling wechseln.

Ähnliches ist in Steyr geplant: Erst knapp vor dem Aussetzen des Unterrichts im Frühjahr habe man jene Lehrkräfte, die wollten, mit Tablets ausgestattet und geschult. "Ich war noch nie so froh über eine Entscheidung", sagt Direktorin Wiesmayr heute. Ab September will sie Übungszettel, Hausübungen und Co nicht nur austeilen, sondern parallel dazu auf Teams und Onenote stellen – sicher ist sicher. "Es könnte ja jede Woche eine andere Klasse betroffen sein und zumindest tageweise in Quarantäne gehen", fürchtet die Pädagogin.

Was Schulveranstaltungen anlangt, da ist das Bildungsministerium ziemlich klar, fast schon fordernd. "Gemeinschaftsstiftende Aktivitäten" seien "gerade zu Beginn des Schuljahres vorzusehen". Genau so hat es Direktorin Hula auch vor. Sie habe eine große Speisehalle zur Verfügung, da sollen im September also auch die Elternabende ihren Anfang nehmen – nach Schulstufen gestaffelt, mit bis zu 80 Personen im Raum. An der Hak/Has Steyr hat man mittlerweile einen heißen Draht zum Reisebüro – ein Trip nach Irland will storniert werden. An der American School geht man es andersrum an: Es wird gebucht, wissend, dass alles anders kommen kann als geplant.

... und sickern lassen

Was alle Pädagoginnen eint: Viel lieber als mit der Verwaltung einer Ausnahmesituation würde man sich mit anderem beschäftigten. Da gäbe es ohnehin " so viel zu tun", formuliert es Direktorin Hula in Wien. Schule kann sich nicht nur um Maskenpflicht und Händewaschen drehen, findet auch Kathryn Miner an der American International School. Sie habe jedenfalls gelernt, flexibel zu sein. Direktorin Wiesmayr in Steyr hat da ihren eigenen Ansatz entwickelt: Es habe sich bewährt, die Infos aus dem Ministerium sickern zu lassen, bevor man sie weitergibt. Zu oft sei ihr Schultyp erst zu einem späteren Zeitpunkt mitgedacht worden. (Steffen Arora, Karin Riss, 22.8.2020)