Minister Rudolf Anschober (Grüne) wurde schon öfter juristisch gescholten.

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Landeshauptmann Peter Kaiser will, dass künftig mehr kommuniziert wird.

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Es ist nicht seine Art zu poltern, und so packt er auch diesmal seine Worte in Watte: "Es geht mir nicht darum, politisches Kleingeld zu wechseln, ich halte nichts von Schuldzuweisungen. Wichtig ist, dass so etwas nicht mehr passiert." Zuvor hatte sich Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) bei den Reisenden für die "Unpässlichkeiten" entschuldigt.

Am Wochenende waren tausende Urlauber, die nach Hause wollten, mit ihren Autos bis zu 15 Stunden im Stau an der Grenze zwischen Kärnten und Slowenien gestanden. Die Bilder und Filme, die Touristen ins Netz schickten, dokumentierten chaotische, ja gesundheitlich bedenkliche Zustände. Die aus dem Süden heimreisenden Urlauber wurden – wie auch die örtlichen Behörden – von einer Verordnung des Gesundheitsministeriums kalt erwischt: Durchreisende hatten demnach ein entsprechendes Formular zur Durchreise zu unterzeichnen.

"Zur Bestätigung der Durchreise ohne Zwischenstopp sind die Durchreisenden verpflichtet, eine Erklärung gemäß dem Muster der Anlage F oder G vollständig und wahrheitsgemäß auszufüllen und zu unterschreiben", hieß es in der Verordnung. In Kärnten, wo die Hauptroute nach Norden liegt, nahm die zuständige Bezirkshauptmannschaft Villach dies wörtlich und ließ alle Durchreisenden das Formular ausfüllen.

Situation war "nicht human"

In Kärnten beharrt man nun darauf, korrekt gehandelt zu haben. In den Bezirkshauptmannschaften Villach-Land und jener im steirischen Leibnitz heißt es, man habe keine Informationen aus dem Ministerium bekommen. Und auch im Nachbarland Slowenien merkte die dortige Polizei an, von der Verordnung keine Kenntnis erhalten zu haben. Die Situation sei "nicht human" gewesen, lautet die slowenische Krisenanalyse.

Im Gesundheits- und Sozialministerium sieht man das anders: Flächendeckende Kontrollen seien nie ein Thema gewesen. Die Behörden hätten immer einen gewissen Spielraum gehabt – und bis auf die Kärntner hätten das ja auch alle richtig verstanden. Tatsächlich wurde an den anderen vom Urlaubsverkehr betroffenen Grenzen wie jenen in Tirol und der Steiermark lediglich stichprobenartig kontrolliert. Später dann auch in Kärnten selbst – nachdem die Situation in der Nacht und den frühen Morgenstunden des Sonntags eskaliert war, hatte Kaiser das eigenmächtig veranlasst.

Das Ressort des grünen Gesundheitsministers Rudolf Anschober sieht nun auch keinen weiteren Handlungsbedarf: Die Verordnung werde nicht geändert, die Klarstellung sei ohnehin bereits erfolgt. Darüber hinaus erfolge die Abstimmung mit den Ländern regelmäßig. Nachfragen aus Kärnten habe es am Wochenende nicht gegeben.

ÖVP hält sich bedeckt

In den von der ÖVP geführten Ministerien war es auffallend lange ruhig – obwohl das Außenministerium für die Reisewarnung für Kroatien zuständig war und Kanzler Sebastian Kurz sowie Innenminister Karl Nehammer schon am vorigen Wochenende verschärfte Kontrollen bei der Rückreise gefordert hatten. Ein türkiser Insider dazu: "Es ist davon auszugehen, dass man sich in der ÖVP die Hände reibt, wenn es zwischen dem rot-regierten Kärnten und dem grün-geführten Gesundheitsministerium Knatsch gibt." Offiziell ließ Nehammer erst am Montag verlauten, dass das Stauchaos an Kärntens Grenze wegen der knappen Personalressourcen der Gesundheitsbehörden entstanden sei.

Verfassungsrechtler Heinz Mayer, als Kritiker von schlampigen Verordnungstexten im Zuge der Corona-Misere bekannt, sagt zu den mittlerweile ausgestandenen Wirrnissen: Eigentlich sei im Fall von Unklarheiten davon auszugehen, "dass so rasch wie möglich telefoniert wird" – insbesondere wenn abzusehen sei, dass sich ein riesiger Stau bilde. Nachsatz: "Offenbar fehlt es auch an den juristischen Kapazitäten im Gesundheitsministerium." (Walter Müller, Katharina Mittelstaedt, Nina Weißensteiner, 25.8.2020)