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Martialische Inszenierung.

Foto: State TV and Radio Company of Belarus/AP

Die Szenen wirkten surreal: das Stadtzentrum der belarussischen Hauptstadt Minsk abgeriegelt durch Militäreinheiten, Stacheldraht rund um die Kriegsdenkmäler. Dann ein Video, in dem Alexander Lukaschenko in Begleitung seiner Leibwache mit einer Kalaschnikow bewaffnet durchs Bild läuft. Neben ihm sein 15-jähriger Sohn Nikolaj – ebenfalls in der Ausrüstung von Spezialeinheiten.

Im nächsten Video beschimpft Lukaschenko im Hubschrauber fliegend – und die Kalaschnikow immer noch griffbereit – die Bürger, die am Sonntag in Massen friedlich im Stadtzentrum demonstriert haben, als "Ratten". Die Mitglieder seiner Sicherheitsorgane hingegen lobt er als "Prachtkerle" und verspricht ihnen, sich die Demonstranten vorzuknöpfen. Lukaschenkos Auftritt soll ein Zeichen der Stärke und Entschlossenheit sein. Er zeigt vor allem, dass der 65-Jährige nicht gewillt ist, seine Macht in Belarus (Weißrussland) abzugeben. Doch den Eindruck eines Präsidenten, der gerade souverän seine sechste Wiederwahl mit 80 Prozent der Stimmen gewonnen hat und sich in der Liebe seines Volkes sonnt, vermitteln diese Bilder nicht.

Die Nervosität der Sicherheitsorgane macht ein weiterer Vorfall deutlich: Am Montag meldete die belarussische Luftabwehr die Verletzung des eigenen Luftraums durch Litauen. Zur Abwehr schickte das Militär einen Mi-24-Hubschrauber los, der das verdächtige Objekt dann abschoss. Wie sich herausstellte, handelte es sich um acht Luftballons.

"Gefahr für Flugverkehr"

Der stellvertretende Chef der Luftabwehr, Oleg Orlow, bezeichnete die "mit antistaatlicher Symbolik" bemalten Ballons "als nur auf den ersten Blick ungefährlich", da sie eine Gefahr für den Flugverkehr darstellten.

Auf Nummer sicher geht die Polizei auch beim Umgang mit der Opposition. Die belarussischen Ermittlungsbehörden haben die 72-jährige Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch zur Vernehmung einbestellt. Hintergrund sei ein Strafverfahren gegen den oppositionellen Koordinationsrat, teilte die Gruppe am Montag mit. Alexijewitsch solle am Mittwoch vernommen werden. Ebenfalls am Montag nahmen Beamten Olga Kowalkowa und Sergej Dylewski fest. Beide gehören dem neu gebildeten Koordinationsrat der Opposition an. Speziell Kowalkowa hatte in Abwesenheit der außer Landes geflüchteten Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja zuletzt eine sehr prominente Rolle innerhalb der Opposition inne.

Beide wurden vor den Fabriktoren des Minsker Traktorenwerks festgenommen, wo sie zu Gesprächen mit der Belegschaft waren. Ihnen wird vorgeworfen, eine illegale Kundgebung organisiert zu haben. Die Streiks, die seit gut einer Woche viele staatliche Betriebe im Land erfasst haben, setzen die Obrigkeit stark unter Druck. Lukaschenko drohte daher bereits damit, alle Streikenden zu entlassen. Trotzdem beteiligten sich auch am Montag viele Belarussen weiter am Aufstand gegen den ihrer Meinung nach abgewählten Präsidenten.

Es droht damit auch eine handfeste Wirtschaftskrise. Die Banken in Belarus decken sich daher vorsorglich schon einmal mit Dollar und Euro ein. (André Ballin, 24.8.2020)