Ednan Aslan setzt auf interreligiösen Kontakt zum Vorurteilsabbau.

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Genau vor drei Jahren legte Ednan Aslan, Professor für Islamische Religionspädagogik an der Uni Wien, seine Studie zum Thema "Religiöse und ethische Orientierungen von muslimischen Flüchtlingen in Graz" vor. Erstellt im Auftrag der Stadt Graz. Darin fand sich auch der Satz: "Eine spezielle Herausforderung für die Stadt Graz stellen sicherlich die alarmierenden Ergebnisse der Studie betreffend antisemitische Einstellungen dar."

An diesem Montag beschrieb Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) jenen 2014 als Flüchtling aus Syrien nach Österreich gekommenen 31-jährigen Mann, der den Präsidenten der Jüdischen Gemeinde Graz, Elie Rosen, und die städtische Synagoge attackiert hatte, so: "Er ist ein radikalislamistischer Antisemit, der obendrein noch homophob ist."

Judenfeindlichkeit als Teil ihrer Religiosität

Diese Beschreibung beinhaltet einige der Problempunkte, die Aslans Bericht benannt hat. Sein Team und er haben 288 muslimische Flüchtlinge (64 Prozent Männer, 32 Prozent Frauen) befragt, und so sagt Aslan zum STANDARD: "Aufgefallen ist, dass mehr als die Hälfte Judenfeindlichkeit als einen Teil ihrer Religiosität verinnerlicht hatten. Noch verdächtiger war, dass sie sehr ungern darüber gesprochen haben und dann sehr zurückhaltend. Umso ernster musste man die hohen judenfeindlichen Vorurteile nehmen."

So bejahten 46,3 Prozent der Befragten die Frage, ob sie glaubten, dass Juden und Jüdinnen zu viel Einfluss auf der Welt hätten. 44,2 Prozent empfanden die jüdische Religion als schädlich für die Welt. Mehr als die Hälfte (54,5 Prozent) der befragten muslimischen Flüchtlinge in Graz stimmten der Aussage zu, dass sich Juden um niemanden außer sich selbst kümmern.

Jeder zweite muslimische Flüchtling hält Homosexualität für unmoralisch

Knapp mehr als die Hälfte (51,7 Prozent) der befragten Muslime bezeichnete Homosexualität als unmoralische Lebensweise, 50 Prozent als zu bestrafende Sünde.

Aslan empfahl damals, und tut es heute noch nachdrücklicher, Dialog und Begegnung, etwa durch die "Gründung eines Dialogkreises mit der jüdischen Gemeinde vor Ort, um Begegnungen mit Menschen mosaischen Glaubens zu ermöglichen, damit die muslimischen Flüchtlinge ihre Vorstellungen korrigieren und Vorurteile zumindest überdenken können. Denn für sie ist Antisemitismus oft ein Stück theologische Selbstverständlichkeit in ihrer alltäglichen Haltung. Durch den Kontakt zu Jüdinnen und Juden könnten sie erleben, dass sie es mit Menschen zu tun haben, die wie sie selbst vielleicht auch Väter und Mütter sind und dieselben Wünsche ans Leben oder für ihre Kinder haben. Jetzt ist es nicht mehr ,der Jude‘, sondern Herr Rosen", sagt Aslan.

Korrektur der Vorurteile über Christen war möglich

Dass eine Korrektur religiöser Vorurteile möglich ist, habe seine Studie auch gezeigt, sagt Aslan – nämlich mit Blick auf Christen, "weil viele von Christen in der Caritas betreut wurden". Fast 62 Prozent der Flüchtlinge glaubten nicht, dass die Christen in Österreich andere Religionen unterdrücken.

Aslan betont aber auch die Aufgabe von Imamen, Vorurteile gegenüber Juden zu thematisieren. Die Grazer Moscheenlandschaft sei da bekanntermaßen besonders problematisch, "weil sie sehr stark vom politischen Islam, und da der Muslimbruderschaft, geprägt ist". (Lisa Nimmervoll, 24.8.2020)