In Wien, Niederösterreich und dem Burgenland startete am Montag die zweiwöchige Sommerschule. In den anderen Bundesländern beginnt sie am 31. August.

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Der neunjährige Mahmoud steht mit Mundschutz und einem großen Rucksack vor der Eingangstür der Volksschule Vorgartenstraße 208 im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Er ist allein gekommen. Mit großen Augen blickt er sich um. Hier ist heute viel los, denn an diesem Standort werden insgesamt 160 Kinder und ihre Eltern für das Experiment Sommerschule 2020 erwartet.

Eine Frau geht lächelnd auf Mahmoud zu. Sie ist eine der Studentinnen, die hier in den nächsten zwei Wochen unterrichten wird. Viele der Lehramtsstudenten verfügen über wenig Praxiserfahrung im Unterricht, studieren selbst erst seit zwei oder drei Jahren.

Ab heute werden viele von ihnen allerdings ganz allein Gruppen von zehn bis siebzehn Kindern begleiten. Geplant war das nicht, denn ursprünglich sollte die Unterrichtsgestaltung von zwei Lehramtsstudenten oder einem Studenten mit Unterstützung eines Lehrers übernommen werden.

Punkte statt Geld

Aufgrund der hohen Nachfrage und des Personalmangels geht sich das nicht überall aus, es musste umorganisiert werden – eine große Herausforderung für die angehenden Lehrer. 1400 Studenten haben sich gemeldet, sie bekommen zwar kein Geld, können sich aber fünf ECTS-Punkte für ihr Studium anrechnen lassen.

Mahmoud kramt einen Zettel aus seinem Rucksack und hält ihn der jungen Frau hin. Es ist die Teilnahmebestätigung. "Hallo Mahmoud", sagt sie und führt ihn zu seiner Gruppe ein paar Meter weiter hinten. Dort warten schon weitere vier Kinder, die alle in Mahmouds Alter sind. Sie sehen sich heute zum ersten Mal. Schüchtern werden Blicke ausgetauscht, hier und da das erste sympathisierende Lächeln.

Es ist ein ungewöhnlicher Montag. Mitten in den Ferien treffen Kinder aus unterschiedlichen Bezirken und Schulen aufeinander, um für die nächsten zwei Wochen gemeinsam die Sommerschulbank zu drücken.Gemeinsam ist diesen Kindern aus Volksschule und Unterstufe ein Defizit im Fach Deutsch. Sie besuchen entweder eine Deutschförderklasse bzw. Deutschförderunterricht oder hatten einen Vierer oder Fünfer im letzten Jahreszeugnis.

Insgesamt 40.000 Schüler fallen unter diese Kategorie, mit rund 24.400 Anmeldungen kam das kostenlose Angebot bei mehr als der Hälfte dieser Zielgruppe offenbar gut an. Rund ein Drittel der Teilnehmer stammt aus Wien, die Beteiligungsquote ist allerdings in allen anderen Bundesländern höher, in Vorarlberg sind es etwa mehr als drei Viertel. Im Westen Österreichs beginnt die Sommerschule zeitversetzt erst kommende Woche.

Die Sommerschüler erhalten einen Mitarbeitsbonus, der in die Deutschnote des kommenden Jahres einfließen soll. Für die angemeldeten Kinder herrscht Anwesenheitspflicht wie im normalen Semester auch. Dem STANDARD wurde allerdings von mehreren Standorten berichtet, an denen ein Viertel der angemeldeten Kinder am Montag nicht erschienen ist. Der Hintergrund wird derzeit zu klären versucht.

Die Opposition hätte sich gewünscht, dass die Sommerschule auch für Kinder zugänglich ist, die keine Probleme in Deutsch haben. SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid sagt: "Gerade in Mathematik, dem Fach mit dem höchsten Nachhilfebedarf, aber auch in Englisch wäre Förderunterricht angebracht."

Fortführung angedacht

Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) argumentiert jedoch, dass man auf die Schnelle gar nicht so viele Ressourcen für ein umfassenderes Programm hätte mobilisieren können. Er will die Sommerschulen jedenfalls evaluieren lassen und kann sich auch eine Beibehaltung über das Corona-Jahr 2020 hinaus vorstellen.

Diesmal gibt es bundesweit 500 Standorte mit insgesamt 1800 Gruppen. Neben den 1400 Studierenden unterrichten auch 1500 Lehrer, die sich freiwillig gemeldet haben.

Während des Lockdowns sahen Kinder monatelang keine Schule von innen. Für manche Schülerinnen und Schüler enden dafür die Sommerferien zwei Wochen früher.