Rund 920.000 Mal wurde die "Stopp Corona"-App auf Handys geladen. Doch nur die Hälfte jener, die sich zu diesem Schritt entschlossen, nutzen die heimische App auch. Das zeigen Zahlen des Roten Kreuzes. Dabei gibt es sie bereits seit März, seit Ende Juni mit neuen Funktionen – und wer sie installiert, bei dem läuft die Anwendung anonym und vollautomatisch im Hintergrund. Die Österreicher werden dennoch nicht so recht warm mit dem Werkzeug, das dabei helfen soll, die Verbreitung des Virus unter Kontrolle zu bekommen.

Begrenzter Nutzen

In Deutschland haben mehr als 17 Millionen Menschen die Corona-Warn-App heruntergeladen. Dennoch gehen Experten davon aus, dass das zu wenig sei, um eine Infektion wirksam nachverfolgen zu können: "Damit die Corona-Warn-App wirklich etwas bringt, sollte sich die Zahl der Downloads verdoppeln", sagte Gert Wagner, Mitglied des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen, der Welt am Sonntag. Selbst bei einer Verdoppelung der Nutzer sei die Wirksamkeit begrenzt: 25 Prozent der Infektionen könnten dann aufgedeckt werden, sofern alle eine Ansteckung auch über die Anwendung melden, so Wagner. Ein teures Werkzeug mit begrenztem Nutzen, klagt mancher.

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An Impfstoffen wird mit Hochdruck geforscht. Die staatlichen Apps sind schon im Einsatz. Auch so manches Unternehmen probiert neue digitale Lösungen aus.
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Hierzulande wird die App bislang durch eine Spende der Uniqa-Privatstiftung in Höhe von zwei Millionen Euro finanziert. Der Österreich-Ableger des Beratungs- und Technologiedienstleisters Accenture hat die Entwicklung und Umsetzung teilweise unentgeltlich unterstützt. Derzeit wird mit dem Bundesministerium für Gesundheit über die künftige Finanzierung verhandelt. Um welche Summen es geht, darüber hält man sich beim Roten Kreuz bedeckt. Man verweist aber auf die deutsche App, deren Entwicklung durch den Softwarekonzern SAP und die Deutsche Telekom auf rund 20 Millionen Euro veranschlagt wird – plus Betriebskosten in Höhe von 2,5 bis 3,5 Millionen Euro monatlich.

Nicht nur Regierungen setzen ihre Hoffnung auf solche Tracing-Apps, die helfen sollen, Infektionsketten schneller zu erkennen und nachzuverfolgen. Tech-Firmen wittern das nächste Milliardengeschäft – bei Lösungen für Unternehmen, die ebenfalls dafür Sorgen tragen müssen, dass das Virus möglichst nicht weiterverbreitet wird. Digitales Contact-Tracing in Unternehmen ist ein relativ neues Feld. Auf 4,3 Mrd. Dollar schätzte Laura Becker vom US-Marktforscher IDC das Marktpotenzial gegenüber CNBC.

Am Nutzen der staatlichen Apps wird auch gezweifelt. Zu wenige nützen sie für einen nachhaltigen Erfolg, heißt es da und dort.
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Heute erfolgt das Nachverfolgen von Infektionsketten bei den meisten Unternehmen über Excel-Listen, sagt Stefan Groß-Selbeck. Groß-Selbeck leitet BCG Digital Ventures, eine Tochter der internationalen Berater-Gruppe Boston Consulting (BCG), die eine unternehmensspezifische App erdacht hat. Sie wird bei einem DAX-Konzern und bei BCG selbst ausgerollt. Als Manager eines Unternehmens hätte man ein Interesse, dass Mitarbeiter die staatlichen Corona-Apps nützen, sagt er. Für Unternehmen sei die Sache komplexer: "Sie müssen sich nach dem Gesundheitszustand der Mitarbeiter erkundigen. Sie müssen Kapazitätsplanung machen, Kantinen dürfen nicht voll sein, in der Produktion müssen Hygienevorschriften eingehalten werden." Die unter Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben gemeinsam mit Betriebsräten entwickelte Lösung sei schnell implementiert und käme auf einen ein- bis niedrigen zweistelligen Betrag pro Mitarbeiter.

Für den AK-Arbeitsrechtsexperten Walter Gagawczuk ist es nachvollziehbar, dass Betriebe Interesse an einer solchen Lösung haben könnten. Allerdings brauche es dafür eine Betriebsvereinbarung. Vereinbart werden müsse etwa, wie lange die Daten gespeichert würden und wer auf sie zugreifen darf.

An Impfstoffen wird mit Hochdruck geforscht. Die staatlichen Apps sind schon einsatzbereit. Auch so manches Unternehmen probiert schon die neuen digitalen Lösungen aus. (Regina Bruckner, 24.8.2020)