Innenminister Karl Nehammer, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) Oskar Deutsch und der Präsident der jüdischen Gemeinde Graz, Elie Rosen.

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Wien/Graz – Jener Mann, der am vergangenen Samstag den Präsidenten der jüdischen Gemeinde Graz, Elie Rosen mit einem Stuhlbein attackiert hatte, ist gefasst und geständig. Er hatte in derselben Woche auch zweimal die Synagoge angegriffen. Noch Sonntagabend konnten ihn Grazer Polizisten der Fahrradstreife stellen.

Am Montag präsentierte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bei einer Pressekonferenz mit anderen Regierungsmitgliedern, der Polizei und den Präsidenten der IKG, Oskar Deutsch und Elie Rosen, Details zum mutmaßlichen Täter. Der 31-jährige Syrer, der vor sechs Jahren als Flüchtling nach Österreich gekommen war, habe aus einem "islamistischen Motiv" gehandelt, sagte Nehammer.

Der Mann habe auch weitere Delikte in Graz gestanden, darunter den Angriff auf eine Einrichtung der LGBT-Community, den schwul-lesbischen Verein Rosalila PantherInnen, wo er Mittwochnacht die Scheiben eingeschlagen hatte, sowie Schmierereien mit Symbolen auf einer Kirche, die wie die Synagoge im Bezirk Gries steht. Der Täter lehne "die Gesellschaft in Österreich ab, er ist ein radikalislamistischer Antisemit, der obendrein noch homophob ist". Gegen den Mann ist ein Asyl-Aberkennungsverfahren eingeleitet worden.

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Auch ein Lokal aus dem Rotlichtmillieu im Gries habe er mit Steinen beworfen und eine Prostituierte beschimpft. Zu den Taten war der Mann mit einem roten Fahrrad unterwegs. So auch, als er von Beamten anhand der Fahndungsfotos am Sonntag erkannt wurde.

Nehammer kündigte bei der Pressekonferenz auch an, seine Behörde werde den Schutz aller jüdischen Einrichtungen in Österreich erhöhen.

"Schnittstelle zu politischem Islam"

Bei der Pressekonferenz traten auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler und Integrations- und Kultusministerin Susanne Raab (beide ÖVP) auf. Edtstadler betonte das Bekenntnis Österreichs dazu, Juden und Jüdinnen die Ausübung ihrer Religion und ein Leben in Sicherheit zu garantieren.

Raab sprach von einem "Angriff auf unsere Wertegesellschaft" und betonte, dass man sich die "Schnittstelle von Islamismus und dem politischen Islam" zum Antisemitismus genauer anschauen müsse. Sie führte dazu mehrere Studien auf, wonach antisemitische Vorurteile unter Jugendlichen aus Afghanistan, Syrien, der Türkei und Tschetschenien weit verbreitet seien. Hier müsse man bei der Integration weiter ansetzen. Zudem kündigte sie eine weitere Studie zu diesem Thema an. Raab betonte aber auch, dass man keine Pauschalurteile über Migrantinnen und Migranten fällen dürfe.

Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien (IKG), Oskar Deutsch, sagte, die Tat von Graz habe gezeigt, dass der muslimische Antisemitismus eine ernstzunehmende Bedrohung sei. "Das heißt aber nicht, dass man sich auf diese Form beschränken darf. Es gibt rechten und es gibt einen linken Antisemitismus, und es gibt einen israelbezogenen Antisemitismus, der sich nun in Graz gewalttätig gezeigt hat." Der Täter sei vom Wort zur Tat geschritten. "Das zeigt, wie wichtig der Kampf gegen antisemitische Verschwörungstheorien ist." Deutsch dankte auch den Sicherheitsbehörden.

Vereinnahmung für Politik "unappetitlich"

Rosen dankte ebenfalls den Behörden. Sie hätten ihm "das Gefühl gegeben, dass jüdisches Leben in Österreich als gewollt und schützenswert" gilt. Rosen nannte die Taten "unappetitlich", ebenso unappetitlich sei es nun aber, wenn die Angriffe für politischen Profit genützt würden. Rosen warnte auch davor, sich nun auf den mutmaßlichen Täter zu konzentrieren. Taten wie etwa der Anschlag von Hallte hätten gezeigt, dass besonders die Publizität den Tätern eine Motivation biete, ihre Ideologien auf radikale Art und Weise umzusetzen. Vor diesem Hintergrund müsse man auch Schritte gegen die Radikalisierung im Internet unternehmen.

Rosen erwähnte die deutsche Stadt Halle. Dort hatte ein rechtsextremistisch motivierter Täter versucht, zu Jom Kippur 2019 in eine Synagoge einzudringen. Als dies nicht gelang, erschoss er eine Passantin und später den Besucher eines Döner-Lokals. Der Mann hatte sich im Internet radikalisiert und unter anderem auch antifeministische Ideologie-Versatzstücke in einem "Manifest" veröffentlicht.

Nehammer nahm auch zu Berichten des STANDARD über antisemitische und rechtsradikale Umtriebe in einer Grazer Wachstube nahe dem Tatort Stellung. Es werde gegen "die, die beschuldigt sind, sehr ernsthaft ermittelt".

Zu diesen Vorkommnissen präzisiert der Sprecher der Landespolizei Steiermark, Fritz Grundnig, am Montag im Gespräch mit dem STANDARD, dass die betroffenen Beamten zwar im selben Gebäude tätig gewesen seien wie jene Kollegen, die für den Schutz der nahe gelegenen Synagoge zuständig sind, aber einer Verkehrspolizeiinspektion zugeordnet waren. In dem Stützpunkt in der Karlauerstraße gibt es unter anderem drei Verkehrsinspektionen, eine Polizeiinspektion, das Stadtpolizeikommando und das Einsatzkommando Cobra Süd. (mesc, cms, 24.8.2020)